Ex-SPD-Politikerin über Quereinstieg: „Das Bedürfnis, wirksam zu sein“

Maja Lasić wurde als die nächste Bildungssenatorin gehandelt. Nun lehrt sie an einer Brennpunktschule im Berliner Wedding. Wie war der Umstieg?

Maja Lasić

Vom Abgeordnetenhaus auf den Schulhof: Maja Lasić an ihrer neuen Wirkungsstätte in Berlin-Wedding Foto: Sophie Kirchner

taz: Frau Lasić, eine Frage, die ich früher als Schülerin immer gehasst habe, wenn sie mir gestellt wurde, aber vielleicht freuen Sie sich ja als Lehrerin darüber: Wie war denn der Schultag?

Maja Lasić: (lacht) Oh, eigentlich ist gerade alles ganz wunderbar. Wir sind ja kurz vor den Sommerferien, kurz vor dem Notenschluss. Ich nutze die Notengespräche auch für das gemeinsame Reflektieren mit den Schülern, wo ihre Stärken sind und was eigentlich noch alles in ihnen steckt. Und so mancher Schüler ist überrascht, wenn das Abschlussgespräch sich eher drum dreht, wie wir im nächsten Jahr noch mehr gemeinsam schaffen können, und er versteht, dass sein Erfolg auch für mich wichtig ist. Das sind sehr schöne Momente.

Sie arbeiten seit Februar als Quereinsteigerin an einer Brennpunktschule im Wedding in Berlin. Das ist ungewöhnlich. Meistens haben diese Schulen Probleme, Lehrkräfte zu finden, kaum jemand bewirbt sich dort. Warum Sie?

Ich wollte nie etwas anderes machen als Schule in herausfordernder Lage. Ich bin Lehrerin, um junge Menschen ein Stück weit zu pushen zu einem möglichst guten Selbst. Wenn man nicht das Fach in den Mittelpunkt stellt, sondern die Begleitung der Schüler, dann ist die Herausforderung nirgendwo größer als an solchen Schulen. Die Schüler in Prenzlauer Berg in Berlin brauchen mich in der Hinsicht nicht unbedingt, die kommen schon klar. Wenn ich aber dafür brenne, Menschen um die Klippen einer immer noch segregierenden Gesellschaft herum zu manövrieren, dann muss ich an die Schule, an der ich jetzt bin. Ich bereue die Schulwahl also nicht.

Der Mensch

Maja Lasić wird 1979 in Mostar geboren. 1993 flüchtet sie mit ihrer Familie wegen des Bosnienkriegs nach Deutschland, zunächst nach Bonn. 1995 zieht die Familie nach Bielefeld. Lasić macht dort an einem humanistischen Gymnasium Abitur und studiert anschließend Biologie und Chemie in Münster. 2008 Promotion zu einem biochemischen Thema an der Universität Stuttgart. Danach arbeitet sie kurz bei einem Pharmaunternehmen in der Nähe von München.

Die Lehrerin

Über die Initiative Teach First, die Menschen aus der Berufspraxis als temporäre Hilfs­leh­re­r*in­nen (und Vorbilder) an Brennpunktschulen vermittelt, kommt Maja Lasić mit dem Lehrerinnenberuf in Kontakt. Zwei Jahre unterrichtet sie Bio, Chemie, Mathe und Ethik an einer Weddinger Schule.

Die Politikerin

Zugleich macht Lasić in der Berliner SPD Karriere. Bei den Abgeordneten­haus­wahlen 2016 gewinnt sie als unbekannte Newcomerin ihren Wahlkreis im Wedding. Sie konzentriert sich auf die Bildungspolitik, wird bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Lasić gilt als bestens vernetzt, ist mit ihren Themen präsent in den Medien und wird auch von ihren Kol­le­g*in­nen in der Opposition für ihre Fachkenntnis geschätzt. Bei der Berlin-Wahl 2021 verliert sie ihren Wahlkreis an die Grünen und schafft den Wiedereinzug ins Parlament auch nicht über einen Listenplatz. Jetzt arbeitet sie wieder als Lehrerin: An einer Weddinger Sekundarschule, die in ihrem alten Wahlkreis liegt, macht sie derzeit ihr Referendariat. (akl)

Haben die Kinder denn etwas gelernt im letzten halben Jahr bei Ihnen?

Das würde ich jetzt nicht für jeden einzelnen Schüler unterschreiben – da will ich allerdings auch den Lehrer sehen, der das von sich behaupten könnte! Aber ich würde schon sagen: Ich habe in mehreren Klassen deutliche Spuren hinterlassen.

Das heißt?

Man muss sich als Lehrkraft messbare und realistische Ziele stecken, um glücklich zu sein.

Was hat Sie also glücklich gemacht?

Ich habe eine ziemlich schwierige siebte Klasse in Mathe. Eigentlich unterrichte ich das Fach gar nicht, aber wir haben nun mal nicht genug Mathelehrer an meiner Schule. Jedenfalls habe ich es geschafft, dass diese recht schwer zu bändigende Gruppe von Schülern sich in ihrem eigenen Tempo auf die Prozentrechnung eingelassen hat. Binnendifferenziertes, selbstständiges Lernen heißt es im Fachjargon. Und es hat wirklich funktioniert. Die Klausur war dann auch richtig gut. Das war die Leistung der Kinder! Aber dass ich den Rahmen setzen konnte, der sie dazu befähigt hat, das war schon ein tolles Erfolgserlebenis.

Wollen Sie sich da auch selbst etwas beweisen, als Lehrerin?

Beweisen ist das falsche Wort. Nein, da habe ich mir an anderen Stellen im Berufsleben etwas bewiesen. Es geht darum: Was macht einen glücklich? Mich macht es glücklich, wenn ich merke: Der Lebensweg meiner Schüler wäre ohne mich anders verlaufen. Dass ich diese direkte Möglichkeit der Einflussnahme habe.

Daran kann man auch scheitern. Weil man als Lehrkraft doch nur ein kleines Rädchen im Getriