Fan-Kultur zu Lady Diana: Und weil sie nicht gestorben ist …
Vor zwanzig Jahren kam Lady Diana ums Leben. Ein Roman fantasiert nun eine Welt, in der es den tödlichen Unfall von Paris nie gegeben hat.
Ein Jahr vor ihrem 40. Geburtstag waren die Narbenbehandlungen nicht mehr die einzigen Injektionen, die sie bei Dr. Imber erhielt. Alle drei Monate kamen Botox-Touch-Ups dazu, um die Haut weich zu halten. Doch es war Diana extrem wichtig, dass man ihre kosmetischen Eingriffe nicht sah – das unterschied sie von den mumienhaft und ausdruckslos wirkenden Frauen in ihrer Upper-East- Side-Nachbarschaft.“
Moment, Moment mal, I’ll beg your pardon: Diana? DIE Diana? 40 Jahre alt? Upper East Side? Botox-Touch-Ups?!
Nein. Natürlich nicht. Wie und in welchem Alter Lady Diana Spencer starb, ist hinreichend bekannt, auch, dass ihr Todestag sich am Donnerstag zum 20. Mal jährt. Denn wie bei anderen jung verstorbenen Persönlichkeiten des öffentlichen Interesses ist der Kult um sie reziprok zum Lauf der Zeit gestiegen – um dann, nach einer Weile, vor allem den Zeitzeugen im kollektiven Gedächtnis zu bleiben. Und dem Rest der Welt nur noch zu solchen Jubiläumsanlässen wie diesem aus allen Rohren präsentiert zu werden.
Was mit Dianas Familie, ihren Freund*innen, der Presse, dem Königreich, der Welt passiert wäre, wenn die Paparazzimeute damals nicht Wind von ihrem späten Dinner in Paris bekommen und wenn Dianas und Dodis Auto den Tunnel nicht mit überhöhter Geschwindigkeit befahren hätte, ist Spekulation – und als solche interessant.
„Imagining Diana“
In ihrem Fan-Fiction-Roman „Imagining Diana“ beschäftigt sich die US-amerikanische Women’s Week- und Vanity Fair-Autorin Diane Clehane mit einer alternativen Zukunft und beschreibt ein Paralleluniversum, in dem Lady Di den Unfall mit schweren Gesichtsverletzungen überlebt hat, Liebhaber Dodi jedoch ums Leben kam.
Clehane, die 1998 bereits ein Buch über Lady Dianas „Style Secrets“ geschrieben hat, orientiert sich dabei am klassischen Groschenroman mit seiner erwartbaren Dramaturgie aus Tragik und Wiederauferstehung, aber auch mit einer klaren Zuteilung von Gut und Böse: Nach einer schweren Zeit im Krankenhaus und mit dem Schreck über das „neue Gesicht“ rappelt sich die tapfere Prinzessin wieder auf. Sie verlobt sich mit dem reichen Geschäftsmann und Philanthropen Teddy Forstmann, fühlt sich „hübsch und fit in ihrem Diane von Fürstenberg-Wrap Dress und ihren Manolo Slingbacks“, tut weiterhin Gutes, versöhnt sich nach und nach mit Charles und der königlichen Familie, pflegt ein entspanntes Verhältnis zu William und Harry (kein Wort von Partys in Nazi-Outfits) und lässt sich von Freundin Hillary Clinton bezüglich ihrer Memoiren-Attitüde beraten.
Der (spoilerfreie, weil in Teilen bereits bekannte) letzte Teil des Romans spielt bei und nach der Hochzeit von William und Kate, die Diana für ihren modernen Umgang – Stichwort „branding“ statt „manipulating“ – mit der Presse bewundert. Kurz vor dem Ende „schlüpft Diana in eine weiße Oversized-Tunika“ und schlendert über den malerischen Strand. Und weil sie nicht gestorben ist, lebt sie noch heute.
Ein Traum jeden Barbara-Cartland-Fans
Dass man nicht schlecht über Tote reden soll, hat Clehane in ihrer ulkigen Spinnerei aus echten Personen (wie Diana oder auch der tatsächlich existierende Park-Avenue-Schönheitschirurg Imber, der sich bestimmt über die Werbung freut) und ausgedachten Figuren auf alle Fälle berücksichtigt: Ihre Diana ist der Traum eines jeden Barbara-Cartland-Fans. Und einer jeden Schwiegermutter – bis auf die echte natürlich. Doch lange hält sich Clehane in ihrem vor Kitsch triefenden, mit übergriffigen Hypothesen gefüllten Traumbild nicht mit Schwierigkeiten auf: Zwar lässt auch Dianas und Teddys Sexleben nach ein paar Jahren zu wünschen übrig – „wie lange hatten sie keinen Sex mehr? Zwei Monate? Drei?“, und die durch den Unfall und die Medien traumatisierte Diana braucht ein wenig Zeit, um wieder Fotos von sich in der Öffentlichkeit zu akzeptieren. Aber sie betreibt glücklicherweise vorausschauend Pilates. Und außerdem: „life happens while you’re busy making other plans“, um Dianas Landsmann John Lennon zu zitieren.
Interessanter und auch absurder ist jedoch die Annahme, das öffentliche Interesse an Diana hätte im Falle ihres Überlebens kaum nachgelassen. Clehane ignoriert bewusst die digitale Veränderung der Welt, die Globalisierung und die Zunahme von Informationen und Tempo – hätte die Lady heute wirklich noch eine Schnitte gegen all die anderen wichtigen oder pseudowichtigen Personen und Ereignisse, und würden tatsächlich noch so viele Menschen Anteil an ihrem Leben nehmen wollen? Dianas Hochzeit mit Charles im Jahr 1981 verfolgten weltweit 750 Millionen Menschen – bei einem schlechter ausgebauten Rundfunknetz als heute. Die „Traumquoten“ bei Kate und Williams „Traumhochzeit“ vor sechs Jahren beliefen sich dagegen auf zwischen 120 und 170 Millionen Zuschauer*innen vor den weltweiten Glotzen, die meisten von ihnen aus einer Generation stammend, für die ferne, fantastische Adelsgeschichten sowie das Fernsehen als relevanteste Freizeitgestaltung die Eckpfeiler ihres Lebens darstellten.
In der Versenkung verschwunden wäre Lady Diana wahrscheinlich dennoch nie. Zu ungewöhnlich war ihr persönlicher Umgang mit der verkrusteten britischen Monarchie, zu politisch ihre privaten Entscheidungen (wie die für zwei muslimische Liebhaber nacheinander) oder ihre öffentlichen Statements wie das angst- und handschuhlose Händeschütteln mit HIV- und Aids-Patienten im Jahr 1991.
Dokumentation von HBO
Erst Ende Juli dieses Jahres – und damit pünktlich zum 20. Todestag-Jubiläum – wurde die für HBO produzierte Dokumentation „Diana, our mother – her life and legacy“ gezeigt, in der ARD lief sie vor zehn Tagen in einer deutschen Version (und kann noch in der Mediathek angeschaut werden). In der einstündigen Doku sprechen Dianas Söhne offen über den Verlust ihrer Mutter im Kindesalter und über das Verbot, den Schmerz zu zeigen, das den jungen Prinzen auferlegt wurde.
Laut ist die Kritik zwar auch in diesem mit sanftem Klaviergeklimper und atmosphärisch-seichten Bildern unterlegten Emo-Portrait nicht. Aber sie ist – teilweise jedenfalls – Dianas Verdienst, die ihre Söhne laut Eigenaussage bewusst zu für ihre Verhältnisse couragierten und meinungsstarken Männern erzog: Mit etwas Glück und dem nötigen Mut hätte sich Diana in einem längeren Leben peu à peu vielleicht ebenfalls zu einer starken Kritikerin, zu einem selbstbewussten Freigeist und damit letztlich zu einem nötigen Enfant terrible der britischen Monarchie entwickeln können.
Denn Dianas Bedeutung für „Royals“ in Großbritannien und anderswo liegt weniger in ihrem vielgepriesenen modischen Stil, der letztlich – tuffige Locken! Schulterpolster! – seiner Zeit unschön verhaftet war. Sondern vor allem in der Chance, die sich durch ihre Unangepasstheit ergab: Mit einer lebendigen Diana hätte sich über die Jahre besser manifestieren können, dass nicht blaublütige Menschen mehr als rosarote, euphemistische Prinzessinnenfantasien und absurdes Gefasel über „patrilineare Primogenituren“ hören wollen, bei denen zu einer Prinzengeburt 42 Salutschüsse abgegeben werden. Und dass eine aufgewühlte Öffentlichkeit das Abspeisen mit solchen Geschichten durchschaut und mehr als oberflächlich berichtete Krisen und glückliche oder unglückliche Lovestorys sieht, wenn sie auf ihre altehrwürdigen, aber politisch sinn- und nutzlosen Königshäuser blickt.
Mit Diana und ihrem leisen Kampf gegen die royalen Konventionen hätten sich die verschrobenen Adeligen modernisieren können. Sie wären glaubhafter geworden, wären vielleicht ein wenig mehr in der Realität der Gegenwart angekommen. Vielleicht hätte Diana sogar jedes Mal einen Tweet abgesetzt, wenn sie eine karitative Reise antritt oder sich mal wieder (laut Clehane alle drei Monate) Botox spritzen lässt. Was die Follower betrifft, hätte sie die Queen eh übertroffen. Garantiert.
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