piwik no script img

Falscher Bombenalarm an Pariser Schulen„Ihr werdet alle sterben“

Nicht nur in Paris, sondern weltweit gehen massenhaft Bombendrohungen gegen Schulen ein. Dazu hat sich die Gruppe „Evacuation Squad“ bekannt.

Paris im Ausnahmezustand: Die Polizei rückt in jedem Fall an – auch wenn der Drohanruf sich als Schabernack herausstellt. Foto: imago/PanoramIC

Eine metallene Stimme warnt vor einer Bombe, versteckt in einer Tüte. Oder vor einer Attacke mit Kalaschnikows, die unmittelbar bevorstünde. Am Vormittag des 26. Januars gingen in insgesamt sechs Pariser Gymnasien solche anonymen, offensichtlich vorher aufgezeichneten Anrufe ein, berichtet das Online-Portal des französischen Magazins Les Inrocks.

Die Folge: Die Schulen wurden evakuiert oder SchülerInnen und LehrerInnen wurden dazu aufgerufen, sich am Schulhof zu versammeln, Bombensucher rückten an. Doch kein Sprengsatz wurde gefunden, keine Angreifer tauchten auf. Fehlalarm.

Im allgemeinen Klima der Angst, dass in der französischen Hauptstadt nach den Terroranschlägen im November herrscht, reagierte man in einigen Schulen dennoch mit einer Aufstockung der Sicherheitsmaßnahmen. Zumal sich die Drohanrufe am 1. Februar nochmals wiederholten. „Ihr werdet alle sterben!“, soll in einem Fall die Stimme am anderen Ende der Leitung gesagt haben. Auch in Lyon waren Schulen betroffen, wie ein Sprecher der Präfektur des Departements Rhone mitteilte.

Alle Anrufe sollen über eine in den Vereinigten Staaten registrierte, womöglich illegal gekaperte Nummer gegangen sein, so die Staatsanwaltschaft in Paris. Als Reaktion hat sie Ermittlungen wegen „Androhungen einer Gefährdung von Leib und Leben“ eröffnet. Diese liegen allerdings nicht in den Händen von Anti-Terror-Einheiten.

Das Phänomen scheint im übrigen derzeit weltweit Konjunktur zu haben. Dafür wurde der Begriff „swatting“ geprägt, abgeleitet von SWAT, dem Kürzel für militarisierte Polizeitruppen in den US-Städten, die auch im Fall falscher Bombendrohungen auf den Plan gerufen werden. Australien, Großbritannien oder auch Japan sind schon zum Ziel dieses jüngsten Hoaxes geworden.

Twitter-Profilbild mit Putin

Besonders in Australien war es in den vergangenen Tagen zu ähnlichen Drohungen gegen Schulen wie in Paris und Lyon gekommen – mit darauffolgenden Evakuierungen und Durchsuchungen. Gemäß der australischen Ausgabe des Online-Portals Mashable hat sich zu den falschen Alarmanrufen das Kollektiv „Evacuation Squad“ bekannt. Es soll seine Botschaften über den Twitter-Account @Ev4cuati0nSquad verbreitet haben, der aber inzwischen entfernt wurde. Am 26. Januar kommentierte es die Fehlalarme mit: „Die Schulen in Paris fallen wie die Fliegen“.

Auf Twitter verlautbarte die Gruppe: „Wir sind sechs international agierende Individuen“. Ihr Ziel sei es, falschen Alarm auslösen, um den Schulunterricht zu unterbrechen und „die Polizei von einem Verbrechen abzulenken, dass Du begehen wirst“. Das Twitter-Profilbild zeigte Russlands Präsident Wladimir Putin, der Header ein Banner der libanesisch-schiitischen Hizbollah-Miliz.

Was sind bloß die Beweggründe dieser „Evacuation Squad“? Ein angebliches Mitglied der Gruppe, das sich selbst als Viktor Olyavich ausgab, sagte gegenüber Mashable: „Wir machen das, weil wir es amüsant finden“. Klingt offensichtlich pubertär. Doch auf der Seite Pastebin, verlautbarte die Gruppe außerdem, die US-amerikanische Regierung zu verabscheuen. „Wir hassen Autoritäten und wir lieben es, Chaos zu säen.“ Die französische Tageszeitung Libération will in den Äußerungen Ähnlichkeiten zur Rhetorik von Anonymous erkennen. Viktor Olyavich erklärte, keine Konsequenzen zu fürchten, da die Alarmauslöser in „Russland und im Iran“ stationiert seien.

Tatsächlich wurde auf Twitter auch eine russische Mailadresse angegeben – als Service für diejenigen, die die „Evacuation Squad“ in Anspruch nehmen wollen.

Womöglich steckt gar ein kommerzieller Gedanke dahinter, denn die Gruppe hatte angekündigt, dass ihre Dienste ab dem 1. März kostenpflichtig seien – bezahlbar mit Bitcoins: 5 Dollar für eine Schule, 10 Dollar für ein Gericht, 50 Dollar für ein großes Sportevent.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Sie sagen: „Wir hassen Autoritäten und wir lieben es, Chaos zu säen.“ - und führen ein Porträt Putins im Twitter-profil ? Was ist denn das für eine Logik? Ich glaube, nicht, daß Putin das Chaos liebt, zumindestens nicht in seinem eigenen Land.