Finanzhilfen in der Corona-Krise: Betrug und Irrtum
Behörden gehen tausenden Verdachtsfällen auf Subventionsbetrug nach. Nicht in jedem Fall scheint der Vorwurf gerechtfertigt.
„Die Leute geraten in Verdacht, obwohl sie die Hilfen guten Gewissens beantragt haben“, sagte Mick. „Sie hatten beispielsweise befürchtetet, dass ihr Umsatz komplett wegbrechen würde – was dann eben teilweise nicht der Fall war.“ Ein Betrugsvorsatz liege dabei nicht vor. „Sie werden unnötig kriminalisiert“, so Mick.
Viele der weniger dramatischen Fälle können wohl abseits der Justiz geklärt werden. So haben die Förderbanken die Empfänger*innen der Zuschüsse gebeten, selbst zu überprüfen, ob sie das Geld tatsächlich brauchten. Wenn nicht, sollten die Betroffenen das Geld einfach zurückzuschicken. Fast 16.000 Rücküberweisungen über insgesamt 105 Millionen Euro seien bei der IBB schon eingegangen, sagte deren Sprecher Uwe Sachs unlängst.
Die Rückforderungen richten sich unter anderem an Betriebe, deren Geschäft trotz Corona auf niedrigerem Niveau weiterlief – entgegen den Befürchtungen vom März. Oder an solche Firmen, die einen Teil des Geldes irrtümlicherweise für den persönlichen Lebensunterhalt der Chef*innen verwendeten, anstatt nur für die Betriebsausgaben. Solche Konstellationen würden eher nicht zu Strafverfahren führen, heißt es bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin.
In nordrhein-Westfalen haben sich hunderte Unternehmer*innen in sozialen Netzwerken organisiert, um gegen die Rückforderung der Zuschüsse durch die Landesbehörden zu protestieren. Zumindest einen Teil der Hilfen hätten sie zu Recht bekommen, meinen die Betroffenen.
Täglich mehr als zehn neue Verfahren
Vieles dürfte sich auch klären, wenn die Firmen nächstes Jahr ihre Steuererklärung für 2020 abgeben. Dann werden die Finanzämter ungerechtfertigte Zuschüsse zurückfordern.
Die Fälle, in denen Kleinunternehmen und Selbstständige unbeabsichtigt zu viel Geld empfingen, sind aber nur eine Seite des Spektrums.
Auf der anderen Seite stehen Fälle wie dieser: Ein selbstständiger Gebäudereiniger wurde gerade in Berlin zu einem Jahr und sieben Monate Haft auf Bewährung verurteilt, weil er bei der IBB Zuschüsse für fünf nicht existierende Betriebe beantragt hatte. 21.500 Euro gingen auf seinen Konten ein. Subventionsbetrug.
Bundesweit werden solche Fälle derzeit überprüft. Es geht um mehrere tausend Fälle und potenzielle Schäden in Höhe von dutzenden Millionen Euro. Die Staatsanwält*innen der Hauptstadt betrieben schon Anfang Juli 720 Verfahren. „Täglich kommen über zehn neue hinzu“, sagte Sprecher Martin Steltner. Bisher belaufe sich der bekannte Schaden auf etwa 5,6 Millionen Euro.
Erfundene Firmen
Manche der Beschuldigten erfanden wohl Betriebe, die es nicht gab. Andere sollen Hilfsgelder für Karteileichen ohne Geschäftstätigkeit beantragt haben. Eine weitere Masche bestand darin, in mehreren Bundesländern Zuschüsse für Niederlassungen derselben Firma zu ergattern.
Die Förderbanken, Landeskriminalämter und Staatsanwaltschaften kommen den Missetätern nun auf die Spur, weil sie etwa Hinweise von den Hausbanken der Betriebe erhalten. Verdächtig erscheinen den Banken etwa tote Konten ohne Zahlungsverkehr, auf denen plötzlich der Corona-Zuschuss einging.
Die IBB erklärte kürzlich, sie habe für die rund 246.000 Anträge von Soloselbstständigen und Kleinfirmen inzwischen einen kompletten Datenabgleich mit den Berliner Finanzämtern durchgeführt. Danach „verbleiben etwa 1.400 Anträge mit Auffälligkeiten, die die IBB einer individuellen Prüfung unterziehen wird.“ Bisher hat die Förderbank rund 50 Strafanzeigen erstattet.
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