Fernsehen und Wahl: Hass und Verachtung
Die TV-gesteuerte Verblödung der Bevölkerung ist von den meisten Parteien gewollt. Darum gehört das Fernsehen nicht in ihr Wahlprogramm.
Schlagen wir an einem beliebigen Tag die Programmseite auf: Im Ersten läuft zur Primetime „Yogeshwar & Schöneberger – die große Ernährungsshow.“ Das rutscht wirklich nur mit reichlich Bier und Chips. Das Zweite zeigt zur selben Zeit eine „deutsche Fernsehkomödie“, ein Oxymoron, hinter dem sich all der Hass und die Verachtung verbergen, die deutsche Fernsehmacher für ihr Publikum aufbringen. In den Dritten laufen Ratgeber, Talkshows, Uschi Glas und „Tatort“-Wiederholungen. Und das ist im Vergleich noch Gold, denn heute ist nicht Samstag.
Das Problem mag apolitisch erscheinen. Doch weit gefehlt, denn Fernsehen beeinflusst. Jeder Deutsche verbringt am Tag ungefähr elfeinhalb Stunden vor dem Fernseher. Geschätzte Dunkelziffer. Gegen das Fernsehen sind Erziehung, Ausbildung und selbst Erlebtes vernachlässigbare Faktoren in der persönlichen und staatsbürgerlichen Entwicklung. Das Fernsehen ist unser Fenster zur Welt. Mit zunehmender Erblindung dieses Fensters erblinden auch die Zuschauer.
Beispiel Italien, das einzige Land der Welt mit einem noch schlechteren Fernsehprogramm als Deutschland. Jahrelang blickte man neid- und sehnsuchtsvoll auf diesen Hort der Kultur, des guten Essens, des schönen Wetters und der freundlichen Menschen.
Doch eines Tages kam ein böser und geiler Zwerg und griff sich die Macht über das Fernsehen. Wer fortan auch nur einen Blick auf diesen Kasperkram warf, erstarrte zur handlungsunfähigen Salzsäule. Die Kultur verschwand oder degenerierte zu einem Retro-Gimmick für Touristen.
Die Mamma schickte die Bambini zu MacCamorra, um sich ungestört der sechs Stunden dauernden sexistischen Kackscheiße „Buona Domenica“ auf Canale 5 zu widmen. Das Wetter war nun von Dauerregen, Erdrutschen und Überschwemmungen geprägt, die Moral vom Geist Berlusconis. Und auch wir sind auf dem besten Weg dahin.
Geboren 1965. Mitglied der „Reformbühne Heim & Welt“ und bei „LSD - Liebe statt Drogen“. Letztes Buch: „Wenn der Kuchen schweigt, sprechen die Krümel“ (Ullstein, 2012). Im März 2014 erscheint „Hipster wirds nicht“ (Berlin Verlag).
Unterdrückende Parasiten
Eigentlich sollte die Zwangsgebühr der GEZ das zugunsten eines öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags verhindern. Stattdessen versorgen zynische Verwaltungsapparate damit sich und ihre Drohnen. Fett schmatzend kleben die Parasiten in ihren Waben der Landesrundfunkanstalten oder am Lerchenberg und unterdrücken jegliche Innovation in Format und Personal.
Nur für die Quote werden jedem Bürger über 200 Euro im Jahr unterschlagen – nicht anders kann man es nennen, wenn eine bezahlte Leistung nicht erbracht wird. Und diese systematische Veruntreuung von Unsummen öffentlicher Gelder soll kein Wahlkampfthema sein?
Allzumal es um weit mehr geht als „nur“ um Betrug. Es geht um das Überleben der Menschheit in Würde. Denn die TV-gesteuerte Verblödung breiter Bevölkerungsschichten spielt eine große Rolle im Kalkül so mancher Partei. Um diese nämlich zu wählen, muss der Bürger nun mal dumm sein. Das Idealbild solcher Parteien ist ein Bürger, der innen weitgehend hohl ist.
Exkommuniziert sie
Anstatt mit freiem Willen, Intelligenz und Bildung sei die Hülle nur gefüllt mit dem Stroh süchtigmachender Getränke, Nahrungsmittel und Trash-Sendungen. Dieses Stroh verleiht dem so entstanden Stimmvieh gerade noch die Statik, um zombiegleich zur Urne zu wanken und dort dafür zu sorgen, dass nichts sich daran ändert. Da liegt es auf der Hand, warum für besagte Parteien das Fernsehen nicht ins Wahlprogramm gehört.
Umso mehr Forderungen blieben da jedoch für andere Parteien: Ein Grundrecht auf Niveau. Die Abschaffung der Fernsehgebühren. Exmatrikulation, Exkommunizierung, Exorzierung von Christine Neubauer und all ihren Klonen in Aussehen, Wort und Geist. Ausmisten und anschließende Sprengung der Sauställe in München und Mainz. Fernsehverbot für alle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen