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Fahndung nach BombenlegernTerroristen-Jagd durch Boston

Bei Suche nach Bombenlegern von Boston wird ein Mann getötet, ein weiterer ist auf der Flucht. Verdächtige stammen aus Süd-Russland und wuchsen in den USA auf.

In Boston explodiert am Montag um 14.42 Uhr Ortszeit am Ende der Marathon-Strecke die erste von zwei Bomben. Bild: dpa

WASHINGTON taz | Eine Millionenstadt im Schutzraum. Nach nächtlichen Schießereien und Verfolgungsjagden mit mehreren Toten in Boston haben die Behörden eine Ausgangssperre verhängt. Die Schulen und Universitäten sind geschlossen, Taxis und die U-Bahn haben den Betrieb eingestellt.

Nur noch Busse mit der Aufschrift „State Police“ fahren durch die menschenleeren Straßen. „Bleiben Sie zuhause“, sagen die Behörden, „öffnen Sie Ihre Türen nur für die Polizei.“ Ganze Blocks werden evakuiert. Auch die journalistische Arbeit leidet unter der Terroristenjagd. Um kurz vor 9 Uhr fordert die Polizei die Medien zum „Blackout“ auf, um die Polizisten nicht bei der Arbeit zu behindern.

„Tot“ steht auf dem Foto des 26-jährigen Tamerlan Tsarnaev, das am Freitagmorgen nonstop über die Fernsehbildschirme flimmert. „Wanted“ steht auf dem Foto seines 19-jährigen Bruders Dzhokhar. „Er ist gefährlich“, warnen die Journalisten, „wer etwas über seinen Aufenthaltsort weiß, sollte sofort 911 anrufen.“ Ein Polizist in Boston ist in der Nacht erschossen worden.

Die beiden Brüder Tsarnaev sollen am Montag die Bomben beim Bostoner Marathon gelegt haben. Drei Menschen sind bei der Explosion ums Leben gekommen, mehr als 140 wurden zum Teil schwer verletzt. Der tote Tsarnaev ist der Mann mit der schwarzen Kappe, der in der Nähe des Tatorts auf einem Überwachungsvideo zu sehen ist. Sein Bruder trug die weiße Kappe.

Überfall auf einen Lebensmittelladen

Die Jagd in Boston beginnt am Donnerstagabend gegen 22.30 Uhr mit einem Überfall auf einen Lebensmittelladen. Anschließend wird ein Mercedes-Jeep entführt. Der Fahrer entkommt. Angeblich haben ihm seine Entführer gesagt, sie seien die „Marathon-Bombenleger“. Die Polizei nimmt die Verfolgung auf. Angeblich werfen die Brüder Sprengsätze aus ihrem Wagen.

Gegen 1.30 Uhr nachts kommt es zu einer Schießerei im Bostoner Stadtteil Watertown. Wenig später stirbt der von zahlreichen Kugeln getroffene ältere Bruder in einem Krankenhaus. Der Jüngere soll zuvor bei der Flucht vor der Polizei mit einem gestohlenen Auto über den Körper des noch lebenden Tamerlan gefahren sein. Der trug angeblich Sprengstoff am Körper.

In manchen Meldungen aus der Nacht ist auch von einem „dritten Mann“ die Rede. Die Polizei soll ihn am Ort der Schießerei festgenommen und ihn – wegen des Verdachts auf Selbstmordattentäter – nackt abtransportiert haben. Später am Vormittag nimmt die Polizei weitere Personen in Boston in „Gewahrsam“.

Die zunächst nur bruchstückhaften und widersprüchlichen Informationen aus der Stadt im Schutzraum zeichnen ein unerwartetes Bild von den mutmaßlichen Bombenlegern von Boston. In den vorangegangenen Tagen hatten Experten in den USA über zwei alternative Varianten spekuliert: internationaler oder hausgemachter Terrorismus. Doch die Brüder Tsarnaev sind, falls sie denn tatsächlich die Bomben gelegt haben, weder das eine noch das andere. Sie sind in den USA aufgewachsen und gingen in US-amerikanische Schulen, Colleges und Sportclubs. Der ältere Bruder boxte.

