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Fernsehen und WahlHass und Verachtung

Die TV-gesteuerte Verblödung der Bevölkerung ist von den meisten Parteien gewollt. Darum gehört das Fernsehen nicht in ihr Wahlprogramm.

Fernsehklon: Christine Neubauer in irgendeiner ARD-Serie Bild: dpa

Schlagen wir an einem beliebigen Tag die Programmseite auf: Im Ersten läuft zur Primetime „Yogeshwar & Schöneberger – die große Ernährungsshow.“ Das rutscht wirklich nur mit reichlich Bier und Chips. Das Zweite zeigt zur selben Zeit eine „deutsche Fernsehkomödie“, ein Oxymoron, hinter dem sich all der Hass und die Verachtung verbergen, die deutsche Fernsehmacher für ihr Publikum aufbringen. In den Dritten laufen Ratgeber, Talkshows, Uschi Glas und „Tatort“-Wiederholungen. Und das ist im Vergleich noch Gold, denn heute ist nicht Samstag.

Das Problem mag apolitisch erscheinen. Doch weit gefehlt, denn Fernsehen beeinflusst. Jeder Deutsche verbringt am Tag ungefähr elfeinhalb Stunden vor dem Fernseher. Geschätzte Dunkelziffer. Gegen das Fernsehen sind Erziehung, Ausbildung und selbst Erlebtes vernachlässigbare Faktoren in der persönlichen und staatsbürgerlichen Entwicklung. Das Fernsehen ist unser Fenster zur Welt. Mit zunehmender Erblindung dieses Fensters erblinden auch die Zuschauer.

Beispiel Italien, das einzige Land der Welt mit einem noch schlechteren Fernsehprogramm als Deutschland. Jahrelang blickte man neid- und sehnsuchtsvoll auf diesen Hort der Kultur, des guten Essens, des schönen Wetters und der freundlichen Menschen.

Doch eines Tages kam ein böser und geiler Zwerg und griff sich die Macht über das Fernsehen. Wer fortan auch nur einen Blick auf diesen Kasperkram warf, erstarrte zur handlungsunfähigen Salzsäule. Die Kultur verschwand oder degenerierte zu einem Retro-Gimmick für Touristen.

Die Mamma schickte die Bambini zu MacCamorra, um sich ungestört der sechs Stunden dauernden sexistischen Kackscheiße „Buona Domenica“ auf Canale 5 zu widmen. Das Wetter war nun von Dauerregen, Erdrutschen und Überschwemmungen geprägt, die Moral vom Geist Berlusconis. Und auch wir sind auf dem besten Weg dahin.

Bild: Stefanie Lamm
Uli Hannemann

Geboren 1965. Mitglied der „Reformbühne Heim & Welt“ und bei „LSD - Liebe statt Drogen“. Letztes Buch: „Wenn der Kuchen schweigt, sprechen die Krümel“ (Ullstein, 2012). Im März 2014 erscheint „Hipster wirds nicht“ (Berlin Verlag).

Unterdrückende Parasiten

Eigentlich sollte die Zwangsgebühr der GEZ das zugunsten eines öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags verhindern. Stattdessen versorgen zynische Verwaltungsapparate damit sich und ihre Drohnen. Fett schmatzend kleben die Parasiten in ihren Waben der Landesrundfunkanstalten oder am Lerchenberg und unterdrücken jegliche Innovation in Format und Personal.

Nur für die Quote werden jedem Bürger über 200 Euro im Jahr unterschlagen – nicht anders kann man es nennen, wenn eine bezahlte Leistung nicht erbracht wird. Und diese systematische Veruntreuung von Unsummen öffentlicher Gelder soll kein Wahlkampfthema sein?

Allzumal es um weit mehr geht als „nur“ um Betrug. Es geht um das Überleben der Menschheit in Würde. Denn die TV-gesteuerte Verblödung breiter Bevölkerungsschichten spielt eine große Rolle im Kalkül so mancher Partei. Um diese nämlich zu wählen, muss der Bürger nun mal dumm sein. Das Idealbild solcher Parteien ist ein Bürger, der innen weitgehend hohl ist.

Exkommuniziert sie

Anstatt mit freiem Willen, Intelligenz und Bildung sei die Hülle nur gefüllt mit dem Stroh süchtigmachender Getränke, Nahrungsmittel und Trash-Sendungen. Dieses Stroh verleiht dem so entstanden Stimmvieh gerade noch die Statik, um zombiegleich zur Urne zu wanken und dort dafür zu sorgen, dass nichts sich daran ändert. Da liegt es auf der Hand, warum für besagte Parteien das Fernsehen nicht ins Wahlprogramm gehört.

