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FDP-Dreikönigstreffen in StuttgartÜberlebenskampf in der Oper

Beim digitalen Dreikönigstreffen in Stuttgart bekräftigt Parteichef Lindner die Regierungsambitionen der FDP. Er übt Kritik, klingt aber dezent.

Christian Lindner spricht in der Stuttgarter Oper beim digitalen Dreikönigstreffen der FDP Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BERLIN taz | Es geht gleich zur Sache. Michael Theurer, FDP-Vorsitzender in Baden Württemberg, eröffnet das traditionelle Dreikönigstreffen der Liberalen am Mittwoch in Stuttgart mit einer Attacke. „Die Grünen sind keine Partei des technologischen Fortschritts“, sagt er angriffslustig. Denn wer Impfen und Gentechnik ablehne, gehöre nicht ins Kanzleramt. Für ihn ist klar: Die Grünen zerstören die deutsche Automobilindustrie.

Er kritisiert dabei auch, dass sich die Parteivorsitzenden Anna­lena Baerbock und ­Robert Habeck auf dem letzten digitalen Parteitag „wie im deutschen Spießerwohnzimmer“ präsentiert hätten. Es ist amüsant anzuschauen – als hätte die FDP keine anderen Sorgen. Aber Theurer braucht das, um die Liberalen als die Partei der Freiheit, des Fortschritts und der Technologiefreundlichkeit zu vermarkten. Der CDU in der Bundesregierung wirft er vor, sich einseitig „auf batteriebetriebene Elektromobilität“ und „Kaufprämien“ zu fokussieren.

Theurer steht im Opernhaus in Stuttgart. In der Stadt treffen sich die Freien Demokraten traditionell zum Dreikönigstag. Nur in diesem Jahr wird das Treffen pandemiebedingt live übertragen. Das heißt: Das Opernhaus ist nur leere Kulisse, es gibt kein Publikum und kein Klatschen. Auch die anderen FDPler:innen können sich nur zuschalten.

Als wenig später Christian Lindner die Bühne betritt, wird es etwas ruhiger in der Wortwahl. Hinter dem Parteivorsitzenden, in den leeren Rängen, leuchten blaue Schriften auf: Mut, Freiheit, Weltoffenheit, Toleranz. Lindner kritisiert zwar die neuen Coronabeschränkungen von Bund und Ländern als unverhältnismäßig, tut das aber erst, nachdem er die Gefährlichkeit von Corona betont hat. Die beschlossenen Maßnahmen führten teils zu „inhumanen Ergebnissen“, sagte er.

2020 war ein schwieriges Jahr für die FDP

Wenn man nur eine weitere Person aus einem anderen Haushalt treffen könne, werde Pflege behindert und ein gemeinsamer Besuch der Großeltern unmöglich. „Auch der beste Zweck heiligt dabei nicht jedes Mittel“, warnt er. Lindner fordert die Beteiligung der Parlamente in der Pandemiebekämpfung, will eine bessere Impfstrategie, eine Perspektive für die Schulen, mehr Unternehmerfreundlichkeit. Er verteilt Kritik, ist aber nicht im Krawallmodus – das ist nicht verwunderlich.

2020 war ein schwieriges Jahr für die FDP: Erst der politische Dammbruch im Februar, als Thomas Kemmerich sich mit Stimmen der AfD zum Thüringer Ministerpräsidenten wählen ließ. Dann im September ein Parteitag mit viel Schelte, weil Lindner die Ex-Generalsekretärin Linda Teuteberg mit einem sexistischen Spruch verabschiedete. In der Pandemie versuchten sich die Liberalen als Verteidiger der Grundrechte, wollten sich aber nicht mit Ver­harm­lo­se­r:in­nen gemein machen. Keine einfache Rolle.

Lindner spricht auch über Bildungsgerechtigkeit, über Alltagsrassismus und über Frauenförderung, als hätte er etwas gutzumachen. Die Biontech-Erfolgsgeschichte sei „nicht repräsentativ“, denn immer noch sei Bildung vor allem vom Elternhaus abhängig, seien Frauen in der Forschung unterrepräsentiert, und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte hätten oft schlechtere Jobchancen.

Und einen Fehler will Lindner offenbar auch nicht wiederholen. Seit die FDP 2017 die Jamaika-Verhandlungen platzen ließ, kämpft sie ums Überleben. „Wir sind bereit zur Übernahme von Verantwortung für unser Land“, beteuert er.

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