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Finale in der Champions LeagueWeit weg vom Übersport

Vor dem Finale in der Champions League: Das Preisgeld bei den Fußballerinnen stagniert. Der Männerfußball erlebt exorbitante Wachstumsraten.

Hauptgewinn: Olympique Lyon, hier beim Triumph von 2016, will gegen Paris wieder den Pokal Foto: Imago

Cardiff taz | Wer den Hauch der Geschichte spüren will, der gehe ins Keramikmuseum Mettlach im Saarland. Dort steht es, das berühmteste Service der Bundesrepublik. Mariposa heißt die Serie, und die roten, gelben und blauen Blümchen auf dem Rand der Tassen und Teller sehen gar nicht sooo schlecht aus.

Das zweitberühmteste Service trägt den Produktnamen New Wave, ist monochrom weiß und sieht mit den geschwungenen Formen, nun ja, ziemlich scheiße aus. Wer in Deutschland als Frau gut Fußball spielt, muss damit rechnen, ein Service geschenkt zu bekommen als Anerkennung für die Verdienste auf dem Rasen.

Im Jahre 1989 war es Mariposa, pikanterweise in 1b-Qualität, das deutsche Nationalspielerinnen bekamen, 2011 leistete sich der Hersteller Villeroy & Boch ein ironisches Zitat auf das später bespöttelte Präsent und verschenkte New Wave („in ausgefallen geschwungenem Wellen-Design“) an die DFB-Kickerinnen.

Wenn am Donnerstag das Finale in der Champions League der Frauen in Cardiff ansteht (20.30 Uhr, Eurosport), dann wäre es doch interessant zu wissen, was die beiden französischen Teams, Olympique Lyon und Paris St.-Germain, von der Uefa bekommen.

Die gute Nachricht: Sie kriegen kein Geschirr, die Siegerinnen dafür einen Pokal aus Sterlingsilber, 60 Zentimeter hoch und zehn Kilogramm schwer. Der soll, wie die Uefa schreibt, „mit seinen spiralförmigen Armen und einem massiven Körper Dynamik und Stärke symbolisieren“. Über einen ähnlich pompösen Pott dürfen sich am Samstag auch die Männer freuen – und die kommen angesichts der von der Uefa ausgeschütteten Summen gar nicht mehr aus dem Jubeln heraus. Der Fußball-Kontinentalverband schüttet heuer unglaubliche 1,3189 Milliarden Euro an die Klubs in der Champions League und im Uefa-Superpokal aus

60 Prozent mehr Einnahmen

Die Teilnehmer in der Europa League streichen immerhin noch 399,8 Millionen Euro ein. Das ist viel mehr als noch im Vorjahr. Die Steigerungsraten liegen bei 25 Prozent in der Champions League und bei 60 Prozent in der Europa League – ein exorbitantes Wachstum, von dem auch die Frauenfußballerinnen profitieren? Weit gefehlt. Das in Cardiff siegreiche Team bekommt gerade mal 250.000 Euro, der Zweite 200.000 Euro, die unterlegenen Semifinalisten haben 50.000 Euro eingestrichen, und die Mannschaften, die im Viertelfinale hängen geblieben sind, 25.000 Euro. Das Preisgeld ist auf dem Niveau der Vorsaison. Ein Unding?

In anderen Sport­arten ist die Gleichbezahlung üblich

Siegfried „Siggi“ Dietrich stimmt dem nur bedingt zu, denn es handele sich ja, findet er, beim Männer- und Frauenfußball um zwei verschiedene Sportarten. Der Manager des 1. FFC Frankfurt flüchtet sich in dieses Konstrukt, um kein Porzellan zu zerschlagen. „Vergleichen kann man beide Sportarten nicht, und von Ungerechtigkeit will ich nicht reden, denn wir entwickeln uns ja noch“, sagt er. „Es ist immer eine Frage, wie die Marktsituation aussieht.“ Und in diesem Business gebe es nun mal die „Marke Männerfußball“ und die „Marke Frauenfußball“. Die eine überstrahlt die andere. „Wir können uns nicht vergleichen mit dem Übersport Männerfußball, wir sind in unserem eigenen Fahrwasser.“

Aber warum können nicht ein paar Geldschatullen rübergeschoben werden zu den Frauen, um das soccer pay gap ein wenig zu verringern? „Ja gut, so ganz zufrieden bin ich nicht, es ist immer mehr möglich, aber der Frauenfußball hängt halt in seiner Entwicklung eine Generation hinterher“, sagt Siggi Dietrich und verweist dann darauf, dass der Sport 1970 in Deutschland ja noch verboten war.

Kleine Zeichen der Besserung

In anderen Sportarten hat die Gleichbezahlung längst Einzug gehalten. Sie ist, nach Erhebungen der BBC aus dem Jahr 2014, zum Beispiel völlig normal in der Leichtathletik, bei den Alpinen und den Nordischen, bei den Schwimmern, Eiskunstläufern (schon seit 1995) oder Modernen Fünfkämpfern.

Im Fußball sind die Unterschiede am gravierendsten, auch wenn es kleine Zeichen der Besserung gibt. So wird bei der Europameisterschaft in diesem Sommer in den Niederlanden fast viermal so viel Geld an die Teilnehmerinnen ausgeschüttet als zuvor. 2,2 Millionen waren es bei der EM 2013 in Schweden, jetzt werden es 8 Millionen Euro sein. Damit kommt man bei einer Männer-EM allerdings nicht weit; 301 Millionen Euro wurden bei dem Kontinentalturnier in Frankreich ausgeschüttet.

Eine Angleichung des Preisgeldes hätte aber nicht nur positive Effekte. Würden unter den Klubs in der Champions League der Frauen plötzlich hohe Summen verteilt wie etwa – um nicht gleich zu hoch zu greifen – in der Europa League der Männer, Vereine wie Olympique Lyon, der VfL Wolfsburg oder Paris St.-Germain würden der Konkurrenz noch weiter enteilen. Die Dominanz von Lyon ist jetzt schon erdrückend. Seit 2010 gibt es die Champions League der Frauen in dieser Form – und Olympique war in sechs von sieben Endspielen dabei.

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4 Kommentare

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  • Ich denke nicht, dass es eine Ungleichbehandlung von Frauen- und Männerfußball gibt - oder wenn überhaupt die, dass Frauenfußball von außen gefördert wird, während der Männerfußball sich selbst "ernährt". Die Sportverbände können nichts dafür, dass der Männerfußball nach wie vor eine ungleich größere Fanbasis hat und damit Sponsoren und Lizenznehmer ihre Milliarden auch weit überwiegend für Männerfußball ausgeben.

     

    Dass diese Milliarden dann nicht zu den kickenden Frauen umgeleitet werden, ist nicht weniger als eine Bedingung dafür, dass sie überhaupt fließen. Denn wenn die Geldgeber ihre Kröten auf den Tisch legen, dann wollen sie auch, dass es da landet, wo sie sich ihren "Return on Investment" versprechen. Tut es das nicht, finden sie andere Wege, direkt ins Geschäft zu kommen. Man kann also nicht so tun, als wäre das Geld so oder so da, und die Verbände könnten frei entscheiden, ob sie es nach dem Verursacherprinzip oder nach einem irgendwie gearteten politisch motivierten Gleichstellungsschlüssel verteilen.

     

    Gleiche finanzielle Ressourcen und damit Startgelder und Siegprämien gibt es in Sportarten, wo das Publikumsinteresse keinen nennenswerten Unterschied zwischen Frauen- und Männerwettkämpfen macht (oder wo es die gar nicht gibt, wie z. B. bei den Reitern). Da ergeben sie sich ganz von allein, während es im Fußball eine synthetische finanzielle Gleichheit wäre, die der Realität nicht entspricht.

  • Vielleicht kann man auch die Frage stellen, ob es wirklich wünschenswert ist, das wir wenn wir von Fußball reden, immer über solche astronomischen Summen reden und ob höhere Preisgelder einer Sportart guttun. Die Überkommerzialisierung aller Sportarten ist meiner Ansicht nach keineswegs wünschenswert, aber vielleicht täusche ich mich. :(

  • Äpfel und Birnen... dass die Bezahlung von Frauen und Männern in der Leichtathletik oder dem modernen Fünfkampf gleich ist, liegt nicht daran, dass diese Sportarten besonders fortschrittlich sind, sondern am gleichen (geringen) medialen Interesse.

    Leistung wird in der Wirtschaft halt nicht in Kilojoule sondern in Euro (bzw. anderer Währung) bemessen, und da ist der Männerfußball in Europa allen anderen Sportarten Lichtjahre voraus.

    • @Rainer Winkler:

      Korrekt. Es ist aber nicht nur das mediale Interesse. Wenn 20 Mio Frauen in D heute Eurosport anschalten würden.... dann sähe es ganz anders aus. Natürlich geht es auch mit 20 Mio Männern, aber es werden eben wohl eher 0,5 Mio oder weniger sein, je nach Grillwetter. Die Nachfrage ist schlicht nicht da.