Exklusive Nachrichten über Gabriel: Geschickt eingefädelt und verbockt
Es hätte so schön werden können mit den Gabriel-Scoops von „Stern“ und „Zeit“. Wie gesagt: hätte. Doch dann lief alles anders als geplant.
Absprachen zwischen PolitikerInnen und ReporterInnen darüber, welche Informationen wann an die Öffentlichkeit gelangen, sind im Hauptstadtjournalismus üblich. Das kann man intransparent finden, gehört aber zum Geschäft: JournalistInnen wollen etwas herausfinden – möglichst neu, möglichst brisant –, PolitikerInnen wollen etwas Bestimmtes kommunizieren.
Wie weit man sich entgegenkommt, wird ausgehandelt. Die Medien halten sich daran, weil sie befürchten, das nächste Mal nicht mehr informiert zu werden. Manchmal geht das Ganze aber auch in die Hose.
Am Dienstagnachmittag machte die Meldung die Runde, dass Sigmar Gabriel nicht nur auf die Kanzlerkandidatur verzichten, sondern auch von seinem Posten als SPD-Chef zurücktreten würde – eigentlich viel zu früh, denn mit einer Stellungnahme Gabriels hatten die meisten Medienhäuser erst am Wochenende gerechnet.
Schon im Vorfeld hatten allerdings zwei Nachrichtenmedien, Stern und Zeit, vom Noch-SPD-Chef die Info über seinen Rückzug erhalten – mit der Auflage, sie bis zum Dienstagabend zurückzuhalten, da sich um 19 Uhr in Berlin die SPD-Spitze treffen sollte. Laut Zeit-Politikchef Bernd Ulrich war abgesprochen, vor 20 Uhr nicht zu berichten: Wer hört Neuigkeiten schon gerne aus der Presse, bevor er sie vom Chef gehört hat.
So ein Durcheinander
Das ging schief. Der Branchendienst Meedia vermeldete schon um kurz vor 15 Uhr die Neuigkeit und bezog sich auf die Titelgeschichte des Stern. Wenig später setzte dann auch die Zeit nach. Die Nachricht war damit aus zweiter Quelle bestätigt und in der Welt.
Hat der Stern unsauber gespielt? Stern-Chefredakteur Christian Krug sagt auf Anfrage der taz: „Wir hatten mit Sigmar Gabriel eine Sperrfrist für die Vorabmeldung zu unserem Gespräch mit ihm vereinbart, bis er seine Gremien informiert hat.“ Dieser Zeitplan sei durch die Meedia-Meldung „gehörig durcheinandergewirbelt“ worden. Nachdem die Zeit die Info bestätigt hatte, habe dann auch Sigmar Gabriel die Sperrfrist aufgehoben.
Meedia-Chefredakteur Georg Altrogge bestätigt, dass es keine Absprache mit dem Stern gegeben hat. Das Stern-Cover sei der Meedia-Redaktion aus „Grossistenkreisen“, also aus dem Bereich der Pressegroßhändler, zugespielt worden. Die aktuelle Stern-Ausgabe sei beim Ausliefern sogar besonders gut vor neugierigen Augen geschützt gewesen.
Altbackener Journalismus
Der Stern hat hier also wohl nicht versucht, die Zeit auszustechen. Die Panne besteht eher darin, dass man das Heft zu früh ausgeliefert hat. Chefredakteur Christian Krug hätte, ebenso wie der Zeit-Kollege Ulrich, durch eine verfrühte Meldung sein Vertrauensverhältnis zu Sigmar Gabriel aufs Spiel gesetzt. So und so: Der säuberlich orchestrierte Coup ging in die Hose.
Wichtiger ist die Frage, was die ganze Geheimniskrämerei eigentlich soll. Ist es angesichts von Onlinejournalismus noch zeitgemäß, verbergen zu wollen, was in gedruckten Magazinen und Zeitungen steht? Müssen Printmedien in Zukunft in Hochsicherheitstransportern ausgeliefert werden? Warum stellt man eine Information nicht dann online, wenn man sie hat? Sigmar Gabriel und die Journalisten von Zeit und Stern scheinen hier einer etwas altmodischen Vorstellung von Journalismus erlegen zu sein.
Was hängen bleibt, ist: Im politischen Journalismus geht es, ebenso wie in der Politik selbst, um Zeitpläne, um eine Dramaturgie von Berichterstattung. Das riecht nach PR – und das ist fatal in Zeiten, in denen JournalistInnen immer öfter Staatsnähe vorgeworfen wird.
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