Femizide in Österreich: Männer töten, Männer schweigen
Sechs Femizide gab es innerhalb weniger Tage in Österreich, die Regierung schweigt. Damit erklärt sie männliche Gewalt zur Frauensache.
F ünf Frauen und ein Mädchen, erstickt, erstochen, erschossen. Im Bordell und zu Hause, von einem Fremden, einem Vater, Lebensgefährten. Innerhalb von nur vier Tagen, in einem Umkreis von rund 80 Kilometern in Ostösterreich, auch wenn das Anwenden solcher Maße bei Gewalttaten, die alle Maße sprengen, überflüssig erscheint. Aber weil die Verortung einen Rahmen und der Rahmen Verantwortlichkeiten aufmacht, braucht es sie eben doch.
Etwas weiter südlich etwa, im Nachbarland Italien, protestierten nach dem Femizid an der Studentin Giulia Cecchettin im Dezember Massen, viele Bürgermeister aus der Region kamen zum Trauergottesdienst. In Wien fanden sich am Freitag nur rund 150 Personen für eine Mahnwache zusammen. Im österreichischen Kanzleramt wurden die Morde hingegen totgeschwiegen. Während dort ansonsten jeder Anlass genutzt wird, um bei Pressekonferenzen Handlungsmacht zu demonstrieren, blieben die Pulte am Wochenende leer. Kein potenter Politiker, der erklärte, wieso potente Männer ein Problem sind.
Früher meldeten sich diese in Österreich praktischerweise selbst zu Wort. Rund um den Pop-up-Literaten Jack Unterweger, der auf seinen Lesereisen mutmaßlich elf Prostituierte ermordete, konstruierten die Medien den Mythos des Mordes mit Tiefgrund. Heute steigt das Bewusstsein dafür, dass die Gesellschaft die Gewalttäter serienweise hervorbringt und geschlechtsspezifische Gewalt an Frauen nichts Außergewöhnliches ist. Männer haben in Österreich vergangenes Jahr 26 Femizide verübt, auf die Bevölkerung gerechnet fast doppelt so viele wie in Deutschland.
Rassistische Hetze statt Hilfe
Nur ist die alltägliche, indirekte Gewalt – etwa ökonomische Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern – die diese Gewalttaten mit hervorbringt, kaum einzuspeisen in die tagesaktuelle Berichterstattung. Stattdessen werden Femizide oft als Anlass für rassistische Hetze und Skandalisierung genommen. Die Regierung übt sich dieser Tage weiter in dem, was sie anlässlich der meisten Femizide tut: Sie schweigt.
Als einziges Regierungsmitglied gab Gesundheitsminister Johannes Rauch (Die Grünen) am Tag der fünf Femizide auf X ein Statement ab: „Gewalt an Frauen geht fast immer von Männern aus“, schrieb er dort unter anderem. „Die Gewaltspirale zu durchbrechen ist vor allem Männersache.“
Am Sonntag, einen Tag vor dem nächsten Femizid, meldete sich schließlich auch Familien- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) zu Wort – auf eine Presseanfrage des Boulevardmediums oe24 antwortend. Sie sei zutiefst erschüttert, sagte sie. Aber Österreich verfüge bereits „über ein gut ausgebautes Gewaltschutzsystem“.
Frauenhäuser sind pleite
Geht es nach einem Bericht des österreichischen Rechnungshofes aus dem letzten Jahr und Forderungen von Vertreter:innen der Frauenhäuser, ist das falsch. Letztere kritisierten gerade erst, dass jährlich Hunderte Millionen Euro für Gewaltprävention fehlten.
Dass nicht einmal das extreme Ausmaß der Gewalt an Frauen in den vergangenen Tagen die verantwortliche Ministerin vom Schönreden und den Rest der Regierung vom Schweigen abbringt, zeigt einmal mehr, dass sie den Schutz von Frauen nicht als ihre Verantwortung begreifen.
Es ist dabei wichtig angesichts der jüngsten Morde von „Femiziden“ zu sprechen – einem Begriff der feministischen Theorie, der auf die Dimension staatlichen Versagens bei struktureller Gewalt gegen Frauen hinweist. Sechs Femizide in Österreich innerhalb weniger Tage, der siebte dieses Jahr. Auch wenn das „Männersache“ sein soll, sind es wieder vor allem Frauen, die nun darauf aufmerksam machen, ob auf der Kundgebung, in der Opposition oder vonseiten der Frauenhäuser.
Kanzlermann Karl Nehammer (ÖVP) bleibt seiner Sache indessen treu. Viele Zeichen verlor er in den letzten Tagen an den „Wohlstand“, die „Landesverteidigung“ und „illegale Migration“ – kein einziges an die Femizide.
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