Facebook-Kampf gegen Propaganda: Angst vor Russen? Angst vor Regeln!
Facebook kündigt ein Tool an, das russische Propaganda entlarven soll. Der Konzern reagiert mit Aktionismus, da er unter politischem Druck steht.
„Hallo. Sie wurden Opfer russischer Wahlkampfmanipulation. Sorry und viel Spaß beim Weiterfacebooken.“ – So könnte es demnächst bei Facebook heißen, glaubt man dem, was das Unternehmen am Mittwoch in den USA angekündigt hat. Bis Ende des Jahres wolle man ein Tool zur Verfügung stellen, um Nutzer*innen über mögliche Propaganda in ihrer Timeline zu informieren.
Die Anwendung namens „Foreign Interference Search Tool“ soll Nutzer*innen helfen, die Angst haben, in dem sozialen Netzwerk politisch beeinflusst worden zu sein. Und zwar aus Russland. Konkret: aus der sogenannten Internet Research Agency (IRA), landläufig bekannt als Trollfabrik in St. Petersburg.
Das neue Tool soll Nutzer*innen anzeigen, welche IRA-Inhalte sie in der Vergangenheit verbreitet oder mit welchen sie interagiert haben.
„Es ist wichtig, dass die Menschen verstehen, wie ausländische Akteure durch den Gebrauch von Facebook vor und nach der US-Wahl 2016 versucht haben, Uneinigkeit und Misstrauen zu säen“, erklärt der Konzern in einem Blogeintrag. Dieser Schritt zu einem kleinen bisschen mehr Transparenz steht aber nicht etwa für ein neu entdecktes Verantwortungsgefühl bei Facebook, sondern hat mit dem enormen politischen Druck zu tun, unter dem das Unternehmen derzeit steht.
Anzeigen im Wert von 150.000 Dollar
126 bis 150 Millionen Menschen sollen Schätzungen zufolge durch Werbeposts der russischen Internet Research Agency erreicht worden sein. Facebook zufolge sollen Anzeigen aus Russland im Wert von 150.000 US-Dollar im Wahlkampf Stimmung gemacht haben – etwa in den Debatten um Waffenrecht, Migration, Religion und Rassismus. Die russische Regierung bestreitet die Vorwürfe.
Anfangs wehrten die Unternehmen sich noch heftig gegen den Vorwurf, sie würden auf ihren Plattformen Propaganda zulassen. Anfang November dann mussten Vertreter von Facebook, Google und Twitter sich vor dem US-Senat erklären. Ja, Einflussnahme habe es gegeben, räumte man ein. Die sei nun aber auch wirklich schwer zu verhindern. Und wie viele Menschen das genau betreffe und wie man das herausfinden (und vor allem: in Zukunft verhindern) könne – ja, das seien wirklich gute Fragen.
Nun war auch so mancher Vorschlag seitens der US-Abgeordneten – vorsichtig ausgedrückt – fantasievoll. Einer schlug etwa vor, man könne ja einfach in Rubel bezahlte Anzeigen verbieten. Was Facebook abliefert, ist da aber auch nur bedingt besser. Man wolle etwa das Sicherheitspersonal auf 20.000 Mitarbeiter aufstocken, erklärte das Unternehmen.
Alle Reue nur vorgetäuscht?
Und jetzt eben noch dieses neue Wundertool. Nicht angezeigt werden dort allerdings Seiten oder Posts, die lediglich im Newsfeed einer Person auftauchten, die man also vielleicht gesehen, aber nicht verbreitet hat. Letzteres könne man kaum erheben, hatte ein Facebook-Mitarbeiter vor dem US-Senat erklärt. Ein Argument, das die Senatoren damals nicht durchgehen ließen – immerhin basiere Facebooks Geschäftsmodell darauf, genau solche Dinge zu wissen.
Facebook wiederum gibt sich in seiner Erklärung vom Mittwoch kämpferisch. Das Tool sei Teil des Plans, gegen diejenigen „bösen Akteure“ vorzugehen, die „versuchen, unsere Demokratie zu untergraben“, so das Unternehmen. „Deswegen haben wir Informationen gesammelt, haben sie immer wieder öffentlich gemacht und sie den Ermittlern des Kongresses zur Verfügung gestellt“, heißt es weiter.
Pustekuchen. Dem privaten Unternehmen Facebook geht es nicht um Demokratie – es hat einfach große Angst davor, durch die Politik reguliert zu werden, und verfällt deshalb in einen Aktionismus, dessen Nutzen fragwürdig ist. Aufklärung mag wichtig sein – aber sich auf die IRA als Quelle zu konzentrieren ist unsinnig. Es ist ein Anlass für Facebook, sich reuig und engagiert darzustellen – am Ende wird es aber darum gehen, dass Unternehmen wie Facebook, Google und Twitter echte Konzepte vorlegen. Und ja, vielleicht auch um Regulierung durch die Politik.
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