Europäische Finanztransaktionssteuer: Letzte Chance
Bei dem Treffen der EU-Minister hat es keine Einigung gegeben. Estland steigt sogar aus. Kommt die Tobinsteuer im Sommer 2016?
Dies ist das Ergebnis eines Treffens der EU-Finanzminister in Brüssel. Zunächst war von einem vollständigen Scheitern die Rede. Nun wollen Deutschland und Frankreich, die wichtigsten Befürworter der Steuer, aber doch noch einen neuen Anlauf versuchen.
Der französische Finanzminister Michel Sapin sagte, es gebe zwar eine Einigung auf wichtige Details: „Das ist eine bedeutende Etappe.“ Die Steuersätze seien aber noch offen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) drängte: „Wir brauchen dringend eine bessere Regulierung.“ Er warnte vor einer möglichen weiteren Finanzkrise.
Die Finanztransaktionsteuer geht auf den US-Ökonomen James Tobin zurück, der sie bereits 1972 ins Spiel gebracht hat. In Europa wird die Tobinsteuer seit dem Beginn der Finanz- und Eurokrise diskutiert. Da Großbritannien und Schweden die neue Steuer kategorisch ablehnen, bildete sich nach einigem Hin und Her eine Pioniergruppe aus elf EU-Staaten.
Für alle Finanzprodukte
Nun sind es nur noch zehn: Estland hatte Bedenken, weil die meisten der dort gehandelten Finanzprodukte aus dem Ausland stammen. So würde das Land kaum Einnahmen durch die Steuer erzielen, während Händler abwandern könnten.
Aus der schließlich verabschiedeten Erklärung der zehn Länder geht hervor, dass die neue Steuer alle Finanzprodukte umfassen soll. Ausnahmen soll es aber beim Market-Making geben. Beim Market-Making stellen Banken regelmäßig Kurse für Finanzprodukte, um diese für ihre Kunden handelbar zu halten. Auf die Ausnahmen in diesem Punkt hatte Frankreich gedrungen.
Unklar ist weiter, wofür die Einnahmen verwendet werden. Der französische Staatschef François Hollande hatte angekündigt, das Geld für den Klimaschutz einsetzen zu wollen. Im Europaparlament gibt es Überlegungen, aus der Steuer eine neue EU-Steuer zu machen. Sie könnte Ländern zugutekommen, die unverschuldet Probleme haben – etwa durch eine neue Finanzkrise oder aktuell in der Flüchtlingskrise.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“