Finanztransaktionssteuer light: „Dann ist die Finanzsteuer kaputt“
Die Bundesregierung unterstützt weitreichende Ausnahmen für die geplante Finanztransaktionssteuer. Das empört die Grünen.
Berlin taz |Die Bundesregierung unterstützt weitreichende Ausnahmen bei der geplanten Finanztransaktionssteuer. Das geht aus internen EU-Papieren hervor, über die zunächst die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte und die auch der taz vorliegen. In einem warnt Deutschland zusammen mit Belgien, Spanien und Portugal vor Auswirkungen der Steuer auf die Realwirtschaft und schlägt vor, Unternehmen auszunehmen, bei denen Finanzgeschäfte nur einen begrenzten Umfang haben.
Zum anderen soll geprüft werden, wie „negative Auswirkungen der Finanztransaktionssteuer auf Pensionspläne verhindert“ werden können. Vorgeschlagen wird private Rentenversicherungen, Pensionsfonds und Lebensversicherungen von der Steuer zu befreien. Über die Steuer, die auf die meisten Finanzprodukte erhoben werden soll, verhandeln derzeit elf EU-Staaten miteinander.
Beim EU-Parlamentarier Sven Giegold (Grüne) stößt die mögliche Aufweichung auf scharfe Kritik. „Deutschland setzt sich für vergiftete Geschenke an die Finanzwirtschaft ein“, sagte er der taz. Die Auswirkungen wären seiner Einschätzung nach weitreichend. „Damit wird die Idee der Steuer kaputt gemacht, nämlich dass alle Finanzprodukte gleichmäßig zur Steuer herangezogen werden.“ Durch eine Ausnahme für Lebensversicherungen würden sich Banken und Investmentfonds benachteiligt fühlen, was die Einführung der Steuer weiter erschweren werde.
Das von Wolfgang Schäuble (CDU) geführte Finanzministerium verwies auf Anfrage darauf, dass es noch keine abschließende Entscheidung zu möglichen Ausnahmen gebe. Zunächst müsse eine politische Einigung über die Grundstruktur der Steuer gefunden werden, sagte ein Sprecher. „Da nähern wir uns einer Lösung an.“ Grundsätzlich sei es jedoch richtig, dass sich Deutschland für Ausnahmen für die Realwirtschaft und die Altersvorsorge einsetze, hieß es aus dem Ministerium. Das sei bereits im Koalitionsvertrag so festgelegt worden.
Ob die KundInnen von Lebensversicherungen und privaten Rentenversicherungen aber tatsächlich davon besser dran wären, wenn diese Produkte von der Finanztransaktionssteuer ausgenommen würden, ist allerdings umstritten. Im Papier der EU wird nämlich auch erläutert, dass sie nur bei jenen Fonds und Versicherungen ins Gewicht fällt, die ihr Portfolio häufig umschichten. Doch dabei fallen meist auch hohe Gebühren an, die auf die KundInnen umgelegt würden, sagt Giegold. „Wenn dieses Modell durch die Finanzsteuer nicht mehr attraktiv wäre, würden die Kunden von der Einführung sogar profitieren.“
Leser*innenkommentare
Chris 4truth
SACHLICH doch FALSCH (Giegold): Jeder der eine Krankenversicherung hat, einen Bausparvertrag, für die Rente spart, eine Lebensversicherung besitzt, etc. (also die große Mehrheit), zahlt dafür, kann teils massive Einbußen (Zinseszinseffekt 40 Jahre = 25% weniger Rente) -> den alle diese Instrumente veranlagen i.d.R. in (Investment-)Fonds, die wiederum an den Märkten Wertpapiere, Devisen kaufen und verkaufen. Ferner beruht der Wohlstand der westlichen Welt zum Großteil auf freiem Finanzfluß und einfachen Finanzierungsmöglichkeiten (und Kreditvergabe) für (innovative) Unternehmen - zur bürokratielosen Schaffung von Arbeitsplätzen, Produktionsanlagen etc. Wir alle haben davon in den letzten 50 Jahren erheblich profitiert. Niemals lebten mehr Menschen frei und (all in all) in Wohlstand wie heute. ENTSCHEIDEND ist A) die GEWINNBESTEUERUNG: wer mit der von allen finanzierten Infrastruktur gute Gewinne macht, muss gute Steuern zahlen (und nicht mit Tricksen a la Briefkastenfirmen im Ausland die Gemeinschaft "betrügen". Und B) REGELN DURCHSETZEN - sie müssen befolgt werden (Gleichberechtigung) -> wer sich verzockt, muss in die Insolvenz geschickt werden. Wer regeln vorsätzlich bricht, muss (persönlich haftbar) (inkl. Gefängnis) bestraft werden - anstand sich in Ablasshandel ähnlichen-Deals immer und immer wieder (mit einem Bruchteil der ergaunerten Gewinne) rauskaufen zu können. Die persönliche Haftung des oberen Managements verschärfen und 98% der "illegalen, unsauberen Vorteilsnahmen" würden umgehend aufhören!
Peter A. Weber
Die Finanztransaktionssteuer ist eine der Möglichkeiten, wie der Staat sich sozial gerechtfertigte Einnahmen in immenser Höhe verschaffen kann. Denn die Unsummen an Kapital, die unkontrolliert und zu Schaden der Volkswirtschaft und dem Bürger zirkulieren und zu Spekulationszuwecken mißbraucht werden, sind ein Skandal.
Auf diese Weise können Abermilliarden an Steuergeldern eingetrieben werden, die niemanden wehtun. Im Gegenteil können allein diese Einnahmen den Abbau von Sozial-, Bildungs- und Rentenleistungen verhindern.
Diese Regierung ist eine Marionette des Kapitals - von ihr ist nichts zum Allgemeinwohl zu erwarten.
mdarge
Schäuble ist der Mann für die wirtschaftskonforme Demokratie. Die Finanztransaktionssteuer steht dafür, den Staaten ein Stück Kontrolle zurück zu geben. Lange sah es so aus, als wäre es den Banken gelungen, wieder nur bei Kleinanlegern abzukassieren. Solange die Union an der Regierung ist, wird es keine Steuer geben, die den Namen verdienen würde. Es gilt nach und nach den Mittelstand auszubluten.
Co-Bold
Gäbe es in Deutschland sowas wie eine finanzielle Bildung in der Breite, dann würde erst gar niemand Fonds-riestern oder -rüruppen...
Von Kapitallebensversicherungen will ich erst gar nicht anfangen. Ein nicht unwesentlicher Grund (sicher nicht der einzige) dafür, dass die soziale Schere in Deutschland so weit auseinanderklafft, ist nicht vorhandene Finanzkompetenz von 90% der Bürger. In manchen Kreisen gilt es fast schon als unanständig über das Thema Geldanlage oder gar Aktien (quasi Geldanage in superböse) zu reden. Lieber bringt man das Geld brav zu Banken und Versicherungen. Was die dann damit machen, ist ja egal...
Peter Meisel
Es war genau dieser Wolfgang Schäuble:
Wir erlebten seit 2008 die Kultur der Lügner und Banker: "Finanzkrise"
Schäuble ist Jurist. Seine Finanzkenntnisse wurden über die schwarzen Kassen des Herrn Kohl bekannt.
1990 hat die CDU mit dem Finanz-Markt-Förderungsgesetz diese Märkte (Banken) von jeder Transaktionssteuer befreit. Aus Bank-Beamten entwickelten sich Spekulanten. Die Finanzkrise offenbarte die neue liberale Kultur der kreativen, wertlosen Finanzpapiere. Es gibt Boni dafür, dem "Kunden" das Ergebnis seiner realen Arbeit weg zu nehmen?
Ein Blick auf die Statistik der Geldvermehrung bis heute zeigt dies! Die reale Produktion ist lediglich noch ein Fünftel der Geldmenge. Und das virtuelle Geldvermögen wächst und wächst ungebremst.
Geld ist ein Versprechen einmal reale Güter dafür zu erhalten! Den Rest kann jeder bei J.M.Keynes 1883-1946 in seinem Buch von 1936 der "Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes", Kapitel 12, die Gründe für die Instabilität der Finanzmärkte, nachlesen. Jedem Volkswirt ist das bekannt?
Vermutlich will er keine Finanztransaktionssteuer zurück. Das würde den neoliberalen Kapitalismus behindern. Es geht um Spekulation und Privatisierung öffentlicher Infrastruktur (Wasserversorgung, Autobahnen, Bundesbahn, etc). In Griechenland will er Häfen, Schienen, Flughäfen (an Fraport), Inseln privatisieren. Das Volk wird seine Produktionsstätten los.
sonoio
Wolfgang Schäuble Wirtschaftsminister?