Filmfestspiele in Venedig – Lidokino 2: Weiche, Satan!
Weg vom Teufel, hin zu Gott: William Friedkins „The Devil and Father Amorth“ und Paul Schraders „First Reformed“ in Venedig.
H ölle, Tod und Teufel. Extreme religiöse Ausprägungen sind heutzutage keinesfalls bloß im radikalisierten Islam zu finden, wie man am Lido in Erinnerung gerufen bekommen kann. So spielt sogar der Teufel im Leben mancher Menschen eine größere Rolle, als einem als halbwegs aufklärungssozialisierter Mensch so schwant. Unter Exorzisten jedenfalls treibt Satan sich ganz gern herum.
William Friedkin ist vor allem für seinen Horror-Klassiker „Der Exorzist“ von 1973 berühmt, in dem ein besessenes Mädchen mühelos den Kopf um 180 Grad drehen kann und unanständige Dinge mit einem Kruzifix anstellt. Als Friedkin den Film drehte, hatte er selbst noch keinen echten Exorzismus erlebt. Das hat er für seinen Dokumentarfilm „The Devil and Father Amorth“ jetzt nachgeholt, den die Filmfestspiele von Venedig außer Konkurrenz präsentieren.
Der vatikanische Exorzist Gabriele Amorth, der vor einem Jahr mit 91 Jahren starb, ist in Friedkins Film bei einem seiner letzten Exorzismen zu sehen. In einem höchst nüchternen Raum mit einem roten Sessel, auf dem eine Besessene Platz genommen hat.
Man fragt sich allerdings ein bisschen, ob das, was die italienische Architektin, die bei ihren krampfartigen Anfällen mühsam von zwei Männern festgehalten werden muss, so von sich gibt, inszeniert ist oder nicht. Zu verzerrt klingt ihre Stimme, die wüste satanische Botschaften herausbrüllt, fast als hätte man sie nachbearbeitet, um sie „verdoppelt“ sprechen zu lassen, ein im Film probates Mittel.
Dämonische Besessenheit
Doch vielleicht stimmt ja alles. Der Exorzist Amorth war zumindest echt, und auch die Neurowissenschaftler, Psychiater und Theologen, die Friedkin befragt, scheinen alle seriöse Wissenschaftler zu sein, die ohne Bedenken von „dämonischer Besessenheit“ als einem Phänomen sprechen, das sie mit den Instrumenten ihrer Disziplin, wie sie einhellig einräumen, nicht sinnvoll in den Griff bekommen.
Oder hat Friedkin sich am Ende doch einen Spaß erlaubt? Immerhin: Wenn man seinen Worten und denen seiner Gesprächspartner Glauben schenkt und dazu noch schrille symphonische Dissonanzen der Komponisten Christopher Rouse erklingen, könnte man tatsächlich denken, dass Satan unter uns weilt.
Das tut er, auf seine Weise, ganz bestimmt bei Reverend Toller, der Hauptfigur von Paul Schraders Wettbewerbsfilm „First Reformed“. Den ehemaligen Militärgeistlichen plagen diverse Dämonen. Seine Ehe ist zerbrochen, weil er, einer Familientradition folgend, seinen Sohn – gegen den Widerstand seiner Frau – in den Irakkrieg geschickt hat und dieser dort gefallen ist. Danach hat er einen Predigerposten an einer kaum besuchten, dafür höchst traditionsreichen Kirche in Neuengland angenommen, wo er zölibatär seinen Dienst versieht.
Reverend Toller, von Ethan Hawke virtuos in mühsam zurückgehaltener Selbstquälerei gegeben, bemüht sich seiner eigenen Zweifel zum Trotz, die Botschaft Gottes in seiner Gemeinde überzeugend zu verbreiten. Ein psychisch labiler Umweltaktivist insbesondere stellt ihn dabei besonders auf die Probe. Dessen Frage: „Wird Gott uns vergeben?“ (dass wir die Umwelt zerstören), macht sich Toller mehr und mehr zu eigen.
Schrader, der gern Menschen in Bedrängnis zeigt, wählt für diese Prüfung kaltes Licht, unterlegt mit katakombisch grollender Musik des Ambient-Produzenten Lustmord, und setzt Ethan Hawke in karg möblierte Kammern, wo dieser in immer neuen Anläufen nach Gott sucht. Finden wird er seine Antwort schließlich auch. Auf dramatisch stilvoll überdrehte Weise. Bis dahin leidet man allzu gern mit ihm mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!