Ex-Sicherheitschef in China verhaftet: Der Fall des alten Obermotz
Der einst mächtige Sicherheitschef Zhou Yongkang wurde verhaftet. Es geht um Geld, Sex und Staatsverrat, aber auch um innere Machtkämpfe.
BEIJING taz | Als oberster Sicherheitschef war er einst der am meisten gefürchtete Mann Chinas. Nun sitzt er selbst hinter Gittern. Wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua in der Nacht zu Samstag berichtet, hat die regierende Kommunistische Partei den bis vor zwei Jahren noch höchst einflussreichen Spitzenpolitiker Zhou Yongkang ausgeschlossen und festnehmen lassen. Dem 72-Jährigen wird nicht nur vorgeworfen, dass er und seine Familie über Jahrzehnte hinweg große Mengen an Geld angenommen hat. Er soll auch Partei- und Staatsgeheimnisse verraten haben.
Zhou habe seine Macht missbraucht, „um Verwandten, Geliebten und Freunden zu großen Profiten zu verhelfen“, zitiert Xinhua aus einer Erklärung der Parteispitze. Sein Verhalten habe ganz erheblich dem Ruf der Kommunistischen Partei geschadet. Vor allem der Vorwurf des Staats- und Parteiverrats wiegt schwer. Darauf droht in der Volksrepublik die Todesstrafe.
Wie die chinesischen Staatsmedien berichten, fiel diese Entscheidung am Freitag bei einem Treffen des Politbüros, dem höchsten Führungsorgan der mächtigen Kommunistischen Partei und damit der Volksrepublik. Staatschef Xi Jinping höchstpersönlich hat damit diesen Beschluss mitgetragen.
Zhou Yongkang gehörte bis Ende 2012 selbst diesem Gremium an und war sogar Mitglied des Ständigen Ausschusses und oberster Sicherheitschef. Damit zählte er zu einer der mächtigsten Männer Chinas des vergangenen Jahrzehnts. In seiner Zeit als Minister der Öffentlichen Sicherheit baute er einen mächtigen Polizei- und Geheimdienstapparat auf, der größer ist als die Armee.
Kampf gegen Korruption
Selbst innerhalb der chinesischen Führungsspitze hatte er den Ruf als Hardliner. Zhou befürwortete eine harte Gangart gegenüber Kritikern und Oppositionellen. Auf ihn geht unter anderem das harte Urteil gegen den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo zurück.
Bereits im vergangenen Jahr hatten sich die Gerüchte erhärtet, dass die seit zwei Jahren amtierende Führung gegen Zhou ermittelt. Hongkonger Zeitungen hatten berichtet, dass er und sein Sohn sogar verhaftet seien. In den Folgemonaten wurden zahlreiche Spitzenbeamte und Parteisekretäre aus seinem Umfeld festgenommen und zum Teil auch schon Klage erhoben. Im vergangenen August gab es parteiintern die ersten sogenannten „Unterrichtungen“, der entscheidende Schritt, bevor die KP-Führung an die Öffentlichkeit tritt. Zhou ist das ranghöchste Ex-KP-Mitglied seit fast 40 Jahren, gegen das ermittelt wird.
Chinas Staatspräsident Xi hat sich seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren dem Kampf gegen die Korruption verschrieben und gleich zu Beginn seiner großangelegten Kampagne angekündigt, weder „Tiger noch Fliegen“ zu verschonen. Was er damit meint: Er werde auf allen Ebenen gegen Korruption, Vetternwirtschaft und Verschwendung von Staatsgeldern vorgehen. Tatsächlich ist die Führung chinesischen Staatsmedien zufolge bereits gegen mehr als 100.000 Beamten, Firmenchefs von Staatsunternehmen und Parteisekretären vorgegangen.
Zhou galt als Mentor von Bo Xilai
Anlässe, worauf sich die Vorwürfe gegen Zhou Yongkang beziehen, gibt es jede Menge. Zhou war in den neunziger Jahren Vize-Minister und zuständig für die Ölindustrie. Unter seiner Ägide wurden die Firmenchefs der staatlichen Erdöl-Unternehmen zu sehr reichen und einflussreichen „Baronen“. In dieser Branche war sehr viel Bestechung im Spiel.
Doch würde es bei den Ermittlungen lediglich um Zhous Machenschaften aus dieser Zeit gehen, müsste es auch viele andere Spitzenfunktionäre treffen. Wie die Anfang des Jahres von einem internationalen investigativen Journalistenteam veröffentlichen Offshore-Leak-Daten beweisen, haben sogar Familienangehörige des damaligen Premierministers Wen Jiabao und der Schwager von Xi Jinping selbst Geld auf Auslandskonten in der Karibik liegen. Sie bleiben aber bislang verschont. Das von im Ausland lebenden Chinesen betriebene Portal Boxun vermutet daher einen anderen Grund.
Zhou galt als Mentor von Bo Xilai, einem schillernden und sehr populärem Spitzenpolitiker, der bis zu seinem Sturz größter Widersacher von Xi Jinping war. Als Bo nach einer spektakulären Affäre seiner Frau um Sex, Mord an einem Ausländer und Staatsverrat im Frühjahr 2012 gestürzt wurde, stimmte Zhou als einziger im Politbüro gegen die Amtsenthebung. Es kursierten sogar Gerüchte, dass Zhou zusammen mit Bo einen Putsch geplant hätten.
Bo ist inzwischen zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Nun knöpft sich die Spitze um Xi offenbar auch Bos Mentor vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku