piwik no script img

Extreme Temperaturen in DeutschlandSport trotz Hitzewelle

Die Gefahr von Temperaturen weit über 30 Grad werden immer noch unterschätzt, warnen Experten. In Sportvereinen beginnt gerade ein Umdenken.

Gegen Hitze auf dem Jugendfußball-Spielefest hilft ein Wasserkübel Foto: Funke Foto/imago

Berlin taz | Angesichts der hohen Temperaturen, die im Laufe der Woche erwartet werden, fordern Ex­per­t:in­nen mehr Schutz vor Hitze. Nötig sei ein Bewusstseinswandel. „Hitze kann lebensgefährlich sein“, sagt Martin Herrmann, Vorstandsvorsitzender des Vereins Klug, der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, „nicht nur für kleine Kinder, Kranke und Hochbetagte“.

Hitze sei heute viel gefährlicher als Feuer, so Herrmann, „wir bräuchten also Hitzewehren, gut ausgestattet mit Geld und Personal“. Sie müssten zum Beispiel allein lebende Senior:innen, Pflegebedürftige, psychisch Kranke oder Menschen mit Beeinträchtigungen aufsuchen, um sicherzustellen, dass sie Zugang zu kühlen Räumen oder ausreichend Flüssigkeit hätten. „Wir müssen gezielt aufklären und vor allem Multiplikatoren erreichen“, sagt er.

Ein Beispiel dafür ist der Sport. Training oder Wettkämpfe während einer Hitzewelle könnten für jeden sehr gefährlich werden, warnt Herrmann. „Immer wieder höre ich von Kindern, die nach einem Fußballturnier an heißen Wochenenden abends mit Kopfschmerzen und Bauchschmerzen nach Hause kommen, die sich erbrechen müssen“, sagt er, „das sind die typischen Kennzeichen für einen Sonnenstich.“ Pro heißem Sommer gebe es inzwischen im Schnitt 10.000 hitzebedingte Todesfälle in Deutschland. „Natürlich war es früher auch mal heiß, aber diese Zahlen sind neu, wir müssen darauf reagieren“, sagt Herrmann.

Soll heißen: Wenn, wie dieser Tage, Temperaturen deutlich über 30 Grad drohen, gilt es, Sportfeste anders zu planen, also zum Beispiel keinen Alkohol auszuschenken, denn der verstärkt hitzebedingte Kreislaufprobleme und Dehydrierung. Stattdessen: genügend Wasser für alle. Für Schatten sorgen, die Schieds­rich­te­r:in­nen und Trai­ne­r:in­nen sensibilisieren, damit sie erkennen, wenn es Spie­le­r:in­nen und Ath­le­t:in­nen nicht gut geht.

Außerdem sollten sich die Vereine Gedanken vor der Saison darüber machen, ab wann sie einen Wettkampf oder auch ein Training abbrechen. Eine feste Gradzahl lässt sich laut Herrmann dafür nicht nennen. „Auf Kunstrasen ist es gefährlicher als auf Naturrasen“, sagt der Mediziner, „wenn es feucht oder windig ist, ist es weniger gefährlich als bei Windstille“.

Derzeit nur Empfehlungen

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat im vergangenen Jahr auf die Hitzewellen reagiert und einen „Musterhitzeschutzplan“ entwickelt. Die Empfehlungen des 14-seitigen Schutzplanes, der zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium, Klug und den Universitäten Heidelberg und Mannheim erarbeitet wurde, reichen von baulichen Maßnahmen an den Sportstätten – Jalousien, schattige Plätze zum Ausruhen, Vernebelungsanlagen, Wasserspender – über Organisatorisches wie die Benennung eines „Hitzeschutzbeauftragten“ bis hin zu Überlegungen zum Wettkampf­betrieb. Vereine könnten etwa auf hitze- und akklimatisationsgerechte Anreise- und Veranstaltungsplanung achten – die es den Ath­le­t:in­nen also ermöglicht, sich an die Temperaturen anzupassen.

Die Empfehlungen sind freiwillig. „Was die Vereine damit machen, wird ganz unterschiedlich sein“, sagt ein DOSB-Sprecher, „die Mehrheit ist wohl noch nicht so weit, wegen Hitze ein Training oder gar ein Spiel abzusagen“. Doch um das Thema Hitzeschutz kämen die Vereine nicht mehr herum.

Schon heute würden extreme Wettkämpfe wie Marathonläufe oder Triathlons morgens um sieben gestartet, damit die Ath­le­t:in­nen nicht in die Mittagshitze liefen. Bei Fußballspielen würden bisweilen nach 20 Minuten Wasser- und Schattenpausen eingelegt. „Der Profisport hat eine Vorbildfunktion“, heißt es aus dem DOSB.

