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Farbenforscher über SitzbezügeAls säße man auf Würmern

Das Design der Sitzbezüge in Bussen und Bahnen ist ein eigenes Universum mit vielen Blautönen. Der Farbexperte Axel Venn erklärt, was besser werden muss.

Das sei zu grobschlächtig, sagt der Farbexperte zu den Sitzbezügen in dem Bus aus Wolfsburg Foto: WVG
Interview von Jonas Mayer

taz am wochenende: Herr Venn, angenommen, ein Verkehrsunternehmen will seine U-Bahn-Sitze neu beziehen und bittet Sie um eine Farbberatung. Was sagen Sie?

Axel Venn: Wir Menschen mögen die Farben am liebsten, die wir selbst tragen. Also die verschiedenen Töne unserer Haut, von Haaren, Lippen und Augen – die sehen wir von unserer Geburt an, und die Zuneigung dazu werden wir nicht mehr los. Das sind warme, weiche Töne von Creme über Beige bis zum erdigen Umbra. Was gibt es Schöneres als ein sanftes Erröten? Auch Hausfassaden haben oft diese Farben.

Aber wenn man Menschen nach ihrer Lieblingsfarbe fragt …

… sagen 35 bis 40 Prozent: Blau. Das soll dann aber nie kühl sein, sondern beispielsweise Himmelblau. Nun verordnet Blau zwar Orientierung, Logik und Vernunft, jedoch kaum freundliche Zuwendung. Wir möchten auch nichts Blaues essen. Grün ist besser, das ist die Farbe der Pflanzenwelt.

Die meisten Sitze im öffentlichen Verkehr sind hierzulande blau – die der Deutschen Bahn nämlich.

Schwierig. Es zeigt: Das sind keine Kümmerer, sondern unachtsame Transporteure. Sie denken zu wenig darüber nach, ihren Kunden die Bahnfahrt zu einem Kurzurlaub zu machen. Die Grundphilosophie sollte sein, dass der Mensch im Mittelpunkt der Gestaltung steht und nicht nur Technik und Funktionalität. Gestaltung sollte Empathie ausdrücken. Die Kunden sollten sich gut aufgehoben fühlen und gar nicht aussteigen wollen.

Im Interview: Axel Venn

ist Farbenforscher, emeritierter Professor für Farbgestaltung an der HAWK Hildesheim und Ehrenvorsitzender des Deutschen Farbenzentrums. Er hat für uns die Muster von elf Verkehrsunternehmen bewertet.

Worauf sollte man bei der Musterung der Sitzbezüge achten?

Es sollte möglichst unauffällig sein, so wie ein Faux-Uni: ein Muster, das so kleinteilig ist, dass es auf den ersten Blick einfarbig wirkt. Das ergibt eine sehr natürliche Optik, so wie ein Wald- oder Gartenboden. Ein solches Muster bekämpft uns nicht, sondern es lädt ein. Und verbirgt außerdem Schmutz.

In den neunziger Jahren wurden Muster mit Absicht unübersichtlich gestaltet, damit man Schmierereien mit Markern nicht so sieht.

Die Frage ist eher: Wie verhindere ich, dass etwas angegriffen wird? Wenn die Botschaft von Farben und Muster angenehm ist, dann passiert das seltener. Was schon kaputt aussieht, das achtet man nicht. Dass die Form der Funktion folgen soll, ist zwar gut. Aber wenn die Gestaltung eines Sitzes vom Sitzen abhält, dann erfüllt es die Funktion auch nicht.

Welche Rolle spielen hier Kontraste?

Ein guter Kontrast ist wie die Beziehung von Mann und Frau. Etwas Härteres passt gut mit etwas Weichem und Sanftem zusammen. Ein Grau mit einem gedeckten Orangebraun. Oder ein Grün mit der Komplementärfarbe, also einem gedämpften Rosarot. Generell sind Komplementärfarben, also die Farben, die sich im Farbkreis gegenüberliegen, gut. Sie sind sich zwar nicht ganz einig, aber trotzdem Komplizen, die zusammen eine Geschichte erzählen wollen.

taz am wochenende

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Also immer schön mit Kontrasten arbeiten?

Zu stark dürfen sie wiederum auch nicht sein. Der stärkste ist der von Schwarz und Weiß. Sich in Räumen aus diesen Farben aufzuhalten, ist schrecklich. Und alles, was im Farbkreis nebeneinandersteht, ist langweilig. Rot und Orange zum Beispiel. Das Ziel muss sein, anzuregen, aber nicht aufzuregen.

Womit wir bei der Harmonie wären.

Harmonie herzustellen, ist kompliziert. Sie besitzt eine Sprache, die auf Verständigung zwischen Produkt und Nutzer aus ist. Etwas ist dann harmonisch oder schön, wenn ein Kollektiv das so sieht. Für ältere Menschen ist Harmonie wichtiger als für junge. Die wollen sich nicht mehr aufregen, sondern besänftigt werden. Ich glaube, Gestalter und Entscheider denken zu wenig darüber nach, ob ihr Werk auch gemocht wird. Doch dann wird es auch geschont.

Welche Bedeutung hat dafür das Material eines Sitzbezugs?

Auf den älteren Sitzen in der Berliner U-Bahn sitzt man wie auf Wachstuch. Das eignet sich förmlich dazu, daran herum zu schneiden. Besser ist ein kräftiger Veloursstoff mit angerauter oder weicher Oberfläche. Der bringt ein natürliches Gefühl auf der Haut und darauf gibt man besser acht. Wir tragen schließlich auch Stoffe am eigenen Körper.

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5 Kommentare

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  • Wenn ich mit der UBahn fahre wird dies ja kein Kurzurlaub, nur weil die Polster andere Farben haben.

  • "Ein guter Kontrast ist wie die Beziehung von Mann und Frau. Etwas Härteres passt gut mit etwas Weichem und Sanftem zusammen."

     

    Ahahahaa- selten so gelacht.

     

    Abgesehen davon: Die Scheußlichkeit der Sitzbezüge erschafft(speziell beispielsweise in Berliner Ubahnen) ein ganz spezielles Flair, das ich als leidenschaftliche ÖPVN-Nutzerin nicht missen möchte.

  • Der Artikel befremdet mich auf so vielen Ebenen.

  • Gruselige Farbkombinationen, die da vorgeschlagen werden... für mich geht rot z.B. gar nicht, finde ich überhaupt nicht einladend und kontrastreich muss eine Sitzgelegenheit auch nicht sein. Vor allem, wenn man auf die leeren Sitze schaut und einfach nur abschalten/ausruhen möchte.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    "Ein guter Kontrast ist wie die Beziehung von Mann und Frau. Etwas Härteres passt gut mit etwas Weichem und Sanftem zusammen."

     

    Das klingt aber doch arg nach Geschlechterklischees.

    Und die Kommentarsektion ist noch leer!?