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Falk Richter über queeres Empowerment„Fuck you! Ich mache, was ich will“

In jungen Jahren musste Falk Richter verstecken, dass er schwul ist. Heute ist er ein gefragter Theatermacher, der sich mit Familie, Provinz und der Neuen Rechten auseinandersetzt.

Falk Richter in dem Bühnenbild seines neuen Stückes Foto: Sophie Kirchner
Anna Fastabend
Interview von Anna Fastabend

Für das Treffen hat Falk Richter eine für Prenzlauer Berg typische Bäckerei rausgesucht. Es gibt selbstgebackenes Brot aus Natursauerteig, Musik dudelt aus den Boxen. Richter, der mit seinem autofiktionalen Stück „The Silence“ gerade zum Theatertreffen eingeladen wurde, gibt ausführliche Antworten, ab und zu vergewissert er sich, ob er nicht zu sehr vom Thema abgekommen ist. Nach einer Stunde fragt er: „Noch einen Kaffee?

wochentaz: Herr Richter, Sie sind in einer bürgerlichen Kaufmannsfamilie in den 70er und 80er Jahren in Niedersachsen groß geworden. Wie sind Sie zum Theater gekommen?

Falk Richter: Ich bin als 14-Jähriger mit der Schulklasse in eine kontrovers diskutierte Inszenierung von Peter Zadek im Hamburger Schauspielhaus gegangen. Zadek war damals dort Intendant und total verhasst beim Bürgertum.

Im Interview: Falk Richter

Der Mann

Geboren 1969 in Hamburg. Aufgewachsen in einer bürgerlichen Kaufmannsfamilie in Buchholz in der Nordheide, Niedersachsen. Mit 18 nach Hamburg, dort an der Hochschule für Musik und Theater Regie studiert. Heute lebt und arbeitet er in Berlin.

Der Theatermacher

Richter macht seit 30 Jahren Theater, u. a. an der Schaubühne in Berlin, am Nationaltheater Oslo, beim Festival d’Avignon. Dafür ist er mehrfach ausgezeichnet worden, 2018 als Regisseur des Jahres. Kürzlich ist er wieder zum Theatertreffen eingeladen worden.

Warum wurde sie so kontrovers diskutiert?

Ilse Ritter und Eva Mattes haben ein lesbisches Paar gespielt. Mich hat damals total beeindruckt, dass so etwas überhaupt zeigbar ist. Kurze Zeit später habe ich mit anderen bei mir am Gymnasium eine Theatergruppe gegründet, mit der wir zeitgenössische Stücke von Franz Xaver Kroetz, Hildesheimer, ja sogar von Handke aufgeführt haben.

Waren Sie ein rebellischer Teenager oder eher ein angepasster?

Ich war sehr rebellisch. Ich hatte viel Streit mit meinen Eltern, weil ich komplett anders leben wollte als sie. Es waren ja die 80er in einer Kleinstadt, und ich habe bereits mit 14, 15, angedeutet, dass ich schwul bin. Und dann wollte ich auch noch Theater machen! Mein Coming-out als Künstler war interessanterweise gleich schlimm für meine Eltern wie mein Coming-out als homosexueller Mann. Für sie hieß Künstler sein: Der wird uns auf der Tasche liegen. Und bei Homosexualität hat man damals sofort an Aids gedacht.

Haben Sie irgendwann gesagt: Mama, Papa, ich bin schwul?

In meiner Familie wurde beim Abendbrot immer viel diskutiert. Und da habe ich probehalber eine bisexuelle Vision von mir entworfen. Allein das war schon total shocking für meine Eltern, aber da haben sie vermutlich noch gedacht: Na ja, der redet nur. Doch dann hatte ich meinen ersten Freund und das war dann nicht mehr so witzig.

Inwiefern?

Meine Eltern haben versucht, die Beziehung zu unterbinden. Sie wollten meinen damaligen Freund sogar verklagen, weil er volljährig war und ich nicht. Und als ich meinem Vater nicht verraten wollte, wie mein Freund hieß und wo er wohnte, ist er auf mich losgegangen und hat mich verprügelt.

Wie ging es weiter?

Danach habe ich vor meinen Eltern so getan, als sei ich nicht schwul. Aber mit 18 habe ich dann gesagt: Fuck you all! Jetzt mache ich, was ich will.

Wie haben Sie dieses Versteckspiel ausgehalten?

So wie viele queere Teenager. Ich habe nach außen ein „normales“ Leben performt und mein Begehren heimlich ausgelebt. Ich habe sehr viel schwule Literatur gelesen: Fassbinder, Pasolini, Jean Genet und bin mit der S-Bahn nach Hamburg in queere Clubs, zum Beispiel das legendäre „Front“, wo ich mir die Nächte um die Ohren gehauen habe.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Sie sagten, dass Aids zu Ihrer Zeit ein großes Thema war.

Es war furchtbar.

Hatten Sie Angst?

Klar. Damals hat man ja noch geglaubt, dass nur schwule Männer davon betroffen sind und selbst ein Kuss tödlich sein kann. Und das alles zu einer Zeit, in der ich gerade meine Sexualität entdeckte. Dabei soll Sex ja eigentlich etwas Lustvolles, Befreiendes sein.

Ist damals jemand aus Ihrem Freundeskreis an Aids gestorben?

Von meinen gleichaltrigen Freunden glücklicherweise niemand, aber ich hatte damals einen zehn Jahre älteren Freund, einen Fotografen, der für meine ersten Theaterprojekte die Fotos gemacht hat, und der war HIV positiv. Ich weiß noch, dass er jede Menge Tabletten nehmen musste, die wahnsinnig viele Nebenwirkungen hatten. Kurz bevor er gestorben ist, hat er uns alle zu seiner Abschiedsfeier eingeladen.

Sie sind mit 18 nach Hamburg gegangen und haben dort zunächst als Zivildienstleistender gearbeitet. War die Provinz so unerträglich?

Ja. Ihre Fantasielosigkeit und dieser Konformitätsdruck, der andere Lebensentwürfe einfach nicht zulässt.

Ich finde, das Schwierigste ist, dass man beim Schreiben über die eigenen Traumata nicht in so eine selbstmitleidige Opferperspektive reinrutscht. So etwas will niemand lesen

Wieso leben dennoch viele gerne dort?

Weil man dort Teil einer Gemeinschaft ist, in der die Regeln einfach sind: Halte den Rasen kurz, gib dich unauffällig, sei freundlich, höflich, nett. Die meisten sind weiß, sprechen Deutsch, haben einen geregelten Job, zwei Kinder. Es ist der alte Traum von der heilen Familie.

Sie haben an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg Regie studiert. Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie angenommen wurden?

Ich erinnere mich noch, wie ich nach der Zusage von einer Telefonzelle aus meine Mutter angerufen habe. Ich war überglücklich, doch sie reagierte entsetzt und fragte: Kann man da auch einen Doktor machen? Aber mit den ersten Erfolgen sind meine Eltern umgeschwenkt und fanden meine Theaterarbeiten plötzlich ganz toll.

Sie haben während Ihres Studiums erste eigene Stücke uraufgeführt. War die Inszenierung eigener Stoffe an Ihrer Schule üblich?

Nein, überhaupt nicht. Meine Studienkollegen haben parallel alle Szenen aus „Nathan der Weise“ inszeniert. Ich sollte das auch machen, aber ich habe gesagt: Mir fällt dazu nichts ein. Mein Professor Jürgen Flimm wollte mich deshalb sogar rausschmeißen …

Warum ist es nicht dazu gekommen?

Ich hatte Glück. Der Theaterverlagschef von S. Fischer hat Flimm einen Brief geschrieben und sich für mich eingesetzt. Die waren befreundet und ich bereits als Autor bei Fischer unter Vertrag.

Was hatten Sie gegen „Nathan der Weise“?

Ich hatte das Gefühl, dass über meine Generation und ihre spezifischen Probleme erzählt werden muss. Und da gab es damals nicht so viele Leute, die das gemacht haben. Außerdem komme ich nicht aus einer Familie, in der klassische Literatur gelesen wurde. Ich bin mit Musikvideos groß geworden, mit Bands wie Frankie Goes To Hollywood, Bronski Beat, Boy George, Annie Lennox und David Bowie natürlich, die die Genderfragen offensiv gestellt haben.

Wie haben Sie daraus Theater gemacht?

