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Feierfreude bei Boris JohnsonBritische Party mit Käse und Wein

Arbeitsessen oder Weihnachtsfeier? In Zeiten von Lockdowns kommt es auf die Wahl der Speisen und Getränke an.

Die Gartenparty mit Johnson im Mai 2020 soll gegen die Corona-Auflagen verstoßen haben Foto: Kirsty O'Connor/dpa

D ie Engländer sind ein feierfreudiges Völkchen. Ob EM-Finale in Wembley, Magaluf auf Mallorca oder Queen-Geburtstag im Peppa-Wutz-Park – es geht schnell hoch her, wenn Briten in Gruppen von mehr als zwei zusammenkommen. Aber derzeit ist die Stimmung etwas gereizt. Bei einer Gartenparty in der Downing Street No. 10 mit Boris Johnson während des strikten Lockdowns im Mai 2020 soll gegen die eigenen Corona-Auflagen verstoßen worden sein.

Derselbe Vorwurf traf eine Weihnachtsfeier im Dezember 2020. Es sei möglicherweise unangemessen, nörgeln britische Medien plötzlich wie humorlose Krauts, mit Partyhütchen auf dem Kopf und Girlanden trotz Kontaktverboten zu feiern, während gleichzeitig Landsleute ihre Angehörigen nicht mal zum Sterben im Krankenhaus besuchen durften.

Boris Johnson verteidigt sich damit, dass sehr wohl alle Regeln eingehalten worden seien. Die Gartenparty sei in Wirklichkeit ein unabdingbares Arbeitstreffen und als solches vollkommen legal gewesen. Fotos, die zeigen, wie Johnsons Gäste bei Wein und Käse entspannt zusammensitzen, unterstreichen diese Deutung. Mal ehrlich: Welcher Engländer würde nur zum Vergnügen Wein und Käse nehmen? Nirgends Fish & Chips, nicht mal Essig.

Die gemeinsame Wein-und-Käse-Verkostung diente nur dazu, die Funktionalität der Lieferketten über den Kanal zu demonstrieren und somit die Bevölkerung zu beruhigen. Dafür opfern Johnson und seine Leute sich gern auf. Bei der angeblichen Weihnachtsfeier von Johnsons engsten Mit­ar­bei­te­r*in­nen war der Chef selbst gar nicht anwesend. Das kann also keine Party gewesen sein, ohne seine Ansprachen kommt doch keine Stimmung auf.

Ist Wein und Käse ok?

Für Johnson spricht auch ein Video, das ein Pressekonferenz-Training ebenjener Mit­ar­bei­te­r*in­nen mit Fragen zur Party zeigt. „Was soll ich sagen?“, fragte Johnsons Sprecherin Allegra Stratton, „ist Wein und Käse okay?“ Dann lachen alle. Weil es eben lächerlich ist, eine Feier mit Wein und Käse zu bestreiten.

Um zu beweisen, dass er nichts zu verbergen hat, beauftragte Johnson den Spitzenbeamten Simon Case, der die Vorfälle untersuchen sollte. Eine gute Wahl, der Mann ist kompetent: In seiner eigenen Abteilung hatte es, wie sich nun herausstellte, ebenfalls im Lockdown Weihnachtsfeiern gegeben. Dass er deswegen von seinem Untersuchungsauftrag zurückgetreten ist, verwundert. Möglicherweise weil es keinen Wein und Käse gab, sondern nur „Drinks und Weihnachtsdekoration“, wie der Guardian berichtet?

Da fehlte es dann doch wohl etwas an der gebotenen Ernsthaftigkeit.

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Heiko Werning
Autor
Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).
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1 Kommentar

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  • 0G
    06792 (Profil gelöscht)

    Es gibt einen Peppa-Wutz-Park? Der knallharte Journalismus bei der Taz deckt alles auf. Danke dafür!