Feministisches Magazin „An.schläge“: „Wir müssen zusammenstehen“
„An.schläge“ feiert seinen 35. Geburtstag. Warum das Magazin Geld braucht und wie es auf den Rechtsruck in Österreich reagiert, erklärt Redakteurin Lea Susemichel.
taz am wochenende: Frau Susemichel, „An.schläge“ – das klingt radikal. Auf wen oder was wollen Sie denn einen Anschlag verüben?
Lea Susemichel: Seit dem 11. September kommt mir der Name manchmal auch schwer über die Lippen. Ursprünglich waren damit die Schreibmaschinenanschläge gemeint. Tatsächlich wurde bei der Gründung des Magazins noch auf Kofferschreibmaschine getippt und auf dem Leuchttisch gesetzt. Als zweites sollte damit auch auf die Anschläge an öffentlichen Orten angespielt werden – also die ersten Medien, die als Aushänge auf dem Marktplatz veröffentlicht wurden. Und zuletzt war damit auch der Anschlag auf das Patriarchat gemeint. Aber immer der gewaltfreie.
Seit 35 Jahren berichtet das Magazin über die Gesellschaft aus feministischer Perspektive. Reden wir noch über dieselben Themen wie damals?
Erschreckenderweise, ja. Es gibt Themen wie das Abtreibungsrecht, Gewalt gegen Frauen oder die Lohnschere – über die reden wir seit Jahrzehnten. Bei diesen großen strukturellen Ungerechtigkeiten tut sich ja nur quälend langsam etwas. Deswegen ist ein Blick in die alten Hefte von An.schläge manchmal etwas gespenstisch. Weil wir die alten Texte mit ein paar Modifikationen auch heute wieder eins zu eins so abdrucken könnten. Doch neben den Konstanten gibt es auch neue Themen.
Welche denn?
Als unsere erste Ausgabe auf dem Markt erschien, gab es „Gender Trouble“ von Judith Butler noch nicht. Seitdem gab es einige Paradigmenwechsel im feministischen Diskurs, der Blick auf sämtliche Themen ist zum Glück viel intersektionaler geworden. Wir versuchen, einen Balanceakt zu schaffen. Wir wollen einerseits diesen inzwischen sehr ausdifferenzierten feministischen Diskurs abbilden und auch befördern. Andererseits wollen wir ein politisches Magazin sein, das für alle lesbar ist. Wir wollen eine feministische Perspektive auf sämtliche Themen bieten, weil das eine Leerstelle ist, die andere Medien offenlassen.
Seit Dezember letzten Jahres gibt es in Österreich eine schwarz-blaue Regierung. Was bedeutet das für den Feminismus in Österreich?
Die neue Regierung wird insgesamt verheerende Auswirkungen haben – und auch frauenpolitisch desaströse. Einen Vorgeschmack gibt das Regierungsprogramm: Da wird der natürliche Unterschied zwischen den Geschlechtern festgeschrieben – es wird betont, dass Mann und Frau gleichwertig, aber nicht gleichartig seien. Ansonsten ist das Kapitel Frauen dort sehr kurz. Gewaltschutz beispielsweise interessiert die Regierung nur, wenn es um Gewalt von Migranten geht. Denen werden „Wertekurse“ verordnet.
Und was bedeutet Schwarz-Blau für die Medienlandschaft?
Wie überall, wo rechte Regierungen an die Macht kommen, gibt es Angriffe auf Medien, es kam bereits zu wüsten Attacken gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Deshalb ist es umso wichtiger, dass es eine linke kritische Medienszene gibt. Und aus meiner Perspektive brauchen wir natürlich auch eine feministische kritische Gegenöffentlichkeit. Zumal rechte Regierungen sich bekanntlich gern darauf verlegen, Frauenrechte anzugreifen und gegen den sogenannten Genderwahnsinn zu polemisieren. Konkret bangen wir gerade um unsere Förderung durch das Frauenministerium.
„An.schläge“ ist ein Magazin aus Österreich, wurde 1983 gegründet und berichtet über das politische, gesellschaftliche und kulturelle Geschehen aus feministischer Perspektive. Derzeit hat es ca. 2.500 AbonnentInnen und erscheint achtmal im Jahr.
Um wie viel Geld geht es da?
25.000 Euro. Jedes Jahr muss diese Förderung neu beantragt werden. In den letzten Jahren haben wir sie bekommen, doch bei der letzten blau-schwarzen Regierung wurde sie bald gestrichen. Deswegen haben wir gerade eine Crowdfundingkampagne gestartet, um den möglichen Ausfall auszugleichen. Dafür brauchen wir 666 Menschen, die ein Abo für unser Magazin abschließen. Wir arbeiten sowieso schon vollkommen prekarisiert. Wir haben nur 1,5 bezahlte Stellen, die wir uns zu viert teilen. Der Rest der Arbeit wird schlecht oder gar nicht bezahlt.