Statt Klassiker zu lesen, habe ich während des Studiums MTV-Sendungen transkribiert. Ich wollte verstehen, wie die Moderatorinnen ihre Sätze bilden und wie die Verlinkung zwischen intelligenten Sachen und totalem Nonsens funktioniert. 2004 habe ich für mein Stück „Unter Eis“ so etwas Ähnliches mit der damals noch relativ neuen Sprache der Consultants gemacht. Ich wollte verstehen, was sich für ein Menschenbild daraus ergibt.

Etabliert sich gerade wieder eine neue Sprache?

Der Podcastsprech oder wie junge Schauspielerinnen jetzt sprechen: „Safe“, „Iconic“, „Really?!“ – das hat Humor. Gleichzeitig fallen Sätze wie „Das hat mich voll traumatisiert“ oft in total banalen Zusammenhängen. Das ist irritierend, aber ein Indiz dafür, dass wir in einer zutiefst traumatisierten Gesellschaft leben.

Gibt es gerade mehr traumatisierende Ereignisse als zu Ihrer Jugendzeit?

Ich weiß nicht. In den 80ern ist es auch so gewesen, dass wir Schüler alle davon ausgegangen sind, nicht über 30 zu werden, weil es zum Atomkrieg kommt oder zu mehreren AKW-Unfällen wie in Tschernobyl. Gleichzeitig sind die heutigen Ängste wegen des drohenden Klimakollapses ja total berechtigt.

Also doch alles schlimmer als früher?

Ich habe schon das Gefühl, dass es gerade besonders schlimm ist. Und seit wenigen Jahren realisieren meine gleichaltrigen Freunde und ich, dass wir auch nicht besser waren als unsere Eltern. Dass wir jetzt diese scheiß Generation sind, die diesen Planeten in einem katastrophalen Zustand hinterlässt. Dabei könnten Leute in meinem Alter in entscheidenden Positionen andere Entscheidungen fällen, aber stattdessen verharren wir im Neoliberalismus und die Kriege nehmen zu …

Wieso landen wir immer wieder an diesem Punkt?

Weil wir alle traumatisiert sind. Ich glaube, dass durch bestimmte traumatisierende Ereignisse in der Weltgeschichte keine Empathie für die nachfolgenden Generationen entstanden ist. Ich kann das anhand meiner Eltern ganz gut beschreiben. Denen wurde als Kinder im Zweiten Weltkrieg jegliche Empathie aberzogen. Die können sich nicht richtig reindenken in andere.

Nach mir die Sintflut?

Na ja, jetzt muss ich das etwas relativieren, weil gleichzeitig findet auch dank Fridays for Future und der Letzten Generation ja schon ein Umdenken statt. Dieses wilde Herumfliegen, das macht heute kaum noch wer – auch die Theater nicht. Jetzt fahren wir alle Zug. Immer. Okay: fast immer.

Sie machen seit 30 Jahren Theater. In letzter Zeit häufig auf Grundlage Ihrer eigenen, aber auch fremder autobiografischer Erfahrungen. Warum?

Eine Zeit lang hat mich klassisches Schauspiel nicht so interessiert, sprich, dass ein Schauspieler in eine Rolle schlüpft, die mit seinem eigenen Leben nur entfernt etwas zu tun hat. Da habe ich mich lieber mit sehr persönlichen Fragen auseinandergesetzt, wie bei „In My Room“ am Maxim Gorki Theater, wo mein Ensemble und ich uns mit unseren Vätern und der Beziehung zu ihnen beschäftigt haben.

In Ihrem neuen Stück „The Silence“ an der Schaubühne Berlin beschäftigen Sie sich mit den Kriegstraumata Ihrer Eltern und deren Auswirkungen auf Ihr Coming-out. Wie sind Sie zum autofiktionalen Schreiben gekommen?

Ich habe eine Zeit lang relativ viel in Frankreich und Belgien gearbeitet und da mitbekommen, dass viele Theatermacher ihre eigenen Texte geschrieben und inszeniert haben. Und als mich Shermin Langhoff 2013 ans Maxim Gorki Theater geholt hat, wollte sie, dass ich neue Stücke für ihr migrantisches Ensemble schreibe. Und da habe ich gedacht: Okay, Yael Ronen schreibt über die jüdische Community, Sasha Marianna Salzmann über die russische. Was noch fehlt, sind Stücke für die queere Community und ein queeres Empowerment.

Gab es das damals noch nicht?

