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Filmempfehlungen für BerlinArbeitsethos und Blickschule

Nicolas Cage arbeitet nicht nur für sein Geld, er kann auch über sich selbst lachen. Auch viel Arbeit haben eine Porträtmalerin und ein Klosterzöglin.

Karrieresprünge sind nicht mehr so einfach für Nick Cage in „Massive Talent“ (2022) Foto: Katalin Vermis / Courtesy Lionsgate Publicity

I ch gebe es gerne zu: Der amerikanische Schauspieler Nicolas Cage gehört zu meinen Lieblingen. Und zwar nicht, weil er seit rund 35 Jahren in einer beeindruckenden Reihe von Filmklassikern mitgewirkt hättte, sondern weil er ein arbeitender Schauspieler ist. Nicolas Cage spielt einfach überall mit, auch in dem unsinnigsten Schund. Ich bewundere sein Arbeitsethos.

Und das Wichtigste: Wer Cage engagiert, bekommt was fürs Geld. Immer hängt er sich voll rein, in jeder Performance scheint er um sein Leben zu spielen, auch oder gerade, wenn es nur darum geht, CGI-Dämonen und pestverseuchte Zombie-Mönche nieder zu ringen und dabei das Gesicht in ernste Falten zu legen.

Und er kann auch über sich selbst lachen: In Tom Gormicans „Massive Talent“ verkörpert Nicolas Cage einen Schauspieler namens Nicholas Cage, der schon viel zu viele schlechte Filme gedreht und dabei das unabänderliche Gefühl bekommen hat, mit seiner Karriere ginge es nun zu Ende. Ein letztes peinliches Angebot aber will er noch annehmen: auf der Party des Olivenöl-Magnaten Javi auf Mallorca als Stargast auftreten.

Javi ist natürlich Fan, würde gern selbst einen Film mit Cage drehen – und verwickelt den Star nicht nur in begeisterte Gespräche über dessen extensive Filmographie, sondern auch in eine immer absurder werdende Krimihandlung, in der das organisierte Verbrechen und die Geheimdienste nicht fehlen dürfen. Nicolas Cage muss sich selbst, seine Familie und die Welt retten: sehr vergnüglich, voller Anspielungen, eine tolle Hommage (4. August, 21 Uhr, Freiluftkino Kreuzberg; 9. August, 16.35 Uhr, b-ware! Ladenkino).

tazplan

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Blickwechsel im Porträt

Im Jahr 1770 kommt die Malerin Marianne (Noémie Merlant) auf eine abgelegene Insel vor der bretonischen Küste. Dort soll sie ein Porträt der jungen Héloïse (Adèle Haenel) anfertigen, damit diese standesgemäß an einen ihr fremden Mann in Mailand verheiratet werden kann. Doch Héloïse rebelliert gegen ihre Mutter, sie will nicht heiraten und sich auch nicht malen lassen. Also wird Marianne als Gesellschafterin vorgestellt; das Porträt soll sie ohne Wissen von Héloïse heimlich anfertigen. Die beiden Frauen beobachten sich gegenseitig genau: Die gerade aus einer Klosterschule gekommene Héloïse schaut mit Neugier auf die nahezu emanzipiert wirkende Fremde, die ihrerseits einen beruflich geschulten Blick auf ihr zunächst unwissendes Modell wirft.

Die eindringlichen Blickwechsel generieren schließlich Begehren: Héloïse und Marianne verlieben sich ineinander. Souverän inszeniert Regisseurin Céline Sciamma in „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ eine männerfreie, und, vielleicht noch wichtiger, eine herrschaftsfreie Utopie, als die Mutter für einige Wochen verreist: Es geht um weibliche Selbstbestimmung und eine klassenübergreifende Solidarität, die auch das unfreiwillig schwanger gewordene Dienstmädchen mit einschließt. Mit seinen sorgfältig arrangierten Tableaus, den Bildern aus einem entschleunigten, nahezu zeitlosen Leben wirkt Sciammas vierte Regiearbeit fast kontemplativ – ohne dabei das intensive Begehren und den Schmerz einer zwangsläufig wiederkehrenden Realität zu verleugnen (7. August, 20.45 Uhr, Open Air Kino Mitte).

Europas interessantester Animationsfilmregisseur ist der Ire Tomm Moore, der 2009 als Regisseur mit „Das Geheimnis von Kells“ debütierte, einer mit attraktiver Stilisierung aufwartenden Produktion (2009), in der sich ein zwölfjähriger Klosterzögling von der Aura eines Buches einfangen lässt und mit einer zauberischen Waldfee barbarische Wikinger bekämpfen muss (4.-10. August, 16.30 Uhr, Wolf Kino).

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Lars Penning
Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.
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