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Filmen auf DemosPolizei übertreibt Überwachung

Polizisten dürfen auf friedlichen Demonstrationen nicht filmen, urteilt das Verwaltungsgericht. Ein Ohrfeige für die Polizei, die fast jeden Protest mit Kameras verfolgt.

Demonstrant unter Beobachtung. Bild: imago

BERLIN taz | Auf Demonstrationen wird der Anblick von Polizisten mit Kameras seltener werden. Grund dafür ist eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts. Darin erklären die Richter die Videoüberwachung einer Großdemonstration im vergangenen September für rechtswidrig. Geklagt hatten ein Mitveranstalter und ein Teilnehmer.

Rund 50.000 Menschen hatten damals gegen Atomkraft protestiert - friedlich, wie es auch im Vorfeld zu erwarten war. Die Polizei filmte trotzdem und begründete das vor dem Verwaltungsgericht mit der Notwendigkeit, Einsatzkräfte und Verkehr zu lenken. Die Anti-Atomkraft-Demo ist kein Einzelfall: Videoüberwachung durch die Polizei ist in den vergangenen Jahren zum Standard geworden. So fährt nicht nur häufig ein Wagen mit Kamera vorweg. Auch einzelne Polizisten sind mit Kameras ausgestattet. Zahlen, wie viele Demos filmisch überwacht werden, nennt die Polizei nicht.

Die Richter ließen sich von der Argumentation der Polizei nicht überzeugen. Denn das Filmen schränke das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und das informationelle Selbstbestimmungsrecht ein. "Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung […] behördlich registriert wird, und ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte verzichten", so die Richter in der am Dienstag bekannt geworden Entscheidung. Eine "einschüchternde Wirkung", so sieht es das Gericht, gehe schon von dem "ständig vorausfahrenden Übertragungswagen" aus.

Für eine Einschränkung des Versammlungsrechts durch eine Videoüberwachung gebe es nur dann eine rechtliche Grundlage, wenn von der Versammlung eine "erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung" ausgeht, erläuterte Michael Dolle, Sprecher des Verwaltungsgerichts. "Wenn man davon ausgehen kann, dass es ein friedlicher Protest wird, darf die Polizei nicht filmen. Insofern hat das Urteil auch Auswirkungen auf andere Demonstrationen."

In Zukunft hängt es also an der Gefährdungsanalyse, die die Polizei im Vorfeld einer Demonstration erstellt, ob die Demo überwacht wird oder nicht. Wie das in der Praxis umgesetzt wird, ist noch offen. Unklar ist beispielsweise, ob der Veranstalter beim Anmeldergespräch im Vorfeld einer Demo über die Videoüberwachung informiert wird und dagegen - wie auch gegen Auflagen - im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht klagen kann. Bei regelmäßig stattfindenden Demonstrationen wird sich die Einschätzung der Polizei an der jeweils vergangenen Demo orientieren. Verlief also beispielsweise die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im letzten Januar friedlich, müsste die Polizei gute Gründe nennen, um ein Jahr später eine erhebliche Gefahr festzustellen. Denn im Nachhinein gegen die Videoüberwachung vor Gericht zu ziehen, das betont Dolle, können die Veranstalter bereits heute.

"Es wird sicher Fälle geben, in denen wir über die Gefährdungsanalyse streiten werden", sagt Sven Lüders, Geschäftsführer der Humanistischen Union. Der Verband beteiligt sich unter anderem an der Organisation der Datenschutzdemo "Freiheit statt Angst" am 11. September. Im vergangenen Jahr nahmen an der Demonstration rund 25.000 Menschen teil. Da das Urteil des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig ist und Lüders vermutet, dass die Polizei einen Antrag auf Zulassung der Berufung einreichen wird, rechnet er nicht damit, dass die Veranstaltung in diesem Jahr schon überwachungsfrei laufen wird.

Die Polizei teilte lediglich mit, dass das Urteil erst seit Montag vorliege und derzeit noch geprüft werde. Rechtsanwältin Ulrike Donat, die die Kläger vertritt, kündigte allerdings an, mit der Klage notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

(Az.: VG 1K 905.09)

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31 Kommentare

 / 
  • FF
    Fritzy Fratz

    Wer filmen und fotografieren will,

    schafft sich dann eben die Bedingungen

    um filmen und fotografieren zu können.

