Feminizide in Italien: Keine Delikte aus Leidenschaft

Obwohl sie diverse Anzeigen erstattete, wurde eine Italienerin von ihrem Ehemann umgebracht. Der Staat schritt nicht ein – und muss zahlen.

Szene aus dem Film "Scheidung auf italienisch", in der sich Rosalia (Daniela Rocca) und Ferdinando Cefalù (Marcello Mastroianni) streiten

Ehekrach mit Folgen: in „Scheidung auf italienisch“ von 1961 Foto: imago/United Archives

ROM taz | Marianna Manduca war sich der tödlichen Gefahr bewusst: der tödlichen Gefahr, die ihr zu Hause drohte, in ihren eigenen vier Wänden, von ihrem gewalttätigen Ehemann Saverio Nolfo. Immer wieder sprach sie auf der Wache der Carabinieri vor, in der sizilianischen Kleinstadt Palagonia, und erzählte von den Schlägen, den Drohungen, dem Messer, das ihr Mann ihr gezeigt hatte, begleitet von der Ankündigung, mit dieser Waffe werde er sie töten.

Allein im Zeitraum Juni bis September 2007 hatte sie sieben Anzeigen erstattet – ohne Erfolg. Am 3. Oktober 2007 starb die 32-jährige Mutter dreier kleiner Kinder, getötet mit eben jenem Messer, mit dem ihr Mann sie monatelang bedroht hatte, ohne dass der Staat je eingeschritten wäre.

Jetzt verurteilte deshalb ein Gericht in Messina die italienische Regierung zur Zahlung von 250.000 Euro an die drei Kinder Manducas, mit der Begründung, die Justiz habe auf die Anzeigen der Frau nie reagiert und so „unentschuldbare Nachlässigkeit“ gezeigt.

In den gleichen Tagen, in denen dieser Fall durch die Medien ging, berichteten die Zeitungen von einem weiteren Mord. Ein 19-Jähriger hatte seine im siebten Monat schwangere Freundin erdrosselt und dann eine Affekttat geltend gemacht. Doch die Ermittler fanden heraus, dass er in den Stunden vor der Tat fleißig gegoogelt hatte, mit den Suchbegriffen „Mord mit bloßen Händen“ und „wie lasse ich eine Leiche verschwinden“.

Jeden dritten Tag wird in Italien eine Frau ermordet, in zwei Dritteln der Fälle durch den Partner oder den Ex. Früher wurden diese Verbrechen verniedlicht, als „delitti passionali“ – „Delikte aus Leidenschaft“ –, und noch vor wenigen Jahrzehnten kamen die vor Eifersucht rasenden Täter als „Ehrenmörder“ mit einer Strafe von drei bis sieben Jahren davon; der entsprechende Paragraph wurde erst 1981 gestrichen.

Beziehungstaten sind strafverschärfend

Heute dagegen hat sich in der italienischen Öffentlichkeit der Begriff „Feminizid“ durchgesetzt, heute auch stuft es das Gesetzbuch als strafverschärfend ein, wenn der Mord sich als Beziehungstat herausstellt.

Dennoch berichten die Medien immer wieder von grausamen Morden. Morden wie jenem in Rom, als ein von seiner Freundin verlassener junger Mann nachts auf einer einsamen Straße das Auto seiner Ex rammte, sie dann erwürgte und anschließend ihre Leiche verbrannte. Doch es sind weniger diese Taten, die Italien eine Sonderstellung verschaffen, als die ihnen widerfahrende mediale Aufmerksamkeit.

Die Zeiten, in denen die Täter auf verbreitetes Verständnis ihrer Mitbürger und auch ihrer Richter rechnen konnten, die Zeiten, in denen etwa der Film „Scheidung auf italienisch“ dem Ehrenmord ein augenzwinkerndes Denkmal setzte, sind jedenfalls vorbei.

Dies bildet sich auch in den Statistiken ab. Italien ist für Frauen weit ungefährlicher als Deutschland: Dort fielen im Jahr 2015 mehr als 300 Frauen ihren Partnern oder Ex-Partnern zum Opfer, während sich in Italien in den letzten Jahren die Gesamtzahl weiblicher Mordopfer jeweils zwischen 120 und 130 bewegte.

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