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Finanzwende und die Gemeinnützigkeit„Wir lassen uns nicht beschränken“

Weil sie ihre Kampagnenfähigkeit behalten will, gibt die Bürgerbewegung Finanzwende den Status als gemeinnütziger Verein auf.

„Volle inhaltliche Schlagkraft behalten“ wie bei diesem Protest in Hamburg will Finanzwende Foto: dpa

Hamburg taz | Seine jüngste Kampagne startete Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick am Wochenende. Der Rücktritt des Bafin-Präsidenten Felix Hufeld könne „nur ein erster Schritt“ sein. Die Behörde müsse sich nach ihrer unrühmlichen Rolle beim Wirecard-Skandal neu aufstellen und zukünftig als „proaktive“ Aufsicht verstehen. „Das geht nur, wenn die neue Bafin-Leitung dafür auch volle politische Unterstützung aus dem Finanzministerium hat“, kritisierte Schick Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Doch darf er sich als Vertreter einer gemeinnützigen Organisation eigentlich politisch so einmischen?

Vor rund zweieinhalb Jahren hatte der ehemalige Grünen-Politiker die „Bürgerbewegung Finanzwende“ gegründet. Sie sollte der Kritik an Auswüchsen auf den Finanzmärkten eine neue Stimme verleihen – als Ergänzung zu so etablierten Organisationen wie dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac oder der europäischen NGO Financewatch.

Bislang finanzierte sich Finanzwende aus Mitgliedsbeiträgen, Förderungen für gemeinnützige Organisationen und Spenden. Jetzt verzichtet sie bewusst auf den Status der Gemeinnützigkeit. Nur so könne man „volle inhaltliche Schlagkraft und Souveränität gewinnen“ und politische Kampagnenarbeit machen, sagte Schick.

Gemeinnützigkeit bedeutet ganz praktisch die Möglichkeit, Spendenquittungen auszustellen und somit auch größere Mäzene anzuziehen, sie verschafft einem Verein nicht zu verachtende steuerliche Vorteile – und sie stärkt sein öffentliches Ansehen. Doch seit die Finanzbehörden unter anderem Attac, Campact und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes diesen Status entzogen haben, sind viele Vereine, die sich als politisch verstehen, verunsichert: Welche Tätigkeiten ficht das Finanzamt plötzlich als nicht von der Gemeinnützigkeitsdefinition gedeckt an? Schick erklärte, er möchte seine Handlungsmöglichkeiten nicht durch ständiges Abwägen beschränken lassen.

Kompromiss: Splitten

Ganz verzichten will er auf die Vorteile aber nicht: Vorerst wird die Bürgerbewegung Finanzwende zweigleisig fahren. Sie will sich in einen gewöhnlichen Verein und eine gemeinnützige GmbH aufsplitten. Letztere soll sich um Verbraucherschutzthemen und Bildungsarbeit kümmern, der Verein wäre frei für die Kampagnen.

Immerhin konnte sich Schick angesichts von mittlerweile über 4.000 Mitgliedern und mehr als doppelt so vielen Newsletter-Beziehern auch freuen: „Finanzwende hat sich als Akteur etabliert.“ Dem dürfte auch Scholz zustimmen.

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5 Kommentare

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  • Naja, so richtig proaktiv war die "Aufgabe" der Gemeinnützigekeit nicht. Erst am 10.12.2020 hat der BFH in einem ganz aktuellen Beschluss entschieden, dass die Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist keinen gemeinnütziger Zweck darstellt.

    Damit ist er einer Entziehung der Gemeinnützigkeit durch die Behörden und den sich daraus ergebenen Haftungsfragen lediglich zuvor gekommen.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wenn man die Privatinteressen von Kapitalist*innen durchsetzen will ist das in Deutschland selbstverständlich gemeinnützig. Die folgenden eingetragenen Vereine werden sich ganz bestimmt nicht in die Politik einmischen:



    Arbeitgeberverband für Telekommunikation und IT (agv comunity) e.V.



    Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e.V.



    Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e.V.



    Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) e.V.



    Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e.V.



    Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e.V.



    Arbeitgeberverband der Deutschen Lederindustrie e.V.



    Arbeitgeberverband Luftverkehr e.V.



    Arbeitgeberverband Pflege e.V.



    Arbeitgeberverband Postdienste e.V.



    Arbeitgeberverband Stahl e.V.



    Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss e.V.



    bpa Arbeitgeberverband e.V.



    Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V.



    Bundesarbeitgeberverband Glas und Solar e.V.



    Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V.



    Bundesverband Briefdienste e.V.



    Bundesverband der Systemgastronomie e.V.



    Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V.



    Bundesverband Druck und Medien e.V.



    Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V.



    Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V.



    Bundesverband Keramische Industrie e.V.



    Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e.V.



    Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V.



    Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) e.V.



    Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände e.V.



    Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e.V.



    Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e.V.



    Gesamtverband Steinkohle e.V.



    Handelsverband Deutschland e.V.



    Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.



    Hauptverband der Deutschen Holzindustrie und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industrie- und Wirtschaftszweige e.V.



    Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung e.V.



    etc.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Ein Arbeitgerberverband ist nicht nach § 52 AO gemeinnützig sondern lediglich nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Sie verwechseln Äpfel mit Birnen.

  • Wenn man bedenkt, was so alles "gemeinnützig" ist, ist mit dem Begriff ja gelegentlich mehr "gemein" als "nützig" gemeint. Siehe z.B.

    taz.de/Gemeinnuetz...von-NGOs/!5574219/

    So gesehen, ist es gut wenn sich Organisationen wie Attac nicht damit "gemein" machen.

    Ironie aus: es ist natürlich eine durch nicht zu rechtfertigende Schweinerei, dass hier die Gemeinnützigkeit entzogen wird. Es gibt z.B. auch gemeinnützige Vereine, die von den Krakenarmen der Pharmaindustrie nur gegründet werden, um Gelder zu verschieben und Steuern zu "sparen".

  • Parteien erhalten finanzielle Unterstützung aus Steuergeldern, Spenden und Mitgliedsbeiträge lassen sich steuerlich absetzen -- wo ist da der an anderer Stelle so gerne beschworene faire Wettbewerb? Honi soit qui mal y pense