Hitzeschutzpläne gefordert

Allerdings sei es dort zum Teil auch einfacher, etwa Trainingszeiten hitzebedingt anzupassen. „Wenn ein Verein im Breitensport oder Nachwuchs zu einer bestimmten Zeit einen Trainingsslot in der Halle oder auf einem Platz hat, dann kann er den nutzen, oder er ist weg“, sagt der Sprecher.

Wichtig sei, sich nicht auf das vorzubereiten, was wir bisher hatten, sondern auf das, was kommen kann, sagt der Arzt Herrmann von Klug. So arbeitet etwa der Deutsche Wetterdienst (DWD) an einer neuen Hitzewarnstufe. „In Zeiten des Klimawandels müssen wir uns darauf einstellen, dass Hitzewellen in Zukunft noch häufiger, länger und heißer werden“, sagt Stefan Muthers, beim DWD verantwortlich für das Thema.

Extrem lang anhaltende Hitzewellen oder Situationen mit sehr hohen thermischen Belastungen seien im aktuellen Warn­system nur unzureichend berücksichtigt. „Deswegen beschäftigen wird uns aktuell mit der Entwicklung von Warnkriterien für eine dritte Hitzewarnstufe“.

Perspektivisch fordert Gesundheitsexperte Herrmann eine Verpflichtung für Kommunen und Einrichtungen wie Schulen, Hitzeschutzpläne zu erstellen, mit wenigen, aber durchsetzbaren Vorschriften, ähnlich wie den Hygienevorschriften.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Danke. Ja in der Mittagshitze im Sommer ohne Kopfschutz draußen zu "sporteln" ja auch nur von 12-14 Uhr 2 Stunden Rad zu fahren ohne Kopfbedeckung ist gesundheitlich bedenklich.

    Mich wundert immer wieder, wie langsam die Gesellschaft wahrnimmt, dass wir bereits mitten im Klimawandel sind.

    Und natürlich massivst umsteuern müssten, besonders beim CO2- und Methan- (Rinderhaltung!) Ausstoß.

    Kinder und Jugendliche sollten draußen Schulsport im Juni und Juli nur bis spätestens 11 Uhr (Sommerzeit) machen dürfen, egal ob es nun 14 oder 24 Grad sind.

    Die UV-Strahlung ist, gerade im Süden Deutschlands um die Mittagszeit rum im Juni und Juli, extrem hoch .

    Selbstredend sollte sogenannter Motor-"Sport" mit Verbrennungsmotoren endgültig verboten werden.

  • Tja, mit den aktuellen Regierungen in Bund und Ländern wird das alles nichts.

  • "Bei Fußballspielen würden bisweilen nach 20 Minuten Wasser- und Schattenpausen eingelegt. „Der Profisport hat eine Vorbildfunktion“, heißt es aus dem DOSB."



    Turniere mit Spielen High Noon in USA, WM Katar und Saudi Arabien, was ist da vorbildlich?



    Nicht außer acht zu lassen: Ozon.



    "Wer ist besonders gefährdet?



    Kinder, ältere Menschen und Asthmatiker sind besonders empfindlich, was Hitze und hohe Ozonwerte angeht. Wenn es geht, sollten sie sich möglichst nicht im Freien aufhalten und körperliche Anstrengungen vermeiden.



    Wie sind die aktuellen Ozonwerte einzuordnen?



    Generell sind die Ozonwerte für die aktuelle Jahreszeit außergewöhnlich hoch. Und zwar nicht nur in NRW, sondern europaweit. Darauf weist das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus hin. Die bodennahe Konzentration von Ozon habe im Juni fast in allen europäischen Ländern – außer der skandinavischen Halbinsel – zuletzt signifikant zugenommen."



    www1.wdr.de



    Symptome:



    "Die Schleimhautirritationen äussern sich in Augentränen, Nasen- und Rachenbeschwerden oder Husten und Atemproblemen. Ein häufiges Begleitsymptom sind Kopfschmerzen."



    schweizer-illustrierte.ch



    Das wird vielen bekannt vorkommen.



    Schlechtere Lungenfunktion möglich!

  • nur mal z.b.:



    kopfbedeckung - wird oft auch beim sport "vergessen" wenn es heiß ist...



    "Einen Sonnenstich bekommt man oft schneller als gedacht. Ein Hitzschlag kann sogar lebensbedrohlich werden“, warnt DRK-Bundesarzt Prof. Bernd Böttiger.W



    www.drk.de/hilfe-i...-hilfe/hitzschlag/



    hier auch genauere tipps zur vermeidung + behandlung von sonnenstich + hitzschlag.

    alle hinken hinterher - obwohl die klimakatastrophe schon lange bekannt ist, aber verniedlichend klimawandel, -krise genannt wurde + wird.

    sozial schwache, obdachlose, kinder, seniorInnen sind schwerst gefährdet.



    kinder sollten z.b. nicht in der sonne spielen bei großer hitze - erst recht nicht fußball kicken auf schattenlosen plätzen.

  • Es wird nicht mehr gemäht, dass fördert die allergien! Weitaus schlimmer als die Hitze.