Flüchtlinge auf dem Atlantik vermisst: Drei Boote weiterhin nicht gefunden
Spanische Retter haben vor den Kanaren 78 Bootsflüchtlinge gefunden, 300 werden noch vermisst. Die Todeszahlen steigen rasant.
Spanische Retter hatten am Montag vor den Kanaren zwar ein Boot mit 78 Menschen aufgegriffen, die sie auf die Insel Gran Canaria in die Obhut des Roten Kreuzes brachten, aber entgegen ersten Berichten handelte es sich nicht um eines der drei Boote, deren Verschwinden die spanische Hilfsorganisation Caminando Fronteras zuvor gemeldet hatte.
Nach Angaben der Organisation hatte ein Boot mit 200 Passagieren am 27. Juni im senegalesischen Hafen Kafountine abgelegt. Zwei weitere Boote mit jeweils 50 und 60 Menschen waren kurz zuvor vom gleichen Hafen aufgebrochen. Von allen fehlt jeder Spur.
Die Migrationsroute aus Westafrika über den Atlantik auf die Kanaren wird seit Jahrzehnten genutzt, obwohl Boote zwischen Senegals Hauptstadt Dakar und den Kanaren rund 1.500 Kilometer übers Meer fahren müssen.
Die Alternative, der Landweg nach Norden, ist meist unpraktikabel. Weder die Grenze von Senegal nach Mauretanien noch die von Mauretanien in die von Marokko annektierte Westsahara ist problemlos passierbar. Dass Flüchtlinge auf marokkanischem Gebiet landen, wird größtenteils systematisch verhindert und aufgegriffene Schwarzafrikaner werden deportiert.
Fluchtursache in Senegal
Die neuerdings wieder zunehmende Beliebtheit des Seeweges spiegelt sich in rasant steigenden Todeszahlen wider: Im Jahr 2022 registrierte die UN-Migrationsbehörde IOM auf der Atlantikroute 559 Ertrunkene, in der ersten Hälfte 2023 bereits 778, davon allein im Juni 332; die Dunkelziffer dürfte hoch sein.
Spaniens Polizei hilft Senegal dabei, die illegale Ausreise zu erschweren – und das zwingt Migranten auf abseitige Routen. Aus dem Hafen Kafountine im Südteil Senegals, der vom Rest des Landes durch Gambia getrennt ist, beträgt die Entfernung zu den Kanaren sogar 1.700 Kilometer.
In der Region Casamance, zwischen Gambia und Guinea-Bissau, sind Rebellengruppen aktiv und treiben Menschen in die Flucht. Außerdem ist das die Heimat von Senegals Oppositionsführer Ousmane Sonko, dessen Anhänger Repressalien ausgesetzt sind. Einige sollen sich unter den jetzt vermissten Bootsflüchtlingen befinden. Auch viele Migranten aus Nachbarländern reisen aus Kafountine ab.
Kafountine erlangte im Juni 2022 traurige Berühmtheit, als ein Fischerboot mit 140 Passagieren direkt bei der Abfahrt kenterte und 15 der 140 Passagiere ertranken. Im Dezember explodierte ein Boot voller Migranten, als sich einer direkt neben dem Benzintank eine Zigarette anzündete. Nach solchen Vorfällen werden die Überlebenden meist von Senegals Polizei gejagt, verhaftet und deportiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag