Fahndungserfolge in Brüssel: Paris war das eigentliche Ziel

Mit der Festnahme des „Manns mit Hut“ ist den Behörden ein großer Schlag gegen die Attentäter von Brüssel und Paris gelungen. Doch es bleiben Fragen.

Noch keine Entwarnung: Polizisten im Brüsseler Stadtteil Etterbeck am Samstag Foto: dpa

BRÜSSEL taz |Alle mutmaßlichen Terroristen sind tot oder verhaftet, der „Mann mit Hut“ ist identifiziert. Nach mehreren spektakulären Razzien hagelte es am Wochenende ungewohnte Erfolgsmeldungen aus Brüssel. Am Montag soll sogar die Metro wieder weitgehend normal fahren. Kehrt nach der Terrorattacke vom 22. März wieder Alltag ein?

So weit wollen selbst die belgischen Behörden nicht gehen. Die jüngsten Erfolge seien zwar positiv, sagte Ministerpräsident Charles Michel, „aber wir wissen, dass wir wachsam und vorsichtig bleiben müssen“. „Es gibt vielleicht noch andere Zellen, die auf unserem Gebiet aktiv sind“, betont Innenminister Jan Jambon.

Dabei stützen sich die Ermittler auf neue, beunruhigende Erkenntnisse. Nach der Festnahme Abdeslams hatten die Brüder El Bakraoui und Najim Laachraoui, die Drahtzieher von Brüssel, offenbar in Panik ihre Pläne geändert. Ursprünglich hätten sie erneut in Paris zuschlagen wollen, teilten die belgischen Behörden am Sonntag mit.

Wegen des Fahndungsdrucks improvisierten sie dann stattdessen die Attacke im Brüsseler Flughafen und in der Metro. Dies haben Mohammed Abrini und Osama Krayem ausgesagt, die am Freitag in Brüsseler Stadtteil Anderlecht festgenommen waren.

Spur nach Paris

Abrini ist offenbar der „Mann mit Hut“, der am Brüsseler Flughafen von einer Überwachungskamera gefilmt wurde, wie er mit zwei späteren Selbstmordattentätern in der Abflughalle hineinspazierte. Das gab er jedenfalls bei seiner ersten Vernehmung an.

Auch die französischen Ermittler erhoffen sich von Abrini neue Erkenntnisse. In den Tagen vor den Massenmorden in Paris vom 13. November war er nämlich in Frankreich an der Seite des Terrorverdächtigen Salah Abdeslam unterwegs. Gemeinsam mit Abdeslam mietete er auch eine Unterkunft der Terroristen im Pariser Vorort Alfortville an.

Abrini könnte sich aber auch fälschlich als „Mann mit Hut“ ausgegeben haben

Als Abrini Ende November zur Fahndung ausgeschrieben wurde, beteuerte seine Familie, dass der 31-Jährige aus dem Problemviertel Molenbeek am Abend der Anschläge in Brüssel war. Er habe dort mit seiner Verlobten den Mietvertrag für eine Wohnung unterschrieben, bevor er verschwand.

Auch die Rolle des zweiten Verdächtigen, Osama Krayem, ist noch nebulös. Bei seiner Vernehmung gab er an, der zweite Mann zu sein, den Überwachungskameras beim Attentat in der Brüsseler Metro zeigen. Noch ist wenig über den 23-jährigen Schweden bekannt.

Verbindungen nach Ulm?

Vorsicht ist auch bei der Erfolgsmeldung angebracht, wonach nun die gesamte Terrorzelle ausgehoben worden sein soll. Zwar haben die belgischen Fahnder derzeit keine weiteren Verdächtigen auf ihrer Liste. Abrini könnte sich aber auch fälschlich als „Mann mit Hut“ ausgeben, um einen weiteren Komplizen zu decken, vermutet der belgische Terrorexperte Pieter Van Ostayen.

Auch die französischen Ermittler haben noch offene Fragen. Dabei geht es um das offenbar geplante neue Attentat in Paris, aber auch um mögliche Vorbereitungen der Terrorakte in Ulm. Die Ermittler vermuten, Salah Abdeslam habe den nun gefassten Osama Krayem und einen weiteren Komplizen am 3. Oktober in der als Salafistenhochburg bekannten deutschen Stadt abgeholt, nachdem sie aus Syrien zurückgekehrt waren.

Doch was geschah danach? Reisten sie sofort nach Brüssel weiter, oder ist Ulm weiter ein geheimer Treff für IS-Terroristen? Die deutschen Behörden schweigen. Immerhin suchen die deutschen Sicherheitsbehörden derzeit per Haftbefehl nach 76 Islamisten, die zum Teil untergetaucht seien, berichtet die Welt am Sonntag.

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