Fahrradfreundliche Stadt: Hannover opfert Parkplätze
Gutes Vorbild: Die Stadt Hannover räumt Autos und ihren Stellplätzen nicht mehr zwangsläufig Vorrang ein.
Die Fahrradstraße entspreche nicht den vom Gesetzgeber vorgegebenen Bedingungen, urteilte das Verwaltungsgericht. Insbesondere weil an beiden Seiten der 5,50 Meter breiten Kleefelder Straße geparkt werden durfte und Radfahrer deshalb ständig ausweichen mussten und nicht nebeneinander fahren konnten. Die Stadt müsse entweder nachbessern oder die Fahrradstraße aufheben.
Okay sagte die Stadt nach einigen Überlegungen und akzeptierte das Urteil, ohne in Berufung zu gehen: Dann entfernen wir eben die Parkplätze. Künftig darf dort nur noch gehalten, aber nicht mehr geparkt werden. Schwerbehinderte, Pflegedienste und Handwerker sind davon ausgenommen.
Die FDP im Rat schäumte: „Wer Grün wählt, muss mit der Grünen-Diktatur leben“, sagte deren Fraktionschef Wilfried Engelke, schreibt die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ). Ob das Ganze sich auch auf die anderen Fahrradstraßen im Stadtgebiet auswirkt, muss allerdings erst noch geprüft werden. Erst einmal sei dies eine Einzelfallentscheidung, sagt die Stadt.
Hausgemeinschaften können Fahrradbügel anfordern
Der Abbau von Parkplätzen zugunsten von Fahrrädern funktioniert in Hannover aber auch noch auf anderen Wegen. Darauf hat der ADFC noch einmal aufmerksam gemacht. So können schon seit 2019 Hausgemeinschaften beantragen, dass ein Parkplatz für Fahrradbügel geopfert wird – wenn sich dafür im Haus eine einfache Mehrheit findet (eine Stimme je Mietpartei) und bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Wenn das Haus keinen Vorgarten hat und im Keller oder Hinterhof auch nicht genug Stellflächen vorhanden sind, können Fahrradstellplätze auf öffentlichem Grund beantragt werden. Die entsprechende Abteilung im Tiefbauamt rückt dann aus und prüft, ob der Gehsteig breit genug ist oder ob ein oder zwei Autoparkplätze dran glauben müssen.
In der Göbelstraße sind auf diese Weise 20 Fahrradstellplätze anstelle von zwei Pkw-Stellplätzen eingerichtet worden. Vor dem Umweltzentrum in der Hausmannstraße hat man sogar zwei spezielle Bügel für Lastenräder aufgebaut. Und auch die Bezirksräte machen eifrig mit und beantragen regelmäßig Fahrradparkplätze in der Nähe von Veranstaltungszentren oder ähnlichen Punkten, wo sich die Räder sonst gerne einmal stapeln.
Insgesamt seien seit dem Jahr 2016 (als die große „Fahrradbügel-Offensive“ ausgerufen wurde) jährlich etwa 500 zusätzliche Fahrradbügel im öffentlichen Raum installiert worden, schreibt die Pressesprecherin der Stadt, Michaela Steigerwald, auf taz-Anfrage. Im vergangenen Jahr gab es den bisherigen Rekord mit 750 zusätzlichen Abstellmöglichkeiten.
Der ADFC sieht allerdings weiterhin Luft nach oben. Vor allem überdachte Abstellanlagen und abschließbare Fahrradgaragen wären fein, meinen die Radfahrlobbyisten. Und regen eine Pflicht dazu etwa bei Neubauten an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“