Umso mehr Forderungen blieben da jedoch für andere Parteien: Ein Grundrecht auf Niveau. Die Abschaffung der Fernsehgebühren. Exmatrikulation, Exkommunizierung, Exorzierung von Christine Neubauer und all ihren Klonen in Aussehen, Wort und Geist. Ausmisten und anschließende Sprengung der Sauställe in München und Mainz. Fernsehverbot für alle.

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28 Kommentare

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  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Ja, im TV läuft viel Mist. Aber es gibt ja auch noch einige gute Sender. Und es gibt ein TV-Programm, aus dem man auswählen kann. Auswahl, ist das entscheidende Kriterium, welches das TV zu einem nützlichen Informationsträger macht.

     

    Fernsehverbot für alle? Das Fernsehen und die anderen Medien haben schon viel Unheil angerichtet. Aber ich fürchte, ohne sie hätten wir nur noch die Religion.

  • Korruption beim rbb?

    ich möchte mich bei Ihnen darüber beschweren, das Privatpersonen. Die nicht in den gewählten öffentlichen Gremien präsent sind, massiv Einfluss auf Programminhalte bei öffentlich rechtlichen Sendern nehmen. Wie machen die das. Es muss sich dabei um Korruption handeln. Kann es sein, das damit sich die Sender, zB. Radio eins teilweise finanzieren, obwohl darüber nichts in den Richtlinien steht. Ich werde mich auch an die betreffenden Gremien wenden und staatsanwaltliche Ermittlungen fordern, schließlich soll der öffentlich rechtliche Rundfunk durch die Gebührenfinanzierung unabhängig von anderen Einflüssen sein. Hier geht es also um Vorteilsnahme und Betrug am Gebührenzahler und Wähler. Oder gibt es dafür eine Rechtsgrundlage?

  • B
    Blechstein

    Wunderschön ihre Formulierung. " fett schmatzend kleben die Parasiten in ihren Waben, den Landesrundfunkanstalten!"

    Zur Sprengung der Sauställe in München und Mainz sage ich dreimal Ja - aber warum vorher ausmisten -um im Bild zu bleiben - wenn die Scheiße fliegt, sollen doch alle etwas davon haben.

  • "Jeder Deutsche verbringt am Tag ungefähr elfeinhalb Stunden vor dem Fernseher."

     

    Ist das wirklich so? Oder ein Schreibfehler?

     

    Wann arbeitet und schläft der Deutsche denn dann noch?

  • H
    Heym

    Wenn gerade nichts Interessantes im Fernsehen läuft,gehe ich auf die Seite der rechtsnationalen JF aus Potsdam, lese dort die Leser*innenbriefe und ergötze mich in einem Gefühlsmix aus Fremdscham, Verachtung und Freude an deren Beiträgen. Neben der üblichen nationalen, antisemitischen und rassistischen Kackscheiße wird sich dort auch ausgiebig über die (WDR Chef Schönenborn) "Demokratieabgabe" ausgelassen.

    Vom Duktus her dort ähnlich voll von Verachtung wie hier der vorliegende Artikel. Während die JF Autoren es ernst meinen, flüchtet sich dieser Artikel in die resignierte plakative Zuspitzung. Kurzum, ich lese diesen Artikel als Wink mit dem Zaunpfahl. Alle, selbst die Dümmsten, wissen es, ändern aber nichts. Kulturkritik.

  • RB
    Ralf Becker

    Genau:

     

    §323 StGB ist irgendwann entfallen. Die Paragraphen in der Umgebung behandeln das Herbeiführen von gemeingefährlichen Überschwemmungen, Explosionen usw.

     

    Hiermit mein Vorschlag für einen neuen §323: Herbeiführen einer gemeingefährlichen Verblödung

     

    Wer durch Einsatz elektronischer Medien eine Verblödung herbeiführt und dadurch in gemeingefährlicher Weise die allgemeine geistige Gesundheit bedroht, wird mit RTL2 nicht unter 10 Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar.

  • G
    gast

    Bahnbashing, ARD- und ZDF-Bashing - alles eine Soße. Was hat das mit kritischem Journalismus zu tun?

     

    Wenn es denn möglich wäre, so sollten ARD/ZDF/Regionalprogramme/arte/3sat/kika.... einfach mal abschalten. Mal sehen, was dann geschieht?

