FC Bayern vs. RB Leipzig: Triumph der Oldies
Der FC Bayern entzaubert den Herausforderer RB Leipzig. Dabei profitieren die Münchner von den fatalen Fehlern der Gäste.
Ob Didi Mateschitz, der zuvor mal eben Champions oder Europa League als neues Saisonziel ausgerufen hatte, sich den Laserzauber nach dem ernüchternden 0:3 seiner Rasenballer noch angetan hat oder lieber erst mal ein wenig Taurin nachgelegt hat, ist nicht überliefert. Die gesamte Spielfläche hatte der „Weihnachtsmeister“ nach getaner Tat als Projektionsfläche genutzt, um dem Emporkömmling aus dem Osten auch in Sachen Entertainment zu zeigen, wo der dreidimensionale Hammer hängt. Der Knabenchor war allerdings echt.
Das Imperium schlägt zurück, Machtdemonstration, Wiederherstellung der alten Herrschaftsordnung, Herr im Haus, Demonstration der Klasse: So oder ähnlich klangen die Sprüche nach der schon frühzeitig feststehenden Abwehr des Umsturzversuchs aus dem Hause Red Bull. Sinnbildlich für den Biss der Gastgeber steht eine Szene zu Beginn der zweiten Hälfte. Leipzigs Reservespieler wollten sich vor der Südkurve warmlaufen, doch dort schlug ihnen dermaßen verbaler Gegenwind aus dem Fanblock entgegen, dass sie flugs wieder das Feld räumten und beim vierten Offiziellen nachfragten, ob sie sich auch vor der deutlich ruhigeren Nordkurve aufwärmen dürfen. Sie durften.
Dem RB ging die Luft aus
Dass das Gipfeltreffen auch ganz anders hätte ausgehen können, wäre Youssuf Poulsen in Minute vier nicht an der scharfen Hereingabe des blitzschnellen Timo Werner vorbeigerutscht, war bald nicht mehr von Belang. Zu deutlich war die Überlegenheit der Bayern, zu dilettantisch die Defensive der Leipziger. „Mit drei solchen Aussetzern kannst du nichts holen“, meinte Sportdirektor Ralf Rangnick zu den individuellen „Böcken“ von Keita vor dem 0:2, von Emil Forsberg bei dessen Roter Karte und von Torwart Peter Gulacsi beim Foulelfmeter, der zum 0:3 führte.
Erschwerend kam hinzu, dass dem Herausforderer nach 16 Vorrunden-Partien im Fast-Forward-Modus ausgerechnet zum Liga-Gipfel die Luft ausging, wie Trainer Ralph Hasenhüttl zugeben musste: Körperlich und mental seien einige Spieler „ein bisschen auf der letzten Rille“ unterwegs. Eine Mitschuld am Untergang (Hasenhüttl: Das war eine Lehrstunde für uns“) räumte er ehrlicherweise ein, weil er einen nicht fitten Akteur wie Naby Keita aufgestellt hatte: „Den Schuh ziehe ich mir auch ein bisschen selber an. Der eine oder andere Spieler war sicherlich nicht in der Lage, Topleistung zu bringen“, so Hasenhüttl.
Aber es lag ja nicht nur am Aufsteiger, dass die Partie so einseitig verlief. 24:5 Schüsse Richtung Tor, 11:2 Schüsse aufs Tor, 76 Prozent Ballbesitz für die Bayern: Werte, die eine deutliche Sprache sprechen – und die Aufstellung von Bayern-Coach Carlo Ancelotti (ohne Franck Ribéry, ohne Thomas Müller) rechtfertigten. Die Oldies waren diesmal die Goldies: Xabi Alonso, Philipp Lahm und Arjen Robben, allesamt zur Ü30-Fraktion gehörend, gehörten mit dem endlich mal wieder bestens aufgelegten Thiago zu den bestimmenden Akteuren. Dreimal wechselte Ancelotti, doch Müller blieb sitzen, musste mitansehen, wie sein Alter Ego Thiago auch noch ein typisches Müller-Abstauber-Tor zum 1:0 ins Netz bugsierte. Alles richtig gemacht, Mister Ancelotti! Der brummelte hinterher nur knapp „Wir mussten uns verbessern, wir haben uns verbessert“, sprach immerhin noch von „fast perfekten ersten 30 Minuten“ und meinte: „Dieses Spiel gibt uns Selbstvertrauen.“
Gutes Timing der „Schickeria“
Es dürfte auch ihm selbst Selbstvertrauen geben, da es doch so einige Mäkeleien an seiner Taktik gegeben hatte, auch aus dem Mannschaftskreis. Nun schlug der Weitgereiste schlau zurück und entzauberte so die hochgelobten Vollgas-Leipziger. „Die Bayern haben mit unseren Waffen geglänzt“, befand Rangnick treffend. Das extreme Pressing der Bullen ließen die Bayern mit extrem guter Technik und Passfolge ins Leere laufen.
Zusammengefasst: ein Abend, wie ihn sich etwa ein Bayern-Fan wie Uli Hoeneß kaum schöner hätte malen können. Wären da bloß nicht diese Plakate in der Südkurve gewesen. Gutes Timing zeigten die Fan-Clubs „Schickeria“ und „Club 12“: Sie entrollten ihre Spruchbänder Anfang der zweiten Halbzeit, als es auf dem Feld eher besinnlich zuging und mal Zeit zum Lesen war. Zu Bildern von Hoeneß und Beckenbauern stand da Rot auf Weiß: „Steigbügelhalter RBs. Unsere Gründungsväter drehen sich im Grab um.“ Oder: „Ohne mein Mitwirken hätte Mateschitz das Projekt wohl fallen gelassen – der Tote liegt nicht mehr im Sarg.“ Die gesamten 90 Minuten prangte direkt hinter dem Tor in riesigen Lettern der Schriftzug: „Gegen den modernen Fußball“. Zustimmung für Hoeneß sieht anders aus. Sagen wollte er den Reportern dazu lieber nichts, flötete vielmehr „Schöne Weihnachten“ und entschwand in die gar nicht mal so stille Nacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?