Feministisches Festival: Feminist*innen for Future

Das seit Jahrzehnten größte Treffen von Feminist*innen in Deutschland findet in Essen statt: Rund 1.500 Frauen* treffen sich dort ab Donnerstag.

Eine Frau mit aufwendiger Schminke Schreit Protest Slogans

Der Feminismus ist weltweit auf dem Vormarsch. Hier sehen wir eine Demonstrantin in Chile Foto: ap

Das ehemalige Steinkohlebergwerk Zeche Zollverein ist ein Ort, an dem von 1851 bis 1986 fast ausschließlich Männer gearbeitet haben. Nun soll die Zeche die größte Zusammenkunft linker Frauen* beherbergen, die es in Deutschland seit Jahrzehnten gegeben hat: Vier Tage lang wollen in dem Essener Kulturstandort ab Donnerstag rund 1.500 Feminist*innen und Interessierte zum Feminist Futures Festival zusammenkommen.

Mehr als 100 Veranstaltungen, darunter Workshops, Podiumsdiskussionen, Theater, Kino und Partys, stehen auf dem Programm, bei rund 1.400 TeilnehmerInnen musste aus Platzgründen die Anmeldung geschlossen werden. „Wir haben offenbar einen Nerv getroffen“, sagt Organisatorin Alex Wischnewski.

Der politische Anspruch des Festivals, das die Rosa-Luxemburg-Stiftung, das Netzwerk Care Revolution und das Leipziger Konzeptwerk Neue Ökonomie veranstalten, ist hoch: Es soll ein Beitrag sein, schreiben die Organisator*innen, in Zeiten rechter Bedrohung eine linke, emanzipatorische Kraft zu stärken und autoritären Parteien und Bewegungen etwas entgegenzusetzen.

Dabei liest sich das Programm weniger beschwerlich, als dieser Anspruch es vielleicht zunächst vermuten lassen würde: Neben Panels zu migrantischer Hausarbeit, feministischer Mutterschaft oder einer queeren Zukunftswerkstatt gibt es etwa Poetry Slams, Filme über die militante Frauengruppe Rote Zora oder eine Theateradaption von Liv Strömquists Comic „Der Ursprung der Welt“.

Raum für Austausch

Die Idee zum Festival, sagt Organisatorin Wischnewski, habe sich in den vergangenen Jahren herauskristallisiert: „Es gibt schon sehr lange das Bedürfnis, zwischen verschiedenen Gruppen und Themen Vernetzungen zu schaffen“, sagt sie. „Viele von uns hatten den Eindruck, dass feministische Bewegungen international an Stärke gewinnen und dass auch hierzulande überall neue Initiativen auftauchen. Es gibt aber wenig Raum dafür, dass diese zusammenkommen und sich austauschen.“

Das Festival soll ein Ort sein, an dem sich feministische Akteur*innen offen begegnen können

Eineinhalb Jahre haben Wischnewski, rund zehn weitere Or­ga­nisator*innen und mehrere inhaltlich arbeitende AGs das Festival vorbereitet. Nun kommen Menschen aus 30 verschiedenen Ländern nach Essen, darunter aus Argentinien, der Türkei und den USA. Während des Festivals soll es Flüsterübersetzungen auf Deutsch, Englisch und Spanisch geben. Der Eintritt ist kostenlos, um Spenden nach Selbsteinschätzung wird gebeten.

Ohnehin geben sich die Or­ga­ni­sator*innen alle Mühe, inklusiv aufzutreten und Konfliktpotenzial schon im Vorfeld zu entschärfen. Es gibt einen Zeltplatz sowohl für LSBTIQ* als auch einen Bereich, der offen ist für alle, also auch cis-Männer, von denen immerhin fünf selbst Workshops geben. Zudem sei auf Namensschildchen Platz für das Pronomen gelassen, mit dem eine Person angesprochen werden möchte, heißt es im Programm – genauso aber bitte man, eine „fehlerfreundliche Atmosphäre“ zu schaffen für den Fall, dass manche Teil­neh­mer*innen noch nicht so geübt in geschlechtersensibler Sprache seien.

Klassenpolitischer Feminismus

„Wir hoffen, dass wir es schaffen, über Unterschiede im Feminismus zu sprechen und gleichzeitig Allianzen zu bilden“, sagt Wischnewski. In den vergangenen Jahrzehnten sei innerhalb der Bewegung auch ein gewisses Misstrauen untereinander entstanden. „Arbeiter*innen denken vielleicht, dass Feminismus sich nur mit Quoten in Aufsichtsräten beschäftigt, was überhaupt nicht ihr Thema ist“, sagt sie, „und Erfahrungen, die Mi­grant*innen mit dem deutschen Feminismus gemacht haben, sind oft nicht die solidarischsten“. Genau deshalb aber solle das Festival ein Ort sein, an dem sich Akteur*innen, die letztlich ähnliche Ziele verfolgten, offen begegnen könnten.

Viele Aktivist*innen, die Work­shops geben, sind zumindest in feministischen Kreisen bekannt. Doch die ganz großen Namen fehlen – absichtlich, sagt Wischnewski. „Das Festival soll eine Plattform sein. Wir wollten nicht, dass die vielen tollen Frauen*, die eingeladen sind, von vornherein in den Schatten anderer gestellt werden.“

Das Feminist Futures Festival wird vorerst einmalig sein, aber verschiedene Follow-ups soll es geben. Im besten Fall, sagt Wischnewski, entstünden in Essen Verbindungen zwischen Menschen und Gruppen, „die künftig gemeinsame kulturelle Arbeit und politische Bündnisse für einen klassenpolitischen Feminismus“ möglich machten.

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