    Welch` ein Fortschritt -

    ach - und dann, gibt es ja auch noch sowas wie

    das da:

     

    "...Mit TerraSAR-X wollen die Wissenschaftler Techniken und Erkenntnisse verfeinern, die aus früheren Radar-Missionen gewonnen werden konnten. Insbesondere sollen systematische Langzeitbeobachtungen durchgeführt werden. Eines der herausragenden Merkmale von TerraSAR-X ist die hohe räumliche Auflösung, die bisher bei keinem zivilen Radarsystem erreicht wurde. Diese ermöglicht den Wissenschaftlern, detaillierte Bodenmerkmale für eine bessere Klassifizierung der Vegetation einzubeziehen. Ein weiteres wissenschaftliches Anwendungsfeld für TerraSAR-X ist die Beobachtung der Ozeane und der Küstenregionen. Auf diese Weise sollen neue Erkenntnisse über Fischbestände oder den Zustand von Eisbergen gewonnen werden.

     

    Darüber hinaus wird TerraSAR-X laut Wörner auch für die Beobachtung von Städten und Infrastrukturen neue Perspektiven bieten. Die hohe Auflösung von TerraSAR-X wird dabei den Detailierungsgrad deutlich verbessern, so dass einzelne Gebäude, Stadtstrukturen und Infrastruktur wie Straßen und Eisenbahnlinien erkannt und kartiert werden können...."

  • M
    meso

    gesinnungstest für polizisten!

    demokrat oder antidemokrat

    das ist hier die frage ?

  • VZ
    Volker Z.

    Jedes gößere Demo sollte sich so organisieren, das sie zwei Teams mit der Gegenobservation austattet!

     

    Ein Team verdeckt und eines provokant sichtbar.....

     

    Die Polizei muss gerade in einer Demokratie immer wieder beobachtet und in ihre Schranken gewießen werden.

     

    Wichtig ist auch das Polizeibeamte so gekennzeichnet werden, das sie bei voller Schutzkleidung noch idetifiziert werden können, hier müsste auch ein technisch wenig manipulierbares System angedacht werden.

     

    Kann nicht sein das sich der Bürger sich immer mehr Überwachung gefallen lassen muss und die Polizei ( Staatsbürger in Uniform) wird unter einen falschen Schutzmantel versteckt!

  • DT
    Der Tom

    Aha, jeder Demonstrant darf mit seiner Handy-Kamera den bösen Polizisten filmen, immer in der Hoffung gleich ne tolle Szene eines Übergriffs im Bild zu haben, nur umgekehrt ist das verboten. So führt der Staat mit seinem Urteil sich selbst ad absurdum

  • KI
    Kein Innensenator

    Meine 5 Thesen zu gegenwärtigen Demonstrationsrecht

     

    Das Problem Nr. 1 mit den sogenannten friedlichen Demonstrationen ist das, dass sie eben nicht friedlich sind.

     

    Die deutsche Justiz handelt generell viel zu lasch und lässt das Unrecht grassieren und die Opfer massakrieren. Dieses Urteil bestätigt wieder einmal voll den jahrelangen Trend. Würde er nicht koksen, wünscht man sich Schill zurück.

     

    Die Polizei wird immer mehr vom Prügelknaben der Gesellschaft zu etwas viel Schlimmeren degradiert.

    Wer sich in Deutschland anständig verhält, kriegt - bis auf kleinliches Falschparken evtl. - eigentlich nie Ärger mit der Polizei. Im Gegenteil: Man bekommt hilfreiche Auskunft, Hilfe wenn man sie braucht von unterbezahlten, aber immer noch dafür erstaunlich motivierten Menschen in Uniform.

     

    Da von vielen Demonstranten vor Gericht nur zu gerne die Tatsachen verdreht werden, ist so ein Film als Beweisdokument schon eine tolle Sache, beweist er doch, wie dreist unter Eid gelogen wird.

     

    Die als Demonstrationen getarnten Krawallevents, Strassenkämpfe mit Schwerverletzten, zerstörten Autos, Ladenzeilen kosten dem Staat und damit allen Bürgern ein Vermögen und ändern nichts. Dass politischer Wechsel und Veränderung gerade ohne Gewaltdemos funktioniert, hat sich bei den Teilnehmern noch nicht herumgesprochen.

  • OP
    Otto Pardey

    Das Verständnis von Demokratie,Rechtsstaatlichkeit

    verstehen einige Polizeibeamte in Hannover so

    indem diese wegen Vorteilsnahme im Amt sich

    Schmiergelder aus dem Rotlicht-Milileu verschaffen

    und u.a.Hausdurchsuchungen verratten haben!

    Darüber hinaus sind es Staatsanwälte die mitmischen

    daran ändert auch nicht die Anklage der Staatsanwalt-

    schaft nichts und ist nur ein Beweis dafür,

    das die Bürger bzw.Steuerzahler das finanzieren.

    Bild Hannover vom 31.07.2010

    Verdacht auf Falschaussage 3 Polizisten aus Hannover

    angeklagt von dem berühmt,berüchtigten 12.Polizei-

    revier,Herschelstraße Hannover

  • NF
    ned flanders

    Ja gute Güte, dann lassen die halt eine Privatfirma filmen, und nehmen sich die Daten bei bedarf. Ist doch öffentlicher Raum.

  • F
    fein

    Ist 'ne gute Sache, dass nicht mehr auf Demos gefilmt werden darf. Es sind ja auch nicht nur Demos, die aufgezeichnet werden. Beispiel: Silvester am Connewitzer Kreuz. Nun da die Kameras für die Polizei auf Demonstrationen "verboten" sind, frage ich mich was mit den Kameras in den Streifenwagen passiert. Mir ist nämlich aufgefallen, dass dort kleine Kameras hinter der Windschutzscheibe hängen und fleißig filmen.

  • N
    NNN

    Langsam ist an der Zeit, dass der Verfassungsschutz sich mal mit der Polizei befasst.

     

    Aber das wäre dann ja soetwas wie "Netzbeschmutzung" -

    Kadavergehorsam - pfui, das hatten wir schon viel zu oft in diesem Land.

  • A
    Andi

    Ich war vor ein paar Wochen dabei, als eine Berliner Openair-Party am Rande des Karnevals der Kulturen zu fortgeschrittener Stunde von der Polizei aufgelöst wurde. Dabei waren mindestens 10 Kameras incl. Flutlichtscheinwerfer im Einsatz und es sah tatsächlich so aus, als würde man jeden Gast einzeln filmen wollen.

     

    Nun mag man natürlich einwänden, dass solche Openairs in Berlin in den seltensten Fällen legal sind. Das können aber ja nicht alle Gäste erahnen, gerade am Rande einer Großveranstaltung wie dem Karneval der Kulturen könnte man denken, sowas gehöre zum offiziellen Programm. Außerdem sind auf solchen Events in der Regel keine gewaltbereiten Menschen, zumindest nicht in der Absicht die Polizei anzugreifen.

     

    Kann es sein, dass die Polizei generell alle Einsätze filmen möchte? Dann sind ja auf Film festgehaltene Verkehrskontrollen nicht mehr weit...

  • SE
    stephan eßwein

    Ich finde es erstaunlich, das sich die Polizei, als Organ des Staates, vorbehält zwischen guter und gefährlicher Meinungsäußerung zu unterscheiden. Meinungsfreiheit ist, wenn es nicht menschenverachtend ist, ein verankertes Grundrecht. Dahingehend finde ich die, auch bereits selbst erlebte Praxis von videogefilmten Demonstrationen durch Staatsorgane nicht nur bedenklich, sondern in erster Linie einschüchternd und manipulativ. Ich stimme der hier zitierten Begründung aus dem Urteil zu und möchte nur hoffen, das sich mehr Menschen in diesem Lande den seit Jahren als "unbedeutend" abgetanen, aber nachhaltig bedenklichen Entwicklungen kritisch und öffentlich annehmen.

  • M
    Mohi

    Da frage ich mich was der Unterschied zwischen der iranischen Polizei und die Deutschen sein soll!!! Übrigens von Ausrüstungs her, um die Menschen nieder zu knupeln, gibts zwischen die Polizisten in Teheran und Berlin keine Unterschiede!! Ich war in Teheran bei den Demos! deren Ausrüstung kommt EINDEUTIG aus Deutschland!!

     

    Willkommen in 1984! (und das ist noch der Anfang!)

