FC Barcelona demütigt Madrid mit 6:2: Die wahrhaft Galaktischen
Real Madrid hatte sich Titelchancen ausgerechnet. Doch dann ließen sich die Königlichen zuhause vom FC Barcelona auseinandernehmen. Eine schwindelerregende Demütigung.
Die wahrhaft Galaktischen
AUS MADRID
In einem Anfall von Größenwahn hatte die Stadtverwaltung in Absprache mit dem Verein den Kybele-Brunnen mit Absperrungen geschützt, den Ort, an dem die Anhänger von Real Madrid die Titel feiern. Zwar hätte der Klub selbst bei einem Kantersieg noch einen Punkt Rückstand auf Spitzenreiter Barcelona gehabt, aber zum Partymachen lassen sich Madrilenen nicht lange bitten. Spieler Marcelo hatte die Titelchancen Reals vor dem Klassiker tollkühn auf 80 Prozent hochgerechnet. Nach der eigenen Erfolgsserie und zwei Unentschieden Barcelonas wurden sie in der Hauptstadt zunehmend zuversichtlich. Die Katalanen - so der Tenor - würden die Hosen voll haben vor der Reise ins Feindesland. Und dann das.
6:2 (3:1) triumphierte der FC Barcelona am Samstag in Madrid; schon richtig gelesen: 6:2! Barça, damit so gut wie Meister, war gegen den ewigen Rivalen so überlegen wie nie zuvor, machte die Weißen lächerlich, ähnlich wie neulich die Münchner Bayern, aber das war im Camp Nou gewesen und nicht im Bernabeu-Stadion, dem vermeintlich schwierigsten Pflaster.
Der Sieg in dieser Höhe hat in Spanien sporthistorische Tragweite. Noch nie hat Barcelona sechs Tore bei Real erzielt, 1974 schafften sie mit Johan Cruyff mal fünf. Und seit Atlético Madrid vor gut einem halben Jahrhundert war überhaupt keinem Gast ein halbes Dutzend Treffer im Bernabeu-Stadion geglückt. Es ist die nationale Apotheose dieses wunderbaren Barças, das sich mehr noch als Europameister Spanien dem Kombinations-, Kurzpass-, und Angriffsfußball verschrieben hat, vorgetragen von vielen Absolventen der eigenen Fußballschule.
"Selten haben wir eine Partie so genossen", sagte der eleganteste davon, Regisseur Xavi, und der kämpferischste, Kapitän Puyol, meinte: "Das war das Spiel, das wir brauchten, um eine spektakuläre Saison zu krönen." Er selbst trug wie der zweite Innenverteidiger Piqué einen Treffer bei, je zweimal waren die üblichen Verdächtigen Messi und Henry erfolgreich, während Higuain und Ramos für Madrid markierten. Die Augen von Pep Guardiola funkelten, der Coach beschrieb diesen Tag als "einen der schönsten meines Lebens". Alle, auch die Madrilenen, waren sich einig, dass die Liga damit entschieden ist. Vier Runden vor Schluss haben die Katalanen sieben Punkte Vorsprung. Selbst der sonst so vorsichtige Guardiola weiß: "Wir haben einen enormen und grandiosen Schritt in Richtung Titel getan."
Von den 76.000 Real-Fans verließen viele das Stadion bereits nach dem fünften Gegentor, schweigend, benommen. Schmerzhaft bloßgestellt wurde ihre Mannschaft, die zuletzt durch Kampfkraft geglänzt hatte, der aber ein fußballerisches Fundament fehlt. Trainer Juande Ramos räumte ein, dass "die beiden Niederlagen gegen Liverpool und die beiden gegen Barcelona unser momentanes Niveau widerspiegeln: Die Großen Europas haben uns abgehängt."
Ramos wird wohl seinen Hut nehmen müssen, sein Name bleibt auf ewig durch dieses Fiasko beschmutzt. Vorgänger Bernd Schuster hatte schon vor dem 0:2 im Camp Nou seine Entlassung erwirkt, mit Worten, die sich als richtig erwiesen: "Es ist für uns derzeit unmöglich, gegen dieses Barça zu gewinnen." Als Zweiter sicher in der Champions League, will Real "den Fans jetzt noch zeigen, dass wir besser spielen können", wie Christoph Metzelder verspricht, der wie die Kollegen gegen Messi und Co. unterging.
In sechs Wochen wählen Reals Mitglieder den neuen Präsidenten. Der Bauunternehmer Florentino Perez, einst Architekt des sogenannten galaktischen Reals mit den Weltstars Zidane, Figo und Ronaldo, wird wie ein Übervater zurückerwartet. Mit Sportdirektor Valdano und Berater Zidane will er den Klub zu alter Grandezza führen, die Namen Cristiano Ronaldo und Kaká stehen auf dem Einkaufszettel. Erst mal aber wird die Göttin Kybele viele Nächte unbelästigt schlafen können.
Gefeiert wurde bis zum Morgen am Canaletas-Brunnen in Barcelona. Barças Helden reisen jetzt zum Halbfinalrückspiel der Champions League zu Chelsea, das dem Camp Nou mit einem ermauerten 0:0 entfliehen konnte. Guardiola sagt: "Wir werden angreifen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“