     

    Im übrigen würde ich ja mal fragen wollen, was von der taz übrigbliebe, würde sie mal ernsthaft journalistisch bewertet werden. Ist an manchen Tagen verdammt wenig.

     

    Aber Dauernörgeln ist Zeitgeist und vor den Privaten (und ÖR) verblöden ist ein Grundrecht. Hat eben Folgen, diese Freiheit.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    An Deutschlands Fernsehprogrammen lässt sich einiges aussetzen, aber so schlimm, wie dargestellt, finde ich sie nicht.

    Wer, wie ich, ca. 1 bis 2 Stunden am Tag fernsieht, muss sich die Neubauer nicht antun - es werden Alternativen genug angeboten.

    Außer samstags. Da geht es auch noch ein paar Schubladen unter der Neubauerin.

    Also: Samstags ohne Glotze, dafür mehr Familie.

  • "Jeder Deutsche verbringt am Tag ungefähr elfeinhalb Stunden vor dem Fernseher"

    Bisschen viel, nicht?

  • G
    gunmic

    Hallo Herr Hannemann!

    11 1/2 Stunden täglich ist leider sachlich falsch. Die AGF (Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung) misst im Schnitt 222 Min. täglich (Zuschauer ab 3 Jahre). Das sind rund 3,5 - 4 Stunden, was ja auch nicht grade wenig ist...

    Weitere Infos findet man hier:

    http://www.agf.de/daten/zuschauermarkt/sehdauer/

    Viele Grüße!

  • PH
    Peter Haller

    @POLYMATH

    Is schon irgendwie lustig, wenn so ein (wahrscheinlich) bleichgesichtiger Internet-Nerd, welcher 2 mal pro Monat aus seiner Höhle kriecht, hier über die "Zombie 68-er Generation" herzieht ! Wer isn hier das armseligere A....usw. ?

  • Einer der wenigen Artikel der taz in letzter Zeit, zu dem man bedingungslos JA sagen kann!

    Die erpresste Zwangsgebühr dient scheinbar nur dazu um Jauch, Gottschalk und Co. die Taschen zu füllen - und natürlich den Bossen in den Sendeanstalten.

    Kritische Berichterstattung hat bei den "öffentlich-rechtlichen" kaum noch Platz. Zur Not greift sogar die Politik ein, um ja keine negative Berichterstattung zu zulassen!

    Allerdings sind auch die schreibenden Medien als eher Staatstragend und unkritisch gegenüber der Politik zu sehen. Es ist, wie ein Jakob Augstein es sieht: man will einfach nur Geld verdienen mit Medien! Scheiss auf Inhalte!

  • M
    Micha

    Herr Hannemann, Sie sollten mal nach Australien reisen und sich das hiesige Fernsehprogramm dort anschauen. Sie wuerden Ihre Meinung ueber die Oeffentlichen in Deutschland schnell aendern.

    Ich lebe nun seit circa 1,5 Jahren in DownUnder und muss Ihnen sagen, dass ich die deutschen Sender mittlerweile sehr zu schaetzen weiss.

    Die Rundfunkgebuehren sorgen daheim noch dafuer, dass nicht jeder Sender RTL2 gleicht und man wenigstens noch Nachrichten sehen kann, die einem nicht permanent zu sagen versuchen, was man denn zu denken habe. Kritischen Journalismus gibt es hier ganz einfach nicht und meinungsfreie Nachrichtenmeldungen sucht man ebenfalls vergeblich. Kurz gesagt - hier unten geht es ausschliesslich um Unterhaltung. Selbst das Wort "Infotainment" ist da nicht mehr angemessen, da es die Silben "In" und "fo" enthaelt.

  • D
    D.J.

    @Tastenpunk,

     

    nein, darum geht es nicht - jedenfalls mir und den meisten Real-Existierenden-ÖR-Hassern nicht. Für ein Drittel der Gebühren ließe sich eine anspruchsvolle Grundversorgung installieren. Ohne horrende Kosten von Mustantenstadel, Sonntagabend-Schmonzetten und Boxnächten. Wir brauchen kein ÖR, das die Privaten mit höheren Kosten nachäfft - und das oft schlechter (siehe z.B. Jauchs Quizshow gegen eine Pilawa'sche geistige Ödnis).

  • M
    mike123456

    [8:52:08 AM] michael amthor: mal ein artikel mit hintergrund. und ein aufruf gegen das unmündige abkassieren für sch...!

    aber ähnlich wie es auch beim essenseinkauf ist: der markt produziert, was verlangt wird.

    so lange es den wunsch nach schwachsinn für den geist gibt, wird es produkte dafür geben. so lange es den wunsch nach billig-nahrung gibt, wird es supermarkt-food geben.

