piwik no script img

Filmfestspiele Cannes 2023Mehr Frauen wagen im Wettbewerb

Vor den 76. Filmfestspielen in Cannes wurde viel diskutiert. Die neue Chefin ist keine Französin, einige Regisseurinnen sind im Wettbewerb.

Regisseurin Maïwenn als Mätresse und Johnny Depp als König Ludwig XV. in „Jeanne du Barry“ Foto: Festival de Cannes

Ist schon jetzt alles gesagt zu Cannes? Wenn man dieser Tage erwähnte, dass man bald zum Filmfestival an die Côte d’Azur aufbrechen werde, lautete die Antwort mitunter: „Ach, ich dachte, das war längst?“ Die Filmfestspiele von Cannes eröffnen ihre 76. Ausgabe erst heute Abend. Ein wenig mag die Reaktion daher rühren, dass vorab ausführlich das Programm angekündigt wurde. Vor allem aber sorgte ein Thema für Aufregung.

Cannes wartet mit einer Neuerung an höchster Stelle auf: Diese Ausgabe ist die erste unter der neuen Präsidentin des Festivals, Iris Knobloch. Ihre Berufung war in Frankreich ablehnend aufgenommen worden, weil sie als Deutsche, trotz internationaler Erfahrung als Filmmanagerin von Warner Bros. mit Stationen in Los Angeles, London und Paris vielen Franzosen nicht französisch genug war. Auch ihre Nähe zu Hollywood sah man skeptisch.

Eine illustre Runde an Prominenz

Hollywood ist in der Tat gut vertreten, wie überhaupt der Wettbewerb mit seinen 21 Filmen von großen Namen des Weltkinos, die meisten männlich und etwas älter, eine illustre Runde an Prominenz versammelt. Was keine schlechte Nachricht ist. Gibt es doch neue Filme der US-Amerikaner Wes Anderson und Todd ­Haynes, des Finnen Aki Kaurismäki oder des Japaners Hirokazu Koreeda. Dessen Film „Broker“, der vergangenes Jahr in Cannes Premiere hatte, kam vor Kurzem in Deutschland in die Kinos.

Auch namhafte Autorenfilmer wie der türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan sind vertreten, desgleichen als soziales Gewissen der Brite Ken Loach und aus Deutschland Wim Wenders.

Französische Frauen in der Mehrheit

Bei den stark auftretenden Italienern sind die Männer in der Zweidrittelmehrheit, Altmeister Marco Bellocchio und Nanni Moretti konkurrieren mit der deutlich jüngeren Alice Rohrwacher um die Goldene Palme. Für weitere Abwechslung in der männerdominierten Regiegesellschaft sorgt die Österreicherin Jessica Hausner.

Wenn man jedoch auf die fünf französischen Beiträge im Wettbewerb blickt, sind die Frauen klar in der Mehrheit: Catherine Breillat, Catherine Corsini, Ramata-Toulaye Sy und Justine Triet steht allein Jean-Stéphane Sauvaire als männlicher Kollege gegenüber. Macht insgesamt sechs Frauen im Wettbewerb, ein knappes Drittel mithin, darunter mit „Banel et Adama“ von Ramata-Toulaye Sy ein Debütfilm.

Außer Konkurrenz läuft heute noch der Eröffnungsfilm „Jeanne du Barry“ von der französischen Regisseurin Maïwenn. Sie selbst gibt darin die titelgebende Mätresse von König Ludwig XV., für dessen Part sie Johnny Depp gewinnen konnte.

Ausgeladen, eingeladen

Ihre Kollegin Catherine Corsini wäre hingegen fast nicht angetreten. Zunächst mit ihrem Film „Le retour“ in den Wettbewerb eingeladen, war sie kurz vor Bekanntgabe des Programms vorübergehend wieder ausgeladen worden. Von Übergriffen während des Drehs war die Rede, die man zum Teil auch der Regisseurin vorwarf. Konkret hatte Corsini gegen eine Auflage verstoßen, da sie ohne vorherige Genehmigung eine Sexszene mit einer 15-jährigen Darstellerin gedreht hatte. Der Großteil der staatlichen Filmförderung wurde darauf zurückgezogen. Zu sehen ist die Szene nicht, Corsini hat sie herausgeschnitten.

Man kann in diesem Zusammenhang an zwei aktuelle Filme denken: Der in dieser Woche in Deutschland anlaufende „Sparta“ von Ulrich Seidl, in dem Hauptdarsteller Georg Friedrich in der Rolle eines Pädophilen an der Seite von Kindern spielt, hatte ebenfalls eine Debatte ausgelöst. Und die heikle Position Corsinis, als lesbische Regisseurin mit #MeToo-Vorwürfen konfrontiert zu sein, erinnert an Todd Fields Film „Tár“ über eine Dirigentin, die ihre Macht gegenüber ihren Untergebenen missbraucht.

Tiktok als Sponsor

Wie sieht es in weltpolitischer Hinsicht aus? Aus China reist für den Wettbewerb der chinesische Dokumentarfilmer Wang Bing an, mit einem Porträt junger Arbeiter in der chinesischen Stadt Zhili, einem Zentrum der Textilindustrie. Im vergangenen Jahr kam das chinesische Unternehmen Tiktok als Sponsor des Festivals hinzu. Kürzlich haben mehrere Staaten ihren Regierungsmitarbeitern die Nutzung der Tiktok-App aus Sicherheitsgründen verboten. Auf der aktuellen Liste der Sponsoren steht der Name Tiktok unverändert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Die neue Chefin ist keine Französin"



    Na hoffentlich hat sich die Neue durch Qualifikation ausgezeichnet.



    Bei der Berlinale ist die US-Amerikanerin Kristen Steward Präsidentin geworden. Für mich war das nicht nachvollziehbar!