FDP-Parteitag in Berlin: Quote diskutiert, Ziele vereinbart
Die FDP straft Spitzenkandidatin Nicola Beer ab und beschließt Zielvereinbarungen zur Frauenförderung. Auch das ist nicht allen recht.
Am Ende stand ein Beschluss, der eine parteiinterne Quote ebenso ablehnt wie eine staatlich verordnete Paritätsregelung. Stattdessen soll der Bundesvorstand mit den Landesverbänden Zielvereinbarungen treffen, wie Frauen in der FDP gefördert werden können. Auch das war umstritten: Dafür stimmten 60,6 Prozent der Delegierten, rund 36 Prozent lehnten dies ab.
Für die FDP war die Ausgangslage kompliziert: In den Umfragen liegt sie leicht unter dem Bundestagswahlergebnis von 2017, sie wird vor allem von Männern gewählt. Der Mitgliederanteil von Frauen liegt bei 23 Prozent. Wenn die FDP wachsen will, braucht sie mehr Stimmen von Frauen. Gleichzeitig widerspricht das Denken in starren Quoten eigentlich liberalem Denken. Vor allem jüngere Frauen wehren sich dagegen.
„Seitdem die Partei die Frauendebatte angezettelt hat, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Mann das Thema anspricht“, sagte die Ratinger Delegierte Tina Pannes. „Für mich fühlt sich das an, als würden wir den ganzen Tag über Brüste reden.“ Die Verlierer einer Quote seien Frauen, die deshalb in Parlamente einzögen und dann „ein Frauenetikett“ hätten. „Dieses Frauenetikett werden wir nie wieder los.“
Pannes hatte das Thema Quote und Zielvereinbarungen in der FDP erst auf die Tagesordnung des Parteitages gesetzt. Der Parteivorstand hatte die heikle Debatte zuvor zu umgehen versucht: Er formulierte einen Leitantrag für den Parteitag, in dem es um mehr Vielfalt in Betrieben ging, der am Samstag debattiert wurde. Den Beschluss für die Zielvereinbarungen fasste der Bundesvorstand aber schon am Donnerstag – und legte ihn dem Parteitag nicht vor.
Erst ein Antrag von Pannes und anderen Mitgliedern, sowohl Quote wie Zielvereinbarungen abzulehnen, führte zur Debatte. Dort sprangen ihr nur wenige bei. „Wenn wir den Antrag beschließen, ist die Partei der Verlierer“, sagte die bayerische Landtagsabgeordnete Julika Sandt. „Wir können es uns im Wettbewerb mit anderen Parteien nicht leisten, als Männerverein wahrgenommen zu werden.“
Auch mit der neuen, 38-jährigen Generalsekretärin Linda Teuteberg setzt die FDP ein Zeichen in Richtung Frauen. Ob der Plan aufgeht? Lindner hatte zwar kürzlich verkündet, dass „Männer bei polemischen Attacken gegen den Gegner“ applaudierten und Frauen „anders angesprochen werden“ wollten. Teuteberg verzichtete in ihrer Einstandsrede aber nicht nur auf Polemik, sondern auch auf Humor. Sie forderte ein Einwanderungsgesetz und die Begrenzung illegaler Migration. „Dazu gehört, dass die in rechtsstaatlichen Verfahren festgestellte Ausreisepflicht auch durchgesetzt wird“, sagte sie.
Abteilung Attacke
Die Abteilung Attacke blieb fast ausschließlich Christian Lindner vorbehalten. Er konzentrierte sich auf seinen Lieblingsgegner: die Grünen. „Herr Habeck sagt, er wünscht sich für 2050 eine Gesellschaft ohne Fleischkonsum. Wir werden alle Vegetarier und Veganer – das sind tiefe Einschnitte in die individuelle Freiheit.“ Vize Wolfgang Kubicki kritisierte die Fridays-for-Future-Demonstrationen: „Ich will den Schülerinnen und Schülern nur sagen: Weder der Staat noch meine Frau werden mir jemals verbieten, dass ich ein Steak esse.“
In der anschließenden, sehr sachlichen, fast vierstündigen Debatte zum Klimaschutz, dem zweiten großen Parteitagsthema, meldeten sich vor allem die Fachpolitiker. Die FDP setzt auf marktwirtschaftliche Lösungen, etwa den Emissionshandel. Teuteberg sagte, nicht die FDP müsse „grüner werden“, sondern „die Energie- und Klimapolitik in Deutschland vernünftiger“. Im verabschiedeten Antrag heißt es: „Nur in der intelligenten Verzahnung von Ökologie und Ökonomie findet diese Transformation nachhaltigen Rückhalt in der Bevölkerung.“
Für die FDP war der Parteitag vor den Europawahlen als Aufbruchssignal gedacht. Ein Risiko gab es aber: Auf dem Parteitag stand auch die reguläre Wiederwahl des Parteivorstands an. Lindner erhielt 86,6 Prozent, etwas weniger als 2017.
Gerangel gab es um die Vizeposten: Die bisherige Generalsekretärin Nicola Beer, die als Spitzenkandidatin nach Brüssel weggelobt werden soll, beanspruchte kurz vor dem Parteitag eine Stelle als Vizevorsitzende. Um eine Kampfkandidatur zu vermeiden, zog daraufhin die in der Partei populäre bisherige Vizechefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ihre Bewerbung zurück. Der Parteitag strafte Beer mit nur 58,6 Prozent ab.
Als Beer am Sonntag ihre Rede gehalten hatte, standen Lindner und Teuteberg zwar in demonstrativer Eintracht mit ihr auf der Bühne. Aber viele in der Partei dürften nun noch mehr ihren Umzug nach Brüssel herbeisehnen.
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