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Fachtagung zu LinksextremismusPrävention an der falschen Stelle

Nadine Conti
Kommentar von Nadine Conti

Die Fachtagung zu Linksextremismus, organisiert vom Justizministerium Niedersachsen, ist Aktionismus. Viel wichtiger sind Bildung und Gerechtigkeit.

Was tun mit verzweifelten jungen Menschen? Darauf hat die Politik keine Antwort Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa

D as war ein unfassbar unwürdiger Eiertanz, den die verschiedenen Wissenschaftlerinnen und pädagogische Beraterinnen da auf Geheiß des niedersächsischen Justizministeriums aufführen mussten. Schon klar: Ihre Arbeitgeber leben eben von Drittmitteln und Projektgeldern, da muss man sich halt schon mal ein bisschen für verbiegen.

Dabei war ihre Botschaft doch im Grunde klar: Wer Linksextremismus verhindern will, muss vor allem für eine bessere, gerechte Gesellschaft sorgen. Der muss junge Menschen in ihrem verletzten Gerechtigkeitsempfinden ernst nehmen und dabei Gesprächs- und Veränderungsbereitschaft zeigen.

Vielleicht hilft auch besserer Politikunterricht. Aber da wartete die Didaktikprofessorin Monika Oberle gleich einmal mit schockierenden Zahlen auf: Weite Teile des Politikunterrichts – vor allem an Haupt- und Realschulen – werden von Fachfremden erteilt. So viel zum Stellenwert dieses Fachs.

Wer verhindern will, dass Jugendliche irgendwann einmal zu Gewalt greifen, der würde auch gut daran tun, in eine kluge und einfühlsame Begleitung ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu investieren. Aber bekommen Schulen dafür Geld, Zeit und Personal? Nein, natürlich nicht. So dringend ist das dann doch nicht.

Gleichzeitig zeigt sich hier, wie Ideologiekonflikte von vorgestern verhindern, dass man den aktuellen Gefahrenquellen Aufmerksamkeit schenkt. Der Verfassungsschützer fragt vor allem, ob es der extremen Linken gelingt, die Klimaschutzbewegung zu unterwandern. Aber wohin diese klimabewegten Jugendlichen sollen – mit ihrer wachsenden Ungeduld, ihrer Verzweiflung und dem Gefühl, dass ihnen die Zeit wegläuft? Dafür ist bestimmt irgendjemand anders zuständig.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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2 Kommentare

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  • Es gibt keine Aussteiger aus linken Gruppen. Das heißt nicht so wie bei der sektenartigen Naziszene.



    Aus linken Gruppen steigen Menschen im Lauf ihres Lebens dann aus, wenn ihre Schwerpunkte und Sichtweisen sich verlagern, verbreitern, reifen. In der Regel mit der Übernahme von Verantwortung.



    Und diejenigen die weiterhin in kollektiven Linksunten-Projekten arbeiten im Alter von über 50, die will der Minister in Niedersachsen verbieten?



    Die politische Radikalisierung nach links setzt v.a. nach dem Verlassen der Schulen ein und bei dern Ankunft in neue Milieus.



    Generell hilft politische Erwachsenenbildung - gegen den Extremismus der Mitte.

  • Gespenster jagen, wie in diesem Text deutlich geworden, geht es wohl weniger darum, 'Linksextremisten' zu bekämpfen, als eine verfehlte Schulpolitik zu korrigieren.

    Dass der Staat das Gespenst Linksextremismus derart verfolgen muss, liegt an rechten Parteien, die fordern grundsätzlich, dass Neonazis und 'Linksextreme' zwei Seiten der gleichen Medaille seien, daher müsse man beiden 'Bewegungen' entschlossen entgegen treten.

    Schon diese Idee beißt sich mit der Realität, während Neonazis jährlich sich mit Waffen und Kampfsport aufrüsten, zuhauen, töten, schlagen und verletzten, ergibt sich bei den 'Linksextremisten' ein deutlich anderes Bild.

    Es sind eher kleine Momentaufnahme, etwa das Zurschaustellen der PKK-Fahne oder eine Rangelei auf der Demo (oft genug inititiert von der Polizei selbst).

    Ansonsten gibt es extrem linke Parteien, die ganz klar, eine Revolution etc. wünschen, nur machen tun sie in dieser Hinsicht so gut wie nichts. Zahlenmäßig kann man die meisten dieser Gruppen eher als Sekten begreifen, denn als Parteien.

    Das Bittere an dieser Sache ist, dass der Staat mit seinen Maßnahmen gegen linksextreme Gruppen und Menschen eigentlich nichts bewirkt, während er auf der Neonazi-Seite immer wieder sehr deutlich versagt. Es ist heute kein Problem, in bestimmten Gebieten Deutschland massiv verprügelt zu werden - von Neonazis. Viele sehen dann vor Gericht erstaunlich gut aus, weil sie parallel Zuträger des Verfassungsschutzes sind oder sich diesem gerade an den Hals schmeißen.

    Dass rechtsextremer Terrorismus unter den Augen von zig Spitzeln, Polizei und Geheimdienst bilden konnte, zeigt, wie verfehlt der Staat in diesem Segment ist und war.

    Hingegen müssen die Feindbilder der Linksextremen rechte Journalisten, Milliardäre und Manager nicht um ihr Leben bangen. Bomben, Attentate, Entführungen, Überfälle und Zerstörungen durch linksextreme sind absolut nicht auf einem Niveau, wo der Durchschnittsmensch Angst bekommen müsste. Der Staat aber schon ...