  • B
    Bdolf

    Selbst in den Reihen der Polizei nimmt der Unmut über die Menschenverachtenden Gesetzlichen Sicherheitsvorgaben stetig zu ,was sich an den steigenden zahlen von Krankmeldungen , Fluktuation und sogar Sabotage ablesen läst .

  • U
    unaussprechbar

    Immerhin könnte man mit so einem Gefahrenprüfungsverfahren weitere Methodenfehler der Polizei eruieren und vor allem definitiv Urteile darüber geben, was man mit so einer Prognose trotzdem nicht wissen kann, es sei denn, die spielen dann alle Nostradamus mit Kristallkugel. Eine Gutachterkommission könnte vielleicht tatsächlich auch ein ethisches Korrektiv werden, aber vielleicht wartet man nicht, bis es solche offiziell gibt, sondern macht sie einfach selbst offiziell. Ewig wegschauen kann niemand und bestimmte Instanzen dürfen es nicht; es wäre schlicht eine weitere soziale Bewegung.

    Zb. wird in den ersten Prognosen garantiert nicht mit einbezogen werden, wieviel Gewalt die Polizeikräfte selbst verursachen, was sich auch schwerlich errechnen und prognostizieren lässt - weswegen es weitere Anknüpfungspunkte gibt, die HALTUNG der Polizisten selbst zu problematisieren, ebenso wie die Haltung von Demonstranten. Und absolut helfen wird es dabei, die Demos als Teilnehmer zu filmen, damit ersichtlich bleibt, dass Polizisten Gewalt selbst provozieren oder gleich aktiv umsetzen, man auf Demos also Polizisten nicht aus der Gefahr hinausrechnen kann, sondern gegenteilig mit hinzurechnen muss (das könnte bspw. zu einer Beschränkung der maximalen Anzahl von Polizeikräften auf einer Demo führen und zwar tatsächlich aus Gründen öffentlicher Sicherheit zumindest so lange, bis die Haltung der Polizisten definitiv weniger gefährlich ist, d.h. hier braucht es dann neue Prüfverfahren, siehe Gutachterkommissionen). Man muss nur gescheit mitbasteln...

  • G
    Gitarrero

    ALLES INTERESSANTE KOMMENTARE, ABER FRÜHER STANDEN SOLCH KRITISCHE TÖNE IN DEN TAZ -ARTIKELN SELBST! DESHALB HABE ICH TAZ GELESEN! NACHERZÄHLUNGEN KRIEGE ICH ÜBERALL. SCHADE, TAZ, HAM SE EUCH AUCH DIE HÖRNER ABGESÄGT.

  • CP
    coco price

    Wenn das Gericht nicht nur den rechtsstaatlichen Schein hätte wahren wollen, sondern wirklich die Grundrechte stärken, hätte es klare Kriterien entwickelt, wann und wie gefilmt werden darf und es gäbe auch Richtlinien für Verstöße gegen diese Regeln. So wird die Pozilei aber weiterfilmen wie gehabt. Genau wie bei der Vorratsdatenspeicherung etc pp. So ein Urteil dient nur dazu, das Thema möglichst aus der öfftl. Debatte verschwinden zu lassen.

     

    Butterweiches Wischiwaschiurteil.

  • T
    testobjekt

    Das wurde in Berlin entschieden. Wie wirkt sich das denn auf andere Bundesländer aus? Bleibt da nicht alles beim alten, bis auch mal jemand klagt?

  • H
    Hörger

    Die Polizei ist verkommen zur reinen SA-Schlägertruppe, die uns im Auftrag der Reichen in Schach hält und einschüchtert, provoziert und dann feige verprügelt.

     

    Wie gehabt. Einigkeit und Recht und Freiheit.

     

    Auf schwarz-gelb (und auch auf rot-grün, die ebenfalls schwer neoliberal regiert haben)! Auf ein Deutschland, das allmählich so antisozial wird wie die neoliberalen feuchten Träume USA und China.

  • A
    Andreas

    „Auf Demonstrationen wird der Anblick von Polizisten mit Kameras seltener werden.“ – Bitte was? Im ersten Satz schon so ein Lapsus, naja.

     

    Urteil: Danke!

  • F
    FCSPler

    Interessantes Urteil, für die Praxis völlig unerheblich. Der Polizei werden schon genügend Gründe für Filmgenehmigungen einfallen. Und falls nicht, werden die Gründe dann vorsorglich für die Zukunft geschaffen.

