Fahren ohne Fahrschein: Kein Grund für den Knast

In Bremerhaven verzichtet man darauf, das Fahren ohne Ticket anzuzeigen. Nun soll auch in Bremen niemand mehr deswegen ins Gefängnis.

Ein Ticketautomat für Fahrkarten im Nah- und Fernverkehr

Kein Ticket soll bald auch in Bremen kein Grund für eine Haftstrafe sein Foto: picture alliance/dpa

BREMEN taz | Wer wiederholt beim Fahren ohne Ticket in Bus und Bahn erwischt wird, muss in Deutschland mit einer Strafanzeige des Verkehrsunternehmens rechnen. Zwar will die Ampelkoalition dafür sorgen, dass die Beförderungserschleichung nur noch eine Ordnungswidrigkeit darstellt wie Falschparken. Doch noch gilt Paragraf 265a des Strafgesetzbuchs, wonach das mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bewehrt ist.

Darauf berufen sich Verkehrsunternehmen. Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) hat nun bekannt gegeben, auf Strafanzeigen in Zukunft verzichten zu wollen – weil fast nur Menschen wegen Fahrens ohne Ticket ins Gefängnis müssen, die die Geldstrafen nicht zahlen können und sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen absitzen, in der Regel wenige Tage bis Wochen.

„Wir prüfen das aufgrund der aktuellen politischen Diskussion“, sagte Jens-Christian Meyer, Pressesprecher der BSAG, jetzt der taz. Vorausgegangen war eine Forderung der Grünen-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft an die BSAG, nach dem Vorbild Bremerhavens auf Strafanzeigen zu verzichten. Denn wer regelmäßig ohne Ticket unterwegs ist und dann versäumt, das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro zu zahlen, oder gar nicht erst die Post mit den Mahnschreiben öffnet, handle selten planvoll, so die Grünen. Freiheitsstrafen verfehlten daher ihre abschreckende Wirkung.

„Wir reden über Personen, die in schwierigen Lebenssituationen stecken und mit vielen Problemen von Sucht über psychische Erkrankungen bis zu Verschuldung zu kämpfen haben“, sagte Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Bremer Grünen-Fraktion.

2021 mussten 65 Menschen ohne Ticket in Bremen ins Gefängnis

Deshalb sei er fassungslos gewesen, als der Bremer Senat Anfang Juni mitgeteilt hatte, im vergangenen Jahr hätten 65 Personen in der Justizvollzugsanstalt eine Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund wiederholten Fahrens ohne Ticket absitzen müssen. Mit Ausnahme von sechs Fällen betraf dies Menschen, die in Fahrzeugen der BSAG ohne Fahrschein erwischt worden waren.

Dabei unternimmt das Land Bremen einiges, um die Anzahl derjenigen zu reduzieren, die aufgrund von Bagatelldelikten – etwa Laden­diebstahl – inhaftiert sind. So gibt es mit der BSAG eine Einigung über ein vergünstigtes Ticket für die von Saxe benannte Gruppe zum Preis von monatlich 25 Euro. 58 Personen hat die BSAG derzeit auf dieser Liste, sie selbst zahlen nur 10,50 Euro für das Ticket, den Rest übernimmt der Staat. Für den ist dies wesentlich günstiger als ein Haftplatz, der in Bremen 130 Euro am Tag kostet.

Aus Kostengründen stellen auch die Bremerhavener Verkehrsbetriebe bereits seit zehn Jahren keine Strafanzeigen mehr. „Der Aufwand, den wir allein betreiben müssen, um Adressen herauszufinden, steht in keinem Verhältnis zum finanziellen Nutzen“, sagt Hans-Jürgen Jahnke, Prokurist bei Bremerhaven Bus. Er findet aber, dass die Si­tua­tion nicht mit der in Großstädten vergleichbar sei. Zum einen sei in der Seestadt alles fußläufig erreichbar, zum anderen fahren nur Busse. Dort müssen alle – sobald die Pandemie vorüber ist – wieder vorne einsteigen und ihr Ticket vorzeigen. In Straßenbahnen und U-Bahnen geht dies nicht.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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