Damals war es in deutschen Theatern üblich, dass schwule Figuren an Aids sterben oder wahnsinnig viele andere Probleme haben. Dieser Opferrolle wollte ich etwas entgegensetzen. Ich wollte starke schwule Personen auf die Bühne bringen und dann habe ich „Small Town Boy“ geschrieben, wo eine queere Person eine flammende Rede gegen Homophobie und für die rechtliche Gleichstellung queerer Menschen hält.

Warum hat man hierzulande relativ lange gebraucht, um die Qualität von autofiktionalen Stoffen zu erkennen?

Das deutsche Stadttheater ist ziemlich hierarchisch organisiert. Es gibt die Intendanten, das Ensemble, den Kanon. Und die Abonnenten, die ja oft aus dem konservativen Bürgertum kommen, fordern Klassiker. In anderen Ländern gibt es diesen Kanon nicht und viel mehr freie Gruppen, die sich ausprobieren.

Wenn man über sich selbst schreibt, bringt das gewisse Schwierigkeiten mit sich. Worin liegen die Ihrer Meinung nach?

Ich finde, das Schwierigste ist, dass man beim Schreiben über die eigenen Traumata nicht in so eine selbstmitleidige Opferperspektive reinrutscht. So etwas will niemand lesen.

Und wie geht das?

Da muss man sich bei jedem Satz die Frage stellen, ob er selbstmitleidig klingt oder nicht. Bei „The Silence“ war das gar nicht so leicht. Da schreibe ich ja darüber, wie ich in Buchholz in der Nordheide von zwei Schwulen hassenden Typen durch die Stadt gejagt und krankenhausreif geschlagen werde.

Aber wie schafft man es, dass so ein autofiktionaler Text nicht zum reinen Nabelschauprojekt wird?

Interessant wird es dann, wenn man die eigene Geschichte mit einem gesellschaftlich relevanten Thema verbinden kann. Bei „The Silence“ war es die Traumatisierung von Gesellschaften, über die nicht gesprochen wird, und die Frage von Täter und Opfer. Bei meinem Vater, der mit 18 in den Krieg eingezogen wurde, könnte man sagen, er war Opfer, weil er dazu gezwungen wurde, aber er war natürlich auch Täter, weil er Menschen umgebracht hat. Und jetzt erleben wir in Russland und der Ukraine und auch in Israel und Gaza wieder, wie ganz viele junge Leute zu Tätern werden und gleichzeitig ganz sicher selbst Schäden davontragen werden.

Wie kann man autofiktional arbeiten, ohne die Privatsphäre seiner Angehörigen zu verletzen?

In „The Silence“ interviewe ich ja meine eigene Mutter. Man sieht in einem Video, wie wir zusammen bei ihr im Haus am Tisch sitzen. Ich spreche also nicht bloß über sie, sondern mit ihr. Meine Mutter hat ihre eigene Stimme, sie kann sich selbst vertreten. Interessanterweise hatte sie auch total Lust dazu, ihre Geschichte zu erzählen. Sie war nur nicht so glücklich darüber, dass ich auch meine erzählen wollte …

Wofür steht die Geschichte Ihrer Mutter?

Sie steht stellvertretend für eine Generation von Frauen, die nicht gearbeitet haben, weil ihr Ehemann es ihnen nicht erlaubt hat. Außerdem war sie zeitweise eine alleinerziehende Mutter in den 60er Jahren und wurde so behandelt wie das, was man damals „eine gefallene Frau“ nannte. Dabei wäre sie gerne Ärztin geworden, aber das hat ihr mein Großvater nicht finanziert. Er ist davon ausgegangen, dass sie ja sowieso irgendwann heiratet …

Ihrer älteren Schwester ist es in den 80ern ähnlich ergangen …

Ja, meine Schwester wollte auch studieren und da hat mein Vater gesagt: Nee, das finanziere ich nicht. Bei meiner Schwester tut es mir auch deshalb so leid, weil die Entscheidung meines Vater auch daher kam, dass er so alt war. In der Zeit gab es bereits viele, die anders gedacht haben.

Was bedeutet Familie für Sie?

Für mich erzeugt der Begriff ein ambivalentes Gefühl. Ich habe mich in meiner eigenen Familie bislang nicht gut aufgehoben gefühlt, aber ich habe gelernt, dass man auch außerhalb der biologischen Familie Menschen finden kann, die einem Geborgenheit und Halt geben.