    Und: Wer soll die Polizei denn daran hindern zu filmen? Und wenn ohne Erlaubnis gefilmt wird, was sind dann die Konsequenzen - und für wen? Das höchste der Gefühle wäre dann wohl, dass unerlaubt erstellte Aufnahmen vor Gericht nicht anerkannt werden - wenn überhaupt.

  • T
    Takeshi

    von agtrier:

     

    Umgekehrt gedacht, könnte man auf Demos, bei denen es in der Vergangenheit zu Übergriffen durch Polizeibeamte kam (Stichwort "Freiheit statt Angst") argumentieren, dass die Veranstalter die Polizisten durch Kameras überwachen müssen.

     

    Hm, der Gedanke gefällt mir jetzt :-)

     

     

    Mir auch,

    aber dann gehen die Videos doch auf wundersame Weise verloren.

    Takeshi

  • BL
    Benjamin Laufer

    Begrüßenswertes Urteil. Ich frage mich nur, was daran neu sein und warum die Polizei ihre Praxis deswegen ändern sollte. Denn dass das illegal ist, was die Polizei da ständig anstellt, steht ja sogar eindeutig im Gesetz: §12a VersG. Und vor dem Hintergrund mutet auch die Annahme, die Polizei müsse künftig von Gefahrenprognosen im Vorfeld abhängig machen, ob sie filmt, absurd an. Im Gesetz steht, sie darf nur filmen, "wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen." TATSÄCHLICHE, d.h. konkrete Anhaltspunkte. Da reicht eine Prognose im Vorfeld nicht aus, das muss der Situation entsprechend bewertet werden.

    Ich verweise auf meinen Artikel "Kriminelle Kameras" in dieser Zeitung, in dem es um die Überwachung der Freiheit statt Angst Demo 2008 ging, wo genau so eine Argumentation der Polizei ins Feld geführt wurde: im Vorfeld sei zu Straftaten aufgerufen worden. http://www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/kriminelle-kameras/

  • T
    Takeshi

    Es wird sich nichts ändern. Den Verdacht, das Polizeibeamte in Zivil als Krawallmacher in friedliche Demos eingeschleust wurden, um diese zu kriminalisieren, gibt es schon seit den 70er Jahren. Und für mich ist es mehr als ein Verdacht.

    Darum wird sich auch nach diesem Urteil nichts ändern, denn ein Vorwand ist schnell gefunden. Speziell dann, wenn er selbst initiiert wird.

    Recht hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Auch nicht in unserer hochgelobten "Demokratie".

  • K
    KritikerIn

    Das Urteil des Verwaltungsgerichtes ist absolut wirkungslos solange die Polizei weiterhin alle Demonstrationen als vermeintlich "gefährlich" einstufen und weiterhin abfilmen kann.

     

    Der massive Kameraeinsatz dient schon lange nicht mehr der Verhinderung oder Aufklärung möglicher Straftaten sondern der Einschüchterung, Kriminalisierung und systematischer Überwachung jeglicher sozialer Proteste. Ein Schelm wer da noch an demokratische Grundrechte denkt...

  • T
    Tobias

    Die Polizei schränkt schon längst die Demonstrations- bzw. Versammlungsfreiheit ein, wie es ihr gerade passt. Willkürliche Platzverweise, Kameraüberwachung etc. Das Filmen von Demoteilnehmern ist, wie das Gericht auch bestätigt hat ein Einschüchterungsversuch. Oftmals geht Eskalation auch von Polizeibeamten aus, die willkürlich handeln, Personen einfach so festnehmen oder rempeln.

    Man sollte meines Erachtens die Polizei in Deutschland stärker kontrollieren. Und Ermittlungen gegen die Polizei verlaufen meistens im Sande, da die Polizei ja diese Ermittlungen selber durchführt und sich die Beamten gegenseitig decken.

    Dafür müsste es, wie oftmals schon von verschiedener Seite gefordert, eine unabhängige Kommission geben. Diese hätte den Auftrag, die Polizei zu kontrollieren, Ermittlungen durchzuführen und die Einhaltung von Regelungen durch die Polizei sicherzustellen. Sie bräuchte also auch auf Demos eine Weisungsbefugnis gegenüber der Polizei.

