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Explosion in Leverkusener ChemieparkKeine Hoffnung auf Überlebende

Nach der Explosion im Leverkusener Chemiepark glaubt die Betreiberfirma nicht, die fünf noch vermissten Menschen lebend zu finden. Die Ursache ist weiter unklar.

Polizei und Rettungskräfte im Chempark Leverkusen am Dienstag Foto: Oliver Berg/dpa

Leverkusen afp/dpa | Einen Tag nach der schweren Explosion im Leverkusener Chemiepark mit mindestens zwei Toten hat die Betreiberfirma keine Hoffnung mehr, die fünf noch vermissten Menschen lebend zu finden. „Wir gehen davon aus, dass wir sie nicht mehr lebend finden“, sagte Frank Hyldmar, Geschäftsführer von Currenta, am Mittwoch in Leverkusen. Unterdessen ging die Suche nach den Vermissten weiter. Die Unglücksursache blieb weiterhin unklar.

Vier der Vermissten seien Mitarbeiter von Currenta. Bei einem handele es sich um einen Mitarbeiter einer externen Firma. Auch einer der Toten sei bei einem externen Unternehmen angestellt gewesen. „Es lässt sich nicht in Worte fassen, was die Angehörigen durchmachen“, sagte Arbeitsdirektor Wolfgang Homey.

Auch der Leiter des Parks, Lars Friedrich, sprach in einem am Mittwoch auf Twitter veröffentlichten Video von „schwindender“ Hoffnung. Über Nacht seien Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen worden. Derzeit werde alles vorbereitet, damit die Ermittlungen zur Unglücksursache beginnen können.

Das nordrhein-westfälische Landesumweltamt (LANUV) geht von „Dioxin,- PCB- und Furanverbindungen“ aus, die über die Rauchwolke in umliegende Wohngebiete getragen wurden. Nach Informationen des Amtes hätten in den betroffenen Tanks unter anderem auch chlorierte Lösungsmittel gelagert, teilte ein Sprecher am Mittwoch mit.

Bis zu 900.000 Liter Lösungsmittel

„Daher gehen wir derzeit davon aus, dass über die Rauchwolke Dioxin,- PCB- und Furanverbindungen in die umliegenden Wohngebiete getragen wurden“, hieß es. In welcher Konzentration dies tatsächlich geschehen sei, werde aber aktuell noch untersucht. Die Untersuchungen seien recht aufwendig.

Wie hoch der Schaden für Currenta nach der Explosion ist, blieb unklar. Das Unternehmen sagte eine weitere Zusammenarbeit mit den Behörden zu. „Wir werden alles tun, um dieses schreckliche Ereignis aufzuklären“, sagte Hyldmar.

Mindestens zwei Mitarbeiter kamen am Dienstagvormittag bei der Explosion mit anschließendem Großbrand in Leverkusen ums Leben. 31 weitere wurden verletzt, davon einer schwer. Laut Werksleitung ereignete sich die Explosion im Tanklager der Sondermüllverbrennungsanlage des Chemieparks, in der Produktionsrückstände der dort ansässigen Firmen gesammelt und entsorgt werden. Drei Tanks mit organischen Lösungsmitteln gerieten in Brand. Darin befanden sich nach ersten Schätzungen der Betreiber 600.000 bis 900.000 Liter Lösungsmittel.

Wegen des Unglücks wurden mehrere Autobahnen in der Umgebung des Chemieparks zeitweise gesperrt, wegen der Rauchwolke wurden Warnungen an die Bevölkerung herausgegeben. Bürger waren aufgerufen, Wohnungen und Häuser nicht zu verlassen sowie das betroffene Gebiet zu meiden.

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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Chlororganische Lösemittel werden bei einem Brand nicht 100%ig zu CO2, H2O und HCl verbrannt, sondern es entstehen Zwischenprodukte. Das könnte Dioxin sein, sicherlich aber das einfache Molekül Phosgen, das im 1. Weltkrieg als Giftgas eingesetzt wurde. Das ist die größte Sorge der Feuerwehr bei solchen Störfallbetrieben. Und die unmittelbare Gefahr für Anwohner.



    Die weitergehende Frage ist, wie sich der Tankinhalt entzünden konnte. Schließlich wird ein Arbeiter nicht mit brennender Kippe den Deckel öffnen. Ich vermute, dass unter den Lösemittelabfällen auch Äther waren, die bei längerer Lagerzeit ohne Vorkehrung Peroxide bilden. Dann kann sich der Tankinhalt selbst entzünden, und zwar explosionsartig.

  • Ich fasse es immer noch nicht.



    Wie kann es sein, WIE KANN ES SEIN, dass solche Stoffe gelagert werden, wo ringsum Häuser stehen??



    Wer traut sich eigentlich noch, über die Hafenaufsicht in Beirut zu lästern?



    Es hätte schlichtweg keine gute Windrichtung geben können. Und außerdem noch fließt rundherum die Dhünn in die Wupper in den Rhein.

    Wenn so ein Lager an dieser Stelle überhaupt je genehmigt werden konnte, muss JETZT der Moment sein, da die Genehmigung zur Weiternutzung erlischt, der Abbau hat unverzüglich eingeleitet zu werden.



    Renaturierung wird nicht möglich sein, aber zumindest Gefahrenreduktion.

    Meine Freundin wohnt in Leverkusen. In den Nachbarhäusern laufen noch die Trocknungslüfter nach der Überschwemmung der Keller (ja, auch dort!), betrieben per Generator durchs gekippte Fenster. Und nun? Schimmel oder Dioxin? Klar, Schimmel. Alles ist relativ.

    Und wenn man die Firma Currenta nach dem entstandenen Schaden fragt: bitte die Frage konkretisieren.



    Wie hoch schätzen sie die Entschädigungssummen an die Opfer und den entstandenen Imageverlust & zugehörigen Wertverlust der Firma ein?



    Hat es sich gelohnt? Nein? --> Auf zum Abbau.



    Ja? --> Crush the system!!!

    Es macht einen fassungslos, aber überraschend ist es wiederum nicht.

  • > "Das nordrhein-westfälische Landesumweltamt (LANUV) geht von „Dioxin,- PCB- und Furanverbindungen“ aus, die über die Rauchwolke in umliegende Wohngebiete getragen wurden."

    .

    Nicht jedem der Jüngeren ist der Name Seveso ein Begriff. Dort gab es 1976 ein schweres Chemieunglück. Um zu verstehen, warum ein Austritt von aus Chlororganischen Verbindungen gebildeten Dioxinen so gefährlich ist, vielleicht hier mal nachlesen:

    de.wikipedia.org/w...Sevesoungl%C3%BCck