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Extremwetter und KlimakriseKöln wird so wie heute San Marino

Starkregen, Fluten, Dürre, Hitze – all das macht die Klimakrise wahrscheinlicher. Um sich daran anpassen zu können, wäre Klimaschutz umso wichtiger.

Wenn die Luft wärmer ist, kann sie mehr Feuchtigkeit aufnehmen – und sich irgendwann heftig abregnen, wie hier in Spanien Foto: Eva Manez/rtr

Berlin taz | HQ100 – so heißt ein Jahrhunderthochwasser in der Ingenieursprache. Der Wert ist deshalb wichtig, weil er die Berechnungsgrundlage für alle Hochwasser-Schutzanlagen und -Vor­keh­rungen ist. Praktisch ist HQ100 jener Pegelstand eines Bachs oder Flusses, den er statistisch gesehen einmal in 100 Jahren erreichen wird – zumindest war das vor dem Klimawandel so.

Dessen Grundlage ist Physik, zum Beispiel die Gleichung von Claudius-Clapeyron: Die besagt, dass wärmere Luft mehr Wasser speichern kann. Und mehr Wasser führt zu heftigeren Niederschlägen. Verglichen mit der vorindustriellen Zeit ist es in Mitteleuropa 1,8 Grad wärmer geworden, entsprechend häufiger werden HQ100. In diesem Jahr erlebte die Bodenseegemeinde Meckenbeuren solch ein Jahrhunderthochwasser. HQ100 trat auch am Flüsschen Paar im bayerischen Reichertshofen auf, im Landkreis Günzburg, im Rems-Murr-Kreis, Baden-Württemberg. Das Jahrhunderthochwasser wird häufiger durch den Klimawandel.

Extremniederschläge sind nur die eine Auswirkung, gleichzeitig wird es heißer und trockener. Das wird besonders für die Städte zur Herausforderung. Sonnenbeschienene Fassaden heizen sich schon an heutigen Sommertagen locker auf 40 Grad Celsius auf, Asphalt auf 45 Grad, Dächer etwa mit Teerpappe sogar auf mehr als 60. Die Zahl der Hitzetoten wird auch 2024 in Deutschland wieder deutlich die der Verkehrstoten übertreffen.

Und die Entwicklung wird sich beschleunigen. Berlin wird in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ein Klima bekommen wie heute im südfranzösischen Toulouse. Köln wird so werden wie heute San Marino, Wiesbaden wie heute Lugano. München bekommt ein Klima wie Mailand, Helsinki wie derzeit Wien, Madrid wie derzeit Marrakesch in Nordafrika.

Klimaanpassung mit Bäumen

Damit wird sich das Leben in den Städten gründlich ändern müssen: Anpassung ist neuerdings in aller Munde. Zum Beispiel bei den Stadtbäumen. Klassiker wie Ahorn oder Winterlinde haben an vielen Standorten keine Zukunft. Weil Stadtbäume lokal aber bis zu 10 Grad runterkühlen können, experimentieren Kommunen zum Beispiel mit nordafrikanischen Zürgelbäumen, mit japanischen Zelkovien oder mongolischen Linden.

Fragt sich: Woran will sich die Menschheit anpassen? Die Treibhausgaskonzentrationen steigen ungebremst auf immer neue Höchststände an, das Klima verändert sich weiter. „Damit bleibt Klimaschutz eine Rechnung mit einigen Unbekannten“, sagt Uwe Kirsche, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes. „Sicher ist aber: Ohne wirksamen Klimaschutz verstärken sich die Gefahren und das Anpassen wird immer schwieriger.“ Deshalb zähle jedes durch Klimaschutz vermiedene Zehntelgrad.

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