Festival in Hannover: Wie der Punk kam und wieder ging

Frage: Geht das überhaupt, Punk sein und in Würde altern? Antwort: Hymne des Abends beim Punk-Revival-Festival ist „Jung kaputt spart Altersheime“.

Punks sitzen auf der Straße, vor sich mehrere Becher für Kleingeld mit den Aufschriften "Essen", "Bier", "Kiffen", "Rente" und "Puff".

Die Punks von damals sind dann doch irgendwann in eine stinkbürgerliche Existenz zurück gekrochen Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Die Frage, „wie der Punk nach Hannover kam“, haben die drei Ex-Punker Klaus Abelmann, Detlef Max und Hollow Skai unlängst in einem üppigen, im Hirnkost-Verlag erschienenen Bildband geklärt. Die Antwort ist irgendwas mit „aus Langeweile“, „zu Fuß“ oder „per Anhalter“.

Aber wo man schon einmal dabei war, sentimental zu werden und in alten Fotos, Fanzines, Plakaten und LPs zu kramen, dachten sich die drei Herren wohl, könnte man doch auch mal klären, wo er denn danach hin ist, dieser Punk, und was von ihm übrig ist.

Also luden sie zu einer Art Veteranentreffen ins Kulturzentrum Pavillon hinterm Hauptbahnhof Hannover. Es sollte ein kleines Festival werden, mit Lesung, Plakatausstellung, zweieinhalb Bands und möglichst vielen Leuten von damals.

Es kamen auch einige, viele im Einheitslook – schwarze Hose plus irgendein Bandshirt – und moserten gleich mal über die Bier- und Eintrittspreise: „38 Euro für Annette und die Milchbubis, geht’s noch?“ –, zahlten dann aber doch oder bearbeiteten jemand mit Zugriff auf die Gästeliste.

Nicht alle haben überlebt

Drinnen schwankte die Stimmung irgendwo zwischen Klassentreffen und Beerdigung. Es gab jedenfalls viel aufgerissene Augen und freudiges Schulterklopfen, Fragen nach diesem oder jener („is’ auch nicht mehr“, sagt einer achselzuckend) und so ein seltsam trotziger Vibe aus „Klar, bin ich alt geworden, aber guck dich mal an“. Ist ja nun auch alles schon mehr als vierzig Jahre her.

Das gehörte zu den bitteren Wahrheiten des Abends: 1. Punk sein und in Würde altern schließen einander logisch aus und 2. es haben halt nicht alle überlebt – stabilen Trinker- und steilen Drogenkarrieren sei Dank.

Die, die überlebt haben, haben immerhin ein paar sehr lustige Geschichten zu erzählen, und das tun sie auch mit Hingabe, feiner Selbstironie und einer schönen Lässigkeit, die sagt: Was soll’s, wir hatten unsere Zeit.

Da geht es zum Beispiel um eine legendäre Destruktivparty, die „Votze Flamenco“ alias Konrad Kittner, Sohn des legendären Kabarettisten und „Salon-Bolschewisten“ Dietrich Kittner, in seinem Elternhaus gefeiert hat, was in einem demolierten Badezimmer, einem zerstörten Gemälde mit dem Titel „Revolution“ und Tiraden des Seniors gegen antiautoritäre Erziehung gemündet sein soll.

Und Annette singt immer noch „ich zünd' mich an“

Punk war in Wirklichkeit ja auch in Hannover eher so ein Mittelschichtsding, wie David Spoo, Sohn des FR-Korrespondenten Eckart Spoo, fein bemerkt. Bei seinen Kondensators saß aber immerhin ein Arbeiterkind am Schlagzeug. Die, die übrig blieben und nun so schön erzählen können, sind allerdings eher die, die dann doch irgendwann in eine stinkbürgerliche Existenz zurückgekrochen sind, wobei erstaunlich viele ihr Auskommen im öffentlichen Dienst und bei Gewerkschaften fanden.

Und zwischendrin singt Annette Benjamin als last woman standing der einst großen Band Hans-A-Plast „Ich zünd’ mich an“, „Für ’ne Frau“ und „Spielfilm“. Mit der elektronischen Begleitung klingt sie ein bisschen sehr nach Neue Deutsche Welle, wird aber trotzdem wohlwollend beklatscht, im Sitzen wohlgemerkt.

Es dauert ein paar Stunden, bis auf der Tanzfläche ein paar Nachgeborene das Hüpfen anfangen, für Pogo reicht es nicht mehr – vielleicht auch aus Rücksicht auf die alten Knochen drumrum. Immerhin spendieren Bärchen und die Milchbubis mit „Jung kaputt spart Altersheime“ die Hymne des Abends. Die Band ist erstaunlicherweise schon seit dem vergangenen Jahr wieder auf Tour, das aktuelle Album trägt den hinreißenden Titel „Endlich komplett betrunken“.

Richtig in Fahrt kommt die Veranstaltung dann mit Der Moderne Man, die fantastisch treibenden Punkrock liefern, egal wie sehr ihr Sänger bremst. Sie erdulden auch den punkigsten Moment des Abends, als Doc Schwanz (auch Crazy Baby Doc), ein massiger Hüne in Lack, Leder und gefährlich hohen Keilabsätzen schwankend die Bühne entert, das nächstbeste Mikrofon kapert, ein bisschen unverständliches Zeug röhrt und – nach einer Umarmung vom eigentlichen Sänger – von zwei Helfern freundlich aber entschlossen abgedrängt wird.

Und dann ist auch schon wieder alles vorbei, um 22.30 Uhr wie der Rezensent der HAZ notiert: „Punk ist nicht tot, Punk geht früh schlafen.“ Und gibt vorher die Pfandgläser ab.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.