    • T
      Thomas
      @mike123456:

      Sie haben den Artikel nicht verstanden. Es geht hier um den im Staatsvertrag festgelegten Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der nicht erfüllt wird, nicht um das werbefinanzierte Privatfernsehen, das damit nichts zu tun hat.

  • M
    Mareike

    Bester Artikel des Jahres!

  • BB
    Bodo Becker

    "Jeder Deutsche verbringt am Tag ungefähr elfeinhalb Stunden vor dem Fernseher." - 11 1/2 Stunden, da bleiben dann noch 6 Stunden für Schlaf, 5 Stunden für Arbeiten und jeweils 30 Minuten für das Pendeln zum Arbeitsplatz und eine halbe Stunde für essen. Dass es so schlimm in Deutschland aussieht, hätte ich nun nicht gedacht.

  • P
    Polymath

    GEZ Zwang für etwas, was zu Zeiten des Internets völlig überflüssig ist. Politikzirkus und GZSZ sind doch eh gleich. Jeder der das trotzdem toll findet soll das auch gucken können, aber warum soll ich bitte dafür zahlen. Ich erwerbe anstelle der Zwangsgebühr Literatur von etwa Adorno oder Hayek, mal auch Kernphysik oder IT-Bücher. Und wenn der Kopf genügend raucht wird eine Runde Battlefield oder Killzone gezockt. Manchmal geht man sogar vor die Tür um Menschen in real zu begegenen. Und wenn man dann TV schaut nur Sport im Pay-TV in der Kneipe. Achja rauchen darf man da zumeist auch nicht, wieder so ein staatlicher Zwang. In Deutschland produziertes Fernsehen ist und bleibt Synonym mit Dummheit. Einzigen Sachen die man noch schauen kann, natürlich im Privaten sind South Park und One Piece ( beide zu libertär und dazu noch animiert, geht also mainstream-mäßig gar nicht). Television ist lange tod und wird nur noch von der Zombie 68-er Generation aufrechterhalten.

  • M
    Murmeltier

    haha spricht micht nicht an , habe seit gut 10 jahren kein tv und besitze nicht einmal einen fernseher , www is wesentlich besser um infos selbstständig zu suchen. brauche weder fernsehen noch radio oder so , lese auch nicht zeitung oder magazine , online ist es besser

  • RB
    Ralf Becker

    Man sollte endlich das Gesetz gegen Volksverhetzung durch eines gegen Volksverblödung ersetzen. Ein Volk, das nicht verblödet ist, kann man sowieso nicht verhetzen.

  • Na dann schaffen wir die gebührenfinanzierten Sender ab. Springer, Burda, Kirch und Co werden sich freuen und die Anhänger italienischer Fernsehverhältnisse auch. Die dann ausschließlich sendenden privaten Boulevardsender werden entgültig dafür sorgen, dass wir politisch überall mindestens bayerische Verhältnisse bekommen. Ich habe selten einen blöderen und inkompetenteren Artikel zu diesem Thema in der taz gelesen.

    • @Tastenpunk:

      nö, darum heisst es ja auch - fernsehverbot fuer alle

  • T
    Thomas

    Bravo! Weiter so! Mehr davon!

  • P
    Peter

    Prinzipiell stimme ich dem Autor zu, nur in zwei Punkten möchte ich etwas korrigieren bzw. ergänzen: Das mieseste Fernsehprogramm der Welt gibt es m.E. in den USA, und neben Frau Neubauer sollte man auch Frau Ferres von den Bildschirmen verdammen.

  • FH
    Florian Hinterhuber

    Wie sich die Zeiten ändern.Ich habe noch in Erinnerung,wie das deutsche TV-Programm als das beste der Welt gelobt wurde,neben dem der britischen BBC,dem es nach dem WK II auch nachempfunden wurde.

    Zur Erklärung:Deutschland war da noch ohne privates Coca-Cola-Fernsehen,was Jüngere sich gar nicht mehr vorstellen können.Diese kommerziellen Schrottprogramme ziehen das Niveau insgesamt runter.

  • P
    Propagandhi

    schöner Artikel! Er konnte mich trotz des heutigen Wahlergebnisses in unserem schönen Bundesland etwas aufheitern.

    • K
      k4dinsky
      @Propagandhi:

      Kopf hoch, das wird schon wieder...irgendwann...