Er wollte Ingenieur werden

Im Internet hat er ein Foto seiner aus einer portugiesisch-italienischen Familie stammenden Freundin veröffentlicht. Laut „Jihadwatch“ hat er nicht geraucht und nicht getrunken. Er wollte Ingenieur werden. Sein Führerschein ist – natürlich – made in USA. Über die Motive der beiden mutmaßlichen Bombenleger ist nichts bekannt, auch nichts darüber, ob sie gar Teil eines größeren Netzwerks waren und ob dieses international organisiert war.

Hingegen sieht es so aus, als hätten die beiden Brüder keine Flucht geplant. Offenbar hatten sie nicht einmal einen Wagen. Der Überfall auf das Lebensmittelgeschäft vom Donnerstagabend fand weniger als einen Kilometer vom Ort der Bombenexplosionen am Montag statt.

Die Familie Tsarnaev ist vor mehr als einem Jahrzehnt aus Kasachstan in die USA umgesiedelt. Zahlreiche Familienmitglieder leben in Massachusetts. Nach widersprüchlichen Informationen soll der ältere der beiden Brüder im Jahr 2002 in die USA eingereist sein.

Der jüngere Dzhokhar kam ein Jahr später. Aus Moskau verlautet, dass er zuvor sein erstes Schuljahr im Jahr 2001/2002 noch in der Schule Nummer eins in der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala absolviert hatte. Ein ebenfalls in den USA lebender Onkel der beiden jungen Männer sagt dem Fernsehsender CNN, dass die Familie aus Kirgistan stamme.

Menschenleere Straßen

Mit starkem russischen Akzent erklärt Ruslan Tsarni, dass seine beide Neffen es „nicht verdienen, auf dieser Erde zu leben“. Am Freitagmittag sagen Sprecher der muslimischen Gemeinde in den USA, dass die mutmaßlichen Bombenleger „anscheinend muslimisch“ sind.

Die von der Polizei und dem FBI weiträumig ferngehaltenen US-Medien stehen in Boston auf menschenleeren Straßen. Sie konzentrieren sich auf Spekulationen sowie die Wiedergabe von Augenzeugenberichten von Anwohnern, die ihre Nacht im Keller verbracht haben und von den Schüssen direkt nebenan erschüttert sind. In atemlosen Stakkato sagt eine Reporterin des Senders MSNBC über die beiden jungen Männer: „Sie haben es geschafft. Sie haben eine der schönsten Städte der Welt als Geisel genommen.“

Parallel zu der polizeilichen Fahndung läuft seit den Bombenexplosionen vom Montag auch eine journalistische Jagd. Dabei geht es um den größten Scoop: Welcher Sender hat als erster ein Foto des oder der Bombenleger? Am späten Freitagvormittag, als Dzhokhar Tsarnaev noch auf der Flucht ist, weitet sich die journalistische Fahndung auf die US-Hauptstadt aus.

Kameraleute filmen ein Haus in der nördlichen Vorstadt von Washington aus der Luft. Dort lebt eine Familie mit kleinen Kindern – sie haben das Pech, Verwandte der verdächtigen Brüder Tsarnaev zu sein.

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8 Kommentare

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  • C
    Celsus

    Wenn die beiden Männer nicht davon wussten, dass sie ins Visier der Fahnder geraten waren, sollte doch eine unblutige Verhaftung möglich gewesen sein. Einer vollständigen Aufklärung des Verdachtes wäre das ebenfalls dienlich gewesen. Und mehr als ein Verdacht war es nicht. Aber immer mehr schienen auch die Behörden in den USA auf schießwütige Wild-West-Mentalität zu setzen.

     

    Es gab aus den USA widersprüchliche Meldungen? In solchen Fällen war doch in der Vergangehheit sehr oft in keiner einzigen Meldung von vorne bis hinten die Wahrheit.

     

    Wie war es denn beim Tod bin Ladens? Da eierten die Behördenmeldungen (!) von bewaffnet, über scheinbewaffnet bis hin zu Waffe ind er Nähe. Und später stellte sich unbewaffnet und wehrlos heraus. Ja. Echte Helden haben die.

  • KV
    Karl-Heinz Voelker

    "Verdächtige stammen aus Süd-Russland"

     

    Ja, Südrussland -> Russland --> Putin

     

    So passt es auch besser ins Weltbild :-)

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    ...jetzt zu fragen, wie viele Tote und Verletzte die Wafenlobby zu verantworten hat, darf man jezt nicht fragen! Ach ja, es sind ja die Lobbyleute, es ist immer nur - und ganz bestimmt - immer nur der am Abzug.

     

    Jedenfalls eines hat ganz bestimmt Konjunktur: mehr noch als die Mächtigen bestimmt Hysterie, worüber man sich aufzuregen hat: zB drei Stühle in einem Verfahren, das auf Dauer absolut nichts bringen wird. Da fliegen die Journalisten - wie damals die 2 tsd in Chile - wie die Mücken um die Kacke.

  • PA
    Peter A. Weber

    Ausnahmezustand in Boston. Medienhype. Wegen zweier Täter, die Bomben gelegt haben, wird ein Aufstand betrieben, als ob der dritte Weltkrieg ausgebrochen wäre! Und das nur, weil die Täter in den Rang von Terroristen erhoben wurden.

     

    Warum veranstaltet man denn in den USA (oder auch andernorts) nicht den gleichen Aufwand, wenn es um Opfer geht, die durch nicht als Terror eingestufte kriminelle Energie verursacht werden? Denn die Zahl der Opfer aus dieser "normalen" Kriminalität ist wesentlich höher.

  • HK
    Hady Khalil

    Der CSU Anti Terror Experte, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik der CDU/CSU Bundestagsfraktion Hans Peter Uhl hat vor einigen Tagen erst bei der Phönix Runde , als hätte er es geahnt..davon gesprochen, das sich momentane einzerlne Blogger radikalisieren. Deutschen Sicherheitskräften wird ja nachgesagt, das sie zumindest teilweise auf dem rechten Auge blind sind, Vielleicht gilt das ja nicht nur für Deutsche . Deshalb möchte ich folgende Möglichkeiten, wer hinter den Anschlägen stecken könnte, aufmerksam machen. Nach den mir vorliegenden Informationen, geht man von 2 radikalisierten Brüder, Einzeltäter aus, wobei as auslösende Motiv unklar ist. Diese Möglichkeit, das es sich um islamistisch radikalisierte Einzeltäter handelt scheint offensichtlich. Was mich stutzig gemacht hat ist, das der erschossene Täter auf seiner facebook Seite nach dem Attentat geschrieben hat, das er das alles niucht gewollt hat und dazu gezwungen worden sei. Das war heute im heute journal.Ich finde, wenn jemand ein solches Testament hinterlässt, sollte man das schon ernst nehmen.Natürlich kann es sein das eine islamistiscjhe Terrorgruppe hinter dem Anschlag steckt, mir fallen aber mindestens 2 weitere gruppen ein, die für mich Tatverdächtig wären, weil sie ein starkes Motiv hätten, das auch mit viel Geld zusammenhängt. Rechte Terrorgruppen, die inspirativ die beiden Täter erpresst und bewußt falsche Spuren gelegt haben. Die hätten deshalb ein großes Interesse an so einer Treibjagd und Chaos, um die Verabschiedung der neuen Waffengesetze zu ihren gunsten zu beeinflussen. Was ja gelungen ist.Es knn natürlich auch zufall sein, das wenige Tage vor der Abstimmung ein Anschlag passiert. Oder aber, was ja auch sein könnte, das irgendwelche Geheimdienste so ihre Existenz von riesigen Apparaten, in den USA soll es eine 500 Milliarden Dollar Industrie sein, zu rechtfertigen versuchen. Es ist allgemein bekannt, das man einmal geschaffene Institutionen nur schwer wieder loswird. Je größer, und oder länger sie existieren, umso schwieriger. Wenn eines fernen Tages die Welt wieder ohne Terror sein wird, durch welches Wunder auch immer, was macht man mit 10000den Arbeitslosen Geheimagenten und Spitzel und Söldnern? Ich finde, das es hierfür staatliche Programme geben muss, die den Betroffenen eine normale Existenz ermöglicht, wenn möglich. Ich finde jedenfalls das der Staat hier die Verantwortung nehmen muss. Von unserer Regierung allerdings ist das nicht zu erwarten, sie überlässt ja sogar 40 bedrohte afghanische Helferund ihre Familien ihrem Schicksal, vermutlich auf empfehlung der eiskalten Sicherheitsstrategen der CSU Sicherheitszentrasle.

  • VL
    vergessene Liebe

    ein fürchterliches `ShowUp´ mit vielen unschuldigen Opfern!Gute Berichterstattung von der TAZ!

    Mir fehlen die Worte!

    War es die harte und Hasserfüllte Sozialisation in und bei ihren Südrussischen Wurzeln?

    Oder war es das paralyserende, oft in Hass mündende - generelle `no future´ Bewusstsein, welches bei vielen Jugendlichen zur Apathie, oder sozial-ziviler Konformität- und oftmals zu agressiven Handlungen motiviert? Frustration als Ausgangspunkt?

    Oder war es psychisch-philosophisch-religiös verzerrte, infantile Teenager Sensationslust- Durst nach Anerkenntnis? Wie beim norwegischen bekloppten Massenmörder Breivik?

    Was alarmiert.. ist.. dass die Logik, die hinter solchen hässlichen Terror- Mordtaten steht, irgendwie `AltTestamentarisch´ erscheint: Eine militante Machtlogik des `AUGE UM AUGE,ZAHN UM ZAHN´. Hass und Angst verwurzelt!

    Die aufklärerische Möglichkeit der Liebe, von Dialog und Einsicht in eine Dialektik für Frieden und Freude und Freiheit, Suche nach Wahrheit- erscheint herausgefordert in den USA und im Rest der modernen Welt!

    Gegen Lügen und Kampf um Macht durch Terror und Schmerz, ideologisch/religiöse Verbrämtheit, mit technologischen Waffen aller Art, die es zu überwinden gilt !

    Es gilt, der heutigen globalen Jugend Perspektiven sozialen Glücks und Friedens

    zu vermitteln!

  • L
    Lensenpensen

    Das die Taz (zumindest ihr Online-Teil) Jihad Watch zitiert verwundert mich. Von einer Zitation seitens taz.de von ProNRW oder NPD habe ich noch nie gehört.

    Diese Gruppe ist eine Gruppe von Islamhassern.

     

    Davon ab, wieso stellt die taz jede Mitteilung der Polizei in Konjunktiv-Formen oder in Anführungszeichen dar?

    Glaubt man wirklich, alles sei nur erstunken & erlogen, gar eine Verschwörung.

    Der MIT-Cop ist wohl nur eingebildet tot, und die Carjacker, a.k.a. Verdächtige des Attentats, haben nur China-Kracher aus dem Auto geworfen, und keine USBV's.

    Schon klar...

    Kritisches Hinterfragen gerne, und lieber viel öfter als sonst, aber so etwas?

  • P
    polychaeta

    Nach dreimal "angeblich" folgt die Spekulation, ob es Hintermänner gibt.

    Es werden Augenzeugen erwähnt, die im Keller saßen.

    Ist das Euer Ernst?

    Der erste Verdächtige ist tot. Wird man den zweiten auch nicht der Judikative überführen? Besser gar keinen Artikel als solchen.