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Farbattacken auf LAP-Coffee-LädenGünstiger Kaffee bis zum Anschlag

Kommentar von

Leo Lührs

In Berlin verüben Unbekannte Farbattacken auf LAP-Coffee-Läden. Das hilft nicht, wenn wir Gentrifizierung und Ungleichheit nicht von Grund auf angehen.

So funktioniert LAP-Coffee: Günstiger Kaffee, blaue Pappbecher und keine Sitzplätze Foto: Britta Pedersen/dpa

A uf Berliner Filialen der LAP-Coffee-Kette gab es jüngst Farbattacken. Über die Plattform Indymedia bekannte sich die dazu die Kampagne „LAPCoffeeScheiße“. In ihrem offenen Brief zeigt sich aber, dass es der Kampagne nicht wirklich darum geht, grundsätzlich etwas gegen Gentrifizierung und Vermögensungleichheit zu tun – und auch nicht darum, zu verstehen, warum bezahlbarer Kaffee genau das ist, was wir wollen.

Neue LAP-Stores öffnen derzeit überall, die Marke breitet sich bundesweit aus. Alleine in Berlin gibt es 13 Standorte. Das Konzept ist simpel: Der Kaffee wird relativ günstig verkauft, auf sehr wenig Raum und alles ist to go. Sitzplätze gibt es nicht. In das Berliner Start-up haben große Venture-Capital-Fonds aus den USA investiert, die auf schnell skalierbare Konsummarken setzen.

Dem Gründer Ralph Hage werfen die Farb­beu­tel­wer­fe­r:in­nen vor, er habe in seiner „bisherigen Karriere [bei Red Bull und Delivery Hero] viel Geld verdient“ und treibe nun mit seinem neuen Unternehmen die Mieten höher und damit Gentrifizierung voran. Sie fordern, Hage müsse 80 Prozent seines Vermögens für den Aufbau von Mitbestimmungsstrukturen in Betrieben spenden. Filialen sollten nur nach einer Befragung und mit Zustimmung von An­woh­ne­r:in­nen weitergeführt werden.

Kein DeepDive in Kapitalismuskritik

Die B. Z. meint: „Hinter diesen lächerlichen Vorwürfen steckt die vollkommen verblödete marxistische Ideologie, die jeden Unternehmer zum Ausbeuter erklärt.“ Schön wär’s. Tatsächlich steckt hinter der Analyse mitnichten ein DeepDive in Kapitalismuskritik. Dabei wäre das angebracht: in Bezug auf den Mietmarkt, auf die Arbeitsbedingungen und, nun ja, eben auch den Preis für Kaffee. Und darauf, wer ihn sich überhaupt noch leisten kann. Denn LAP Coffee ist nur ein Symptom eines Systems der Gewinnmaximierung, Ausbeutung, In­ves­to­r:in­nen­be­frie­di­gung – genau wie die unzähligen profitgetriebenen, lohn- und kostenminimierten Gastrounternehmen der Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit.

Was nutzt also eine Befragung der Anwohner:innen, wenn die sich im Zweifel einfach über bezahlbaren Kaffee freuen? Inflation wird gern als eine organisch wachsende Notwendigkeit dargestellt. Aber vor allem in kultur- und communitystiftenden Cafés und Bars wurden die Preise in den vergangenen Jahren stark erhöht, unabhängig von nachvollziehbaren Liefer- und Rohstoffpreisen. LAP Coffee trifft, ob man will oder nicht, den Nerv derjenigen, die sich die Teilhabe am geselligen Leben immer weniger leisten können. Ist das also wirklich nur seelenlose Fast-Drink-Verdrängung?

Be­trei­be­r:in­nen von Nachbarschaftscafés ist mit Farbattacken auf ein einzelnes Unternehmen nicht geholfen, die Angst vor Verdrängung durch Kampfpreise, hohe Mieten und sinkende Nachfrage bleibt. Solange Sinn und Zweck von LAP Coffee die Profitmaximierung bleibt, ändert kein Vorschlag der Kampagne wirklich was. Auch die Umverteilung des Vermögens der CEOs nicht. Um die Investoren zu befriedigen, müsste das Geld einfach an anderer Stelle wieder erwirtschaftet werden – im Zweifel, wie so oft, über Lohnsenkungen. Und auch die Forderung nach Mitbestimmung der Belegschaft ist in Wahrheit nur das traurige Einverständnis, dass ansonsten alles so bleiben darf, wie es ist. Die Belegschaft soll sich dann nur etwas wehren dürfen.

Die mediale Aufmerksamkeit, die Farbattacken und offener Brief bekommen, kann auch anders genutzt werden. Statt uns auf einzelne Unternehmen zu fokussieren, sollten wir kapitalistisches Wirtschaften und die daraus resultierende Ungleichheit genauer unter die Lupe nehmen. Und wer weiß: vielleicht gibt es dann eines Tages bezahlbaren Kaffee und faire Löhne für alle.

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