     

    @Jan:

    Ich stimme dir voll und ganz zu.

  • A
    alcibiades

    Ich habe in den letzten Jahren an manchen Demos teilgenommen und mir dabei niemals etwas zuschulden kommen lassen, bin dennoch mit Sicherheit jedesmal auf Film gebannt worden, denn ich kann mich an keine Gelegenheit erinnern, wo nicht irgendein Beamter seine Kamera in meine Richtung gehalten hätte. Auf der "Freiheit statt Angst"-Demo im letzten Jahr hatten die Veranstalter schon wegen des Themas der Demonstration mit der Polizei ausgehandelt, dass nicht gefilmt wird, dies interessierte die Polizei nur bei Demobeginn nicht mehr, auch hier war der übliche Ü-Wagen dabei. Es wird vielleicht höchste Eisenbahn, dass der Polizei verklickert wird, dass Demonstrationen in erster Linie für die Bürger eine legitime Möglichkeit zur Teilhabe am politischen Leben ihres Staates sind, kein Grund sofort jeden unter Generalverdacht zu stellen, der da mitlatscht. In diesem Sinne war das Urteil überfällig, schade dass sowas erst wieder gerichtlich geklärt werden musste. Der Haken ist nur leider: auch nur drei mitlaufende Autonome werden wieder als Vorwand reichen, um dann doch wieder die ganze Demo zu filmen.

  • I
    ich

    Zitat: "Wenigstens ein Gericht erinnert die Deutschen daran, dass in einer Demokratie der Bürger Souverän ist und Polizisten und Politiker nur seine Angestellten sind"

     

    Wenn die einschlägigen Demo-Teilnehmer z.B. als Gast in einem Hotel mit Hotel-Angestellten genau so umgehen wie mit Polizeibeamten, na dann gute Nacht Menschenwürde - willkommen im Kapitalismus Manchesters.

  • J
    jan

    Wenigstens ein Gericht erinnert die Deutschen daran, dass in einer Demokratie der Bürger Souverän ist und Polizisten und Politiker nur seine Angestellten sind.

    Im Alltag ist das schon längst verloren gegangen - trotz Grundgesetz lebt das Volk in einer Geisteshaltung aus kaiserlichen Zeiten und lässt sich scheinbar bis zur bittersten Existenznot plündern und entrechten.

  • L
    Leserin

    In diesem Sinne dürfte es auch absolut nicht in Ordnung gewesen sein, dass die Polizei in Kaiserslautern bei der WM 2006 die Public-Viewing-Plätze gefilmt hat. Ich habe mich immer äußerst unwohl gefühlt, wenn ich an diesem Kastenwagen vorbeilaufen musste, auf dessen Dach Polizisten standen und nicht nur die Public-Viewing-Besucher, sondern auch ebenso harmlose Passanten, die z.B. nur zum Supermarkt am Stiftsplatz mitten in der Stadt wollten, gefilmt haben.

     

    Ich habe es damals schon bezweifelt, dass dieses legitim ist und bin daher froh über dieses Urteil.

     

    Eine Frechheit finde ich das, was die Polizei sich hier herausnimmt. Als ob der Exekutive die Rechtslage nicht bekannt wäre. Und es kann mir im speziellen Kaiserslautrer Fall keiner erzählen, dies hätte mit Einsatzkoordination zu tun, denn es war deutlich zu erkennen, dass die Polizei Personen filmte und ich kann mir dafür nur einen Grund vorstellen: bei eventuellen Raufereien rückblickende Beweise zu erhalten, wer sich strafbar gemacht hat.

  • CR
    Christian Relling

    Ich bin entschieden dafür, die Polizei während Demonstrationen per Kamera zu überwachen um die permanenten, nicht geahndeten Straftaten der Demobegleiter in Grün zu dokumentieren und die entsprechenden Täter in Uniform vor Gericht zu bringen!

  • A
    agtrier

    Umgekehrt gedacht, könnte man auf Demos, bei denen es in der Vergangenheit zu Übergriffen durch Polizeibeamte kam (Stichwort "Freiheit statt Angst") argumentieren, dass die Veranstalter die Polizisten durch Kameras überwachen müssen.

     

    Hm, der Gedanke gefällt mir jetzt :-)