Sie haben sich in Ihren Arbeiten re­lativ früh mit dem weltweiten Rechtsruck beschäftigt. Wie kam es dazu?

Ich gehöre als schwuler Mann, der das auch offen lebt, zu einer sehr ge­fährdeten Gruppe. Deshalb habe ich womöglich ziemlich früh gespürt, dass da etwas Gefährliches auf uns zukommt.

Können Sie das konkretisieren?

Vor rund zehn Jahren sind mein Dramaturg Nils Haarmann und ich darauf aufmerksam geworden, dass die Rechte von Frauen an verschiedenen Orten auf der Welt eingeschränkt und Schwule systematisch verfolgt und zusammengeschlagen wurden. Etwa zeitgleich gründete sich in Frankreich die „La Manif pour tous“. Das ist eine ganz schlimme Anti-Gender-Bewegung, die damals gegen die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe auf die Straße ging. Dann tauchte in Deutschland plötzlich die deutsche Version von La Manif pour tous auf: das Aktionsbündnis „Demo für alle“, in dem neben AfD- auch CDU-Leute, so komische Evangelikale und Hardcore-Katholiken organisiert sind. Zusammengefasst: die AfD, Pegida, die Angst vor der „Überfremdung des Abendlandes“. Da zeichnete sich eine extrem bedenkliche Entwicklung ab, die wir 2015 in dem Theaterstück „Fear“ abzubilden versucht haben.

Was ist danach passiert?

Danach sind die Neuen Rechten Sturm gelaufen. Es gab Morddrohungen gegen mich, Schmierereien an der Schaubühne und Störrufe von einem AfD-Funktionär im Theatersaal. Die rechte Aktivistin Hedwig von Beverfoerde und die AfD-Politikerin Beatrix von Storch haben außerdem versucht, gerichtlich gegen die Aufführung vorzugehen. Das ist aber gescheitert. Das Gericht hat ihrer Klage in keinem Punkt stattgegeben. Wir haben das Stück weiter gezeigt.

Ist „Bad Kingdom“, Ihr neuestes nichtautofiktionales Stück an der Schaubühne, thematisch eine Fortsetzung von „Fear“?

Es ist eine dunkle Komödie über unsere Zeit heute. Über eine postpandemische, krisenmüde Gesellschaft, in der sich Menschen zunehmend einsam und verloren fühlen und vor allem rechte und radikale Gruppierungen Zulauf gewinnen.

Warum haben die Neuen Rechten gerade so einen großen Zulauf?

Vermutlich, weil sie in diesen unruhigen Zeiten eine Scheinschutzwelt anbieten: die Familie, die reinrassige Gesellschaft. Es ist ja auch viel einfacher, wenn man das Gefühl hat, dass der eigene Lebensentwurf der einzig richtige ist. Mein Vater zum Beispiel musste sich nie hinterfragen. Er sagte, wo es langgeht. Typen wie Thomas Gottschalk oder Friedrich Merz konnten sich problemlos jahrzehntelang sexistisch und rassistisch äußern. Sie waren die Norm. Und das wird heute alles infrage gestellt. Letztlich sind pluralistische Gesellschaften immer ein Angriff auf die Mächtigen.

Und die schlagen gerade zurück.

Vor ein paar Tagen habe ich zufällig ein Interview mit einer älteren Frau gesehen, die gegen die neue, liberalere Regierung in Polen auf die Straße gegangen ist. Und die hat doch tatsächlich gesagt: Als die PiS-Partei noch an der Macht war, waren wir stolz, Polen zu sein, aber jetzt sind wir nur noch Dreck.

Wie kommt sie darauf?

Ich denke, sie sieht das so, weil Donald Tusk jetzt nicht mehr nur das heterosexuelle, patriarchale Modell präferiert, sondern auch wieder Rechte für Queere, Frauen und Nichtkatholiken berücksichtigt. Und das lässt sie glauben, sie werde abgewertet.

Aber sie ist doch selber eine Frau.

Ich glaube, sie identifiziert sich gar nicht so sehr als Frau, sondern vielmehr als polnische Nationalistin.

Damit handelt sie gegen die Interessen ihres Geschlechts. Wie kriegt man das Patriarchat aus sich raus?

Ein israelischer Freund von mir sagt immer „We need to bring down patriarchy through song, dance and laughter“ – was auch immer das heißen mag.

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