Fazit des UN-Meeresgipfels: Beinahe Schutz für internationale Gewässer
Fünf Tage lang wurde bei der UN-Ozeankonferenz in Nizza über Meeresschutz beraten. Was beschlossen wurde – und was nicht.

Noch nie war die Aufmerksamkeit für den Zustand der Meere so groß wie beim UN-Ozeangipfel im südfranzösischen Nizza. Klimawandel, Versauerung, Plastikmüll, Überfischung: Die Weltmeere stehen unter massivem Druck. Am Freitag riefen die Teilnehmenden der einwöchigen Konferenz zu „dringenden Maßnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Meere“ auf. Sie verabschiedeten einen Aktionsplan mit freiwilligen Vorhaben – von Bemühungen um mehr Schutzgebiete bis zur Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs. Doch zentrale Fragen blieben offen, verbindliche finanzielle Zusagen selten.
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) sprach von einem Fortschritt: „Diese Konferenz hat den Meeresschutz deutlich vorangebracht – trotz geopolitisch schwieriger Lage.“ Ein Überblick über strittige Themen der Tagung:
Hochseeabkommen kurz vor Inkrafttreten
Ein großer Schritt wurde in Richtung Gültigkeit des UN-Hochseeabkommens getan, das internationale Gewässer unter Schutz stellen soll. Die Hochsee macht rund zwei Drittel der Ozeane aus, ist aber bisher nicht reguliert. Mit dem Abkommen soll das Ziel der Vereinten Nationen maßgeblich erfüllt werden, bis 2030 rund 30 Prozent der Meeresflächen zu schützen.
Es wurde bereits 2022 beschlossen, tritt jedoch erst in Kraft, wenn es 60 Staaten ratifizieren. Anders als Umweltverbände befürchtet hatten, kamen in Nizza mehr als ein Dutzend Länder hinzu, darunter auch die EU. Damit fehlen nur noch zehn Staaten, um künftig mehr Schutzgebiete auf hoher See ausweisen zu können.
Gastgeber Frankreich rechnet mit einem Inkrafttreten bis September. Deutschland muss für die Ratifizierung noch zwei Gesetze verabschieden. Greenpeace-Meeresbiologin Franziska Saalmann mahnte: „Minister Schneider hat viel versprochen. Nun kann er zeigen, wie ernst es ihm mit dem Meeresschutz ist.“
Tiefseebergbau: Der Widerstand wächst
Kontrovers diskutiert wurde der Tiefseebergbau, der bislang nicht gesetzlich geregelt ist. Studien warnen vor irreparablen Schäden der Ökosysteme. In Nizza erklärten sich 4 weitere Länder für ein Moratorium bereit, insgesamt sprechen sich nun 37 Staaten für eine vorsorgliche Pause des Tiefseebergbaus aus. Deutschland gehört dazu.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nannte ein Moratorium eine internationale Notwendigkeit. UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einem „Wilden Westen“ in der Tiefsee.
Sorgen bereiten die USA, die erstmals nicht an der Konferenz teilnahmen. Präsident Trump hat im April ein Dekret unterzeichnet, das den Abbau von Mineralien erstmals im Alleingang ermöglicht. 24 Staaten, darunter Deutschland, lehnen das ab. Sie fordern, dass die Ressourcen des Tiefseebodens nur gemeinschaftlich über die Internationale Meeresbodenbehörde verwaltet werden. Im Juli wird dort über ein globales Regelwerk verhandelt.
Plastikabkommen: Breite Unterstützung, wenig Konkretes
Gespräche gab es auch über die anhaltende Plastikflut im Meer. In Nizza sprachen sich 95 Staaten für eine Begrenzung der Primärkunststoffproduktion und neue Berichtspflichten aus. Ziel ist ein verbindliches Abkommen gegen Meeresvermüllung. Die Verhandlungen darüber sollen im August in Genf weitergehen.
Fischerei und Ernährung: Sorgen ohne Lösungen
Die Konferenz griff auch die Bedeutung der Meere für die Ernährungssicherung und die Küstenfischerei auf. Doch konkrete Pläne gegen illegale Fischerei oder zur Unterstützung von Küstengemeinden fehlen weitgehend im Abschlusstext.
Immerhin hat die Europäische Kommission im Rahmen ihres Ozeanpakts Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro angekündigt, um den Schutz der Meere, die Wissenschaft und die nachhaltige Fischerei zu unterstützen.
Weitere Initiativen: Kartierung, Lärmschutz, Artenschutz
Neben den großen Themen wurden kleinere Vorhaben angekündigt. Deutschland und Frankreich wollen Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee erfassen. Eine Staatengruppe plant Maßnahmen gegen Unterwasserlärm. Die UNESCO will die Meeresbildung stärken.
Die Deutsche Stiftung Meeresschutz begrüßt ein neues globales Bündnis zum Schutz von Haien und Rochen – Schlüsselarten für stabile Ökosysteme. Gleichzeitig kritisiert sie Frankreichs Ankündigung, die Grundschleppnetzfischerei in ausgewählten Schutzgebieten zu beenden: „Das ist Symbolpolitik. In diesen Zonen wird ohnehin nicht gefischt.“
BUND, Greenpeace, Misereor und andere lobten die breite Beteiligung und Dialogbereitschaft des Gipfels. Entscheidend sei jedoch die Umsetzung.
Nicolas Entrup von der Meeresschutzorganisation OceanCare kritisierte, dass zentrale Herausforderungen ausgeklammert blieben: „Die Weltgemeinschaft ist weit entfernt von ihren Zielen. Die Beendigung der Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen unter Wasser wurde nicht einmal angesprochen.“ Umweltverbände hatten vorab ein Verbot neuer fossiler Projekte im Meer gefordert.
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