Nun kritisieren Sie und Ihre Kolleginnen im Magazin selbst die prekäre Situation, in der vor allem auch Frauen häufig arbeiten. Ist das nicht ein Widerspruch, wenn man selbst seinen Redakteurinnen kein gutes Gehalt zahlen kann?
Natürlich, das ist ein Widerspruch, den wir auch ständig thematisieren. Wir betreiben ganz häufig selbst die Form von Selbstausbeutung, die wir in anderen Zusammenhängen scharf kritisieren. Doch die Konsequenz wäre, zu sagen, wir stellen das Magazin ein, was wir natürlich nicht wollen. Mit der Abokampagne versuchen wir nun auch, das Magazin auf eine stabile Grundlage zu stellen, damit wir besser bezahlen können. Diesen Kampf um eine solide Finanzierung führen wir schon von Anfang an, und es wird zumindest ein bisschen besser. Wir können mittlerweile die Artikel von Freien bezahlen. Das war vor zehn Jahren noch nicht so.
ist seit 15 Jahren bei dem Magazin und seit 2006 leitende Redakteurin. Sie studierte Philosophie und Gender Studies in Wien und arbeitet als Journalistin, Lehrbeauftragte und Vortragende.
Wie geht es mit dem Magazin weiter, wenn das Geld für das Crowdfunding nicht zusammenkommt?
Dann könnten wir das Magazin nicht mehr in seiner jetzigen Form weiterführen. Wir müssten Ausgaben einstellen und würden dann wohl wieder AbonnentInnen verlieren. Das wäre eine gefährliche Abwärtsspirale.
Rechte machen sich in letzter Zeit vermehrt für vermeintliche Frauenrechte stark. Jedoch nur, um Frauen gegen andere Gruppen auszuspielen. Was kann man tun, um sich von diesem „Feminismus“ abzugrenzen?
Das machen die Rechten sehr oft, dass sie den Feminismus massiv bekämpfen, andererseits aber feministische Forderungen ganz gezielt für ihre eigene Sache instrumentalisieren. Deswegen ist es wichtig, dass Feminismus sich immer ganz deutlich links positioniert. Dass man sich nicht von rechts umarmen lässt und diese Versuche entschieden zurückweist. Es ist wichtig, immer wieder zu betonen, dass das kein Feminismus ist. Man kann nicht behaupten, man gehöre einer Emanzipationsbewegung an, und im gleichen Atemzug „Ausländer raus“ sagen.
Neben einem Rechtsruck in ganz Europa haben wir aber auch große Demonstrationen zum Frauenkampftag in europäischen Großstädten und die #MeToo-Debatte. Wo stehen wir jetzt?
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Diese Gleichzeitigkeit von Weltuntergangsstimmung und feministischem Aufbruch ist so irre. Deshalb braucht es wohl eine Haltung, die der italienische Schriftsteller Antonio Gramsci den Pessimismus des Verstandes und den Optimismus des Willens genannt hat. Die Lage in der ganzen Welt ist dermaßen schlimm, und spätestens seit Trump sind viele in einer Art Schockstarre. Doch gleichzeitig hat im letzten Jahr tatsächlich eine neue feministische Revolution begonnen. Die US-Feministin Gloria Steinem wurde bei den Women’s Marches gefragt, ob sie sich an die 70er Jahre erinnert fühle. Sie erwiderte: Nein – denn das hier ist so viel größer. Diese Größe der Bewegung müssen wir nutzen – diesen Widerstandsgeist, den es tatsächlich gerade gibt. Mit #MeToo haben wir endlich einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass sexualisierte Gewalt und männlicher Machtmissbrauch wirklich ein Problem sind. Ich mache diesen Job jetzt seit 15 Jahren, und ich habe noch nie erlebt, dass Feminismus so populär war.
In Deutschland hört man häufig, Österreich sei uns in Bezug auf den Rechtsruck Jahre voraus. Was können wir von An.schläge diesbezüglich lernen?
Vielleicht können wir wenigstens als abschreckendes Beispiel dienen, damit es in Deutschland nicht so weit kommt. Was den feministischen Widerstand angeht, würde ich sagen: Wehret den Anfängen! Wir müssen in aller Schärfe und Geschlossenheit zurückweisen, was von rechts an Vereinnahmungsversuchen kommt. Als Feministinnen müssen wir zusammenstehen, Allianzen bilden und kollektive Strategien überlegen. Was nicht heißt, dass Differenzen und Kritik unter den Teppich gekehrt werden sollen für die gemeinsame Sache. Wir dürfen unsere Differenzen nicht vergessen und müssen uns gegenseitig kritisieren. Doch ich hoffe, dass es trotz dieser wichtigen Konflikte möglich ist, gemeinsam gegen Sexismus und gegen rechts zu kämpfen.
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