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Experte zu Dieselfahrverbot auf der A40„Die Bundesregierung tut nichts“

Erstmals hat ein Gericht ein Fahrverbot für Diesel auf einer Autobahn verordnet. Wird die Luft nun besser? Vielleicht ein bisschen, sagt Michael Müller-­Görnert.

Teilstück der A40: frei von Dieselfahrzeugen. Das hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Donnerstag entschieden Foto: dpa
Interview von Roland Schaeffer

taz: Das Verwaltungsgericht hat die Stadt Essen verpflichtet, ein Autobahnteilstück und mehrere Straßen für emissionsintensive Fahrzeuge zu sperren. Wenn das Urteil in der nächsten Instanz Bestand haben sollte – wird dann die Luft in Essen besser?

Michael Müller-Görnert: Vielleicht ein bisschen. Eine vernünftige Lösung wäre es gewesen, rechtzeitig die Diesel-Pkw nachzurüsten. Aber da haben die verschiedenen Bundesverkehrsminister über Jahre geblockt. Jetzt verpflichten die Gerichte die Städte zum Handeln, und es gibt tatsächlich keine andere Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass die Luft schnell besser wird.

Jetzt sind die Kommunen die Dummen. Wäre es nicht Sache der Bundesregierung, Verkehrsemissionen begrenzen?

Die heute gültigen EU-Grenzwerte für Luftschadstoffe stehen seit beinahe 20 Jahren fest. Die Emissionen sind aber seitdem nicht wie prognostiziert zurückgegangen. Ein Grund ist der Betrug der Autohersteller. Der Stickoxidausstoß von Diesel-Pkw ist zum Beispiel beim Übergang von der Abgasnorm Euro 4 zu Euro 5 gestiegen anstatt zu sinken. Deshalb reißen noch immer 65 Städte den gültigen Grenzwert und ein EU-Vertragsverletzungsverfahren droht. Die Bundesregierung versucht alles, um Fahrverbote zu vermeiden, aber nichts, um die Luft sauber zu machen.

Was können die Städte überhaupt tun?

Sie müssen massiv in die Alternativen zum Auto investieren, also den Öffentlichen Verkehr und das Fahrrad. Die überwiegende Anzahl der Wege ist kürzer ist als fünf Kilometer, die kann man wunderbar anders zurücklegen.

Im Interview: Michael Müller-­Görnert

Michael Müller-­Görnert ist Referent für Verkehrspolitik, Klimaschutz und Luftreinhaltung im Verkehr beim Verkehrsclub Deutschland.

In Essen geht es um eine Autobahn. Was hat eine Stadt da für Möglichkeiten?

Da hätte man natürlich viel früher beginnen müssen, um zum Beispiel auf der Schiene die Verbindungen und die Taktfrequenzen zu verbessern. Es geht schließlich um die Gesundheit der Menschen, nicht darum, die Autos verbieten zu wollen.

Sollten die Städte auch ihre eigenen Fahrzeugflotten sanieren?

Ja, das wäre sicher sinnvoll, aber allein reicht es nicht. Sie tragen zur Stickoxidbelastung weniger als 10 Prozent bei. In Berlin zum Beispiel stammen drei Viertel der Stickoxidbelastungen aus privaten Diesel-Pkws.

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2 Kommentare

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  • Irgendwie werden da Dinge verknüpft, die nur zum Teil zusammenhängen. Erstens haben nicht alle Hersteller bei allen Modellen betrogen. Und zweitens sollte man nicht so tun als wären die Werte überall erreicht worden, wenn die neuesten Fahrzeuge im Realbetrieb jene Emissionen abgeben würden, die man (erschummelt) im Labor noch aufzeigte. Das Hauptproblem ist die Zunahme von immer mehr Fahrzeugen mit immer mehr Leistung. 1995 hatten ein Neuwagen im Schnitt 95 PS, 2005 waren es schon 123 und 2016 erzielte man einen Durchschnitt von 148 PS. Man sollte da lieber schauen, wie man insgesamt die Zahl der Pkw (und Lkw) reduziert bekommt. Mit etwas Softwareoptimierung ist da nichts erreicht, zumal Stickoxide nicht das einzige Problem sind, die der MIV in diesem Ausmaße heutzutage erzeugt.

    • @Verkehrsfritze:

      Jain,



      Betrogen hat soweit ich es sehe nur VW: Prüfstand erkennen und Reinigung abschalten. Alle anderen nutzen Gesetzeslücken, die mehr oder weniger Wort für Wort von der Autolobby geschrieben wurden. Ob abschalten zum "Motorschutz" quasi ganzjährig dem Gesetz entspricht kann nur ein Gesetz entscheiden. Klagen müsste wohl der Bund.

      Zu den Autos: Reinigungstechnik abseits der mehr oder weniger wirkungslosen SW kostet ab Werk wenige Euro. Autos wurden immer schwerer: nicht nur wegen Sicherheit sondern auch wegen Dämmung, Sonderausstattung,...

      auch werden die Fahrzeuge immer größer. in den 90igern überbot man sich noch mit dem CW Wert, heute werden Kühlergrille immer monströser: doppelt so schnell fahren bedeutet nicht nur quadratischer Energieanstieg, sondern der Windwiderstand steigt mit der Geschw. kubisch!.



      Leichtere kleinere Fahrzeuge specken übrigens doppelt ab, da mit weniger Masse auch der Metallkäfig von wegen Sicherheit leichter werden kann. Mit schwächeren Motoren können auch Achsen, etc... abspecken.

      Man könnte schon wenn man wollte