Fifa verbietet Trauerflor: Argentinien darf nicht weinen
Argentiniens Regierung wollte bei der 1:2-Niederlage gegen Saudi-Arabien einer verstorbenen Menschenrechtlerin gedenken. Die Fifa untersagte dies.
Nachdem am Sonntag der Tod der argentinischen Menschenrechtsaktivistin Hebe de Bonafini bekannt wurde, hatte die Regierung eine dreitägige Staatstrauer angeordnet. Die Mitgründerin und Präsidentin der Menschenrechtsorganisation Madres de Plaza de Mayo war im Alter von 93 Jahren in einem Krankenhaus in La Plata in der Provinz Buenos Aires gestorben.
Landesweit wurden die Fahnen auf halbmast gesenkt. Argentiniens staatlicher Fernsehsender TV Publica reagierte entsprechend. Beim Eröffnungsspiels der WM zwischen Katar und Ecuador hatte der Staatssender neben seinem Erkennungsemblem am oberen Bildrand eine kleine schwarze Trauerschleife eingeblendet.
Auch am Montag war der Trauerflor bei der Übertragung des Spiels Niederlande – Senegal zu sehen, aber nach 15 Minuten plötzlich verschwunden. Schnell war klar, dass die Fifa interveniert hatte. „Das öffentliche Fernsehen bringt seine Trauer über den Tod von Hebe de Bonafini zum Ausdruck. Aufgrund der Fifa-Bestimmungen darf unser Sender keine Grafiken einfügen, sodass wir die schwarze Schleife während der Spiele als Zeichen der Trauer nicht zeigen können“, erklärte die Kommentatorin des Spiels, Ángela Lerena, während der laufenden Übertragung.
Laut Reglement trete die Fifa die Rechte für die Übertragung ihrer Spiele ab, allerdings ohne grafische Zusätze auf dem Bildschirm. Zudem müssen sich die Sendungen „auf den Fußball konzentrieren“, ohne religiöse oder politische Botschaften, hieß es nach Spielschluss aus dem Sender. Das Trauerflorverbot beschränkt sich damit nicht nur auf die Partien selbst, sondern auf alle von der WM gezeigten Beiträge. So verschwand die Trauerschleife auch, als sich die argentinische Mannschaft am Dienstag vor ihrem Auftaktspiel gegen Saudi-Arabien warmlief und TV Publica live übertrug.
Messi trug neutrale Kapitänsbinde
Wer erwartet hatte, die Mannschaft würde mit einer schwarzen Armbinde auflaufen, wurde enttäuscht. Denn wie die renommierte Onlinezeitung Infobae meldete, hatten Regierungsvertreter Argentiniens Fußballverband AFA eine entsprechende Aufforderung überbracht. Doch der Verband erklärte sich für nicht zuständig. Das müsse die Fifa entscheiden, deren Reglement für Weltmeisterschaften politische Logos bei Spielen verbiete, so der Tenor, und schob die offizielle Anfrage an die Fifa weiter. Was dort damit passierte, ist nicht bekannt.
Das Verhalten der AFA ist nicht verwunderlich, hatte sich der Verband doch auch aus der in Europa heftig geführten Debatte über die Kapitänsbinden komplett herausgehalten.
Die Unterwürfigkeit der AFA gegenüber der Fifa ist bekannt und die wie geschmiert laufende Zusammenarbeit ist schon oft beschrieben worden. Entsprechend war auch Argentiniens Superstar Lionel Messi beim Auftaktspiel mit einer völlig neutralen Binde am Arm aufgelaufen. Noch nicht einmal mit einem von der Fifa vorgegebenen Textaufdruck.
Die Fahnen am Río de la Plata hingen wegen Hebe de Bonafinis Tod zwar auch am Dienstag auf halbmast, aber während des Spiels musste die offizielle Trauer pausieren. Und nach der völlig überraschenden 1:2-Niederlage gegen Saudi-Arabien fiel Argentinien ohnehin in eine Schockstarre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch