Fall Claas Relotius: Offenbar zu Spenden aufgerufen
Nach dem Skandal um Fälschungen des Ex-„Spiegel“-Mannes berichtet das Magazin, Relotius habe Leser zu Spenden auf sein Privatkonto aufgerufen.
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Die Redaktion habe nichts von der Spendenaktion gewusst, erklärte der Spiegel. Wie viele Spenden es gab, wie hoch sie waren und was mit dem Geld letztlich passierte, sei noch unklar. Der Spiegel werde alle Informationen im Rahmen einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft übergeben.
Hintergrund der Spendenaktion war dem Magazin zufolge eine Reportage von Relotius über syrische Waisenkinder, die in der Türkei auf der Straße lebten. Am Wahrheitsgehalt des Textes gibt es den Angaben zufolge inzwischen erhebliche Zweifel. Ein Fotograf, der Relotius zeitweise bei der Recherche begleitete, wies demnach auf mehrere Unstimmigkeiten hin. Eines der beiden Kinder – laut Relotius' Text handelte es sich um ein Geschwisterpaar – sei womöglich eine komplette Erfindung.
In einem Reporter-Sammelband berichtete Relotius selbst laut Spiegel kürzlich über den Beginn der Spendenaktion. Der Journalist erzählte demnach, wie er es in monatelangem Bemühen geschafft habe, die beiden Waisenkinder zu einer Familie in Niedersachsen zu bringen, welche die Kinder adoptiert habe. Jedoch sei auch dies offenbar eine Erfindung, erklärte der Spiegel. Relotius selbst sei derzeit nicht für aktuelle Stellungnahmen zu erreichen.
Der Spiegel hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass der 33-jährige preisgekrönte Redakteur Reportagen ganz oder teilweise systematisch gefälscht hatte. Er habe dabei Charaktere, Zitate und Begebenheiten erfunden oder die Biografien von realen Protagonisten verfälscht. Relotius schrieb für den Verlag seit 2011 knapp 60 Texte und arbeitete auch für andere Medien. Der Spiegel kündigte eine umfassende Aufarbeitung an.
Unterdessen berichtet Zeit Online, dass beim Spiegel bereits im Jahr 2017 Unstimmigkeiten bei einem Text von Claas Relotius aufgefallen sein sollen. Allerdings hätten Hinweise darauf keine unmittelbaren Folgen gehabt.
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