FDP-Generalsekretär über Schlecker: „Shampoomangel wird es nicht geben“
FDP-Generalsekretär Patrick Döring verteidigt das Nein seiner Partei zu einer Auffanggesellschaft für Schlecker-Beschäftigte. Lehren für die Politik seien auch nicht nötig.
taz: Herr Döring, am Donnerstag hat Ihr Parteichef und FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler 10.000 Schlecker-Mitarbeiterinnen geraten, sich eine „Anschlussverwendung“ zu suchen. Ist es das, was die FDP unter „Freiheit in Verantwortung“ versteht?
Patrick Döring: Eine Transfergesellschaft ist doch kein Allheilmittel. Schlecker ist eine dezentrale Organisation mit vielen tausend Filialen und wenigen Arbeitern pro Filiale. Das ist nicht vergleichbar mit Insolvenzen von großen Industrieunternehmen, wo auf einen Schlag Zehntausende Menschen an einem Ort arbeitslos werden. Gleichzeitig haben wir 25.000 offene Stellen im Einzelhandel.
Sie verlangen, dass Schlecker-Leute aus Emden nach Berlin ziehen, etwa einen schlecht bezahlten Teilzeitjob annehmen?
39, ist seit Dezember 2011 designierter FDP-Generalsekretär. Der Diplomökonom ist stellvertretender FDP-Fraktionschef im Bundestag sowie Bundesschatzmeister.
Gerade wegen der Dezentralität ist es wahrscheinlich, dass der regionale Arbeitsmarkt die Mitarbeiter aufnehmen kann. Im letzten Jahr sind 30.000 Unternehmen in die Insolvenz gegangen. Für keines dieser Unternehmen hat etwa die SPD eine Transfergesellschaft gefordert. Hier wollen sich SPD und Grüne profilieren – zulasten des Steuerzahlers.
Wollen Sie sich als herzlose Partei profilieren?
Wir halten am Prinzip der sozialen Marktwirtschaft fest. Es ist nicht sinnvoll, Steuergeld in das Unternehmen zu pumpen. Ver.di-Chef Frank Bsirske hat vor einem Jahr noch auf jeder Versammlung die Menschen aufgefordert, Schlecker zu boykottieren. Er begründete das damit, dass das Unternehmen unter Tarif bezahle und schlechte Arbeitsbedingungen biete. Letztendlich hat auch diese Kampagne zu der Pleite geführt.
Welche Lehren muss die Politik aus dem Schlecker-Fall ziehen?
Keine. Es kommt ja wohl kaum zu einer Mangelversorgung mit Zahnpasta und Shampoo in Deutschland. Es gibt andere leistungsfähige mittelständische Wettbewerber, die die Versorgung der Bevölkerung mit Drogerieartikeln aufrechterhalten. Schlechtes Sortiment, schlechtes Klima, zu kleine Läden: Der Kunde hat sich attraktivere Läden gesucht.
Welche Chancen sehen Sie für die noch verbleibenden Schlecker-Filialen?
Der Insolvenzverwalter hat gesagt, er sei für die Transfergesellschaft, weil es leichter wäre, den Konzern zu veräußern, wenn es nicht zu den vielen Kündigungsschutzklagen käme. Das glaube ich nicht. Sicher müssen viele Filialen schließen, aber für den verbleibenden Teil wird es Absatzchancen geben. Es wird sich jemand finden, der die übernimmt, dann investiert und die Attraktivität erhöht.
Aber mal ehrlich, war das Wort „Anschlussverwendung“ in Zeiten von Wahlen gut gewählt?
Jeder äußert sich auf seine Weise. Das kommt vielleicht von der Bundeswehrvergangenheit von Rösler, dort wird der Begriff meines Wissens verwandt, wenn jemand eine neue Aufgabe erhält.
Ihr Satz, das Piratenbild sei von der „Tyrannei der Masse“ geprägt, war auch nicht glücklich.
Ich bleibe dabei: Dieser Grundgedanke, dass der Schwarm immer recht hat, stimmt nicht. Sie würden in Deutschland einen großen Schwarm bekommen, der die Todesstrafe befürworten würde. Da würden alle demokratischen Parteien in Deutschland nicht mitmachen, weil zu einer Demokratie auch der Schutz von Minderheiten und abweichenden Meinungen gehört.
Was setzen Sie denn den Piraten entgegen, die sich selbst als neue Liberale bezeichnen?
Erstens müssen auf der technischen Mitbestimmungsseite alle Parteien Antworten geben. Zweitens müssen wir uns mit dem nur partiell vorhandenen Piratenprogramm auseinandersetzen. Freifahrten im Nahverkehr, bedingungsloses Grundeinkommen, das spricht nicht für liberalen Geist, das ist links konnotiert.
Sie kämpfen nicht nur mit den Piraten, sondern auch mit dem Koalitionspartner im Bund. Eurorettung, Frauenquote, Vorratsdatenspeicherung – es hakt. Wie lang hält Schwarz-Gelb?
Ich erkenne keinen Haken. Die Frauenquote ist kein Projekt der Koalition. Wir erleben doch gerade die Entstehung von zwei Supergouvernanten im Kabinett, Frau von der Leyen will eine Frauenquote einführen, Frau Aigner XXL-Packungen verbieten. Wenn dass das neue Unionsbild ist, wenn CDU/CSU mit diesen Forderungen Wahlkampf machen, dann ist für die FDP viel Platz. Mit der Bundesregierung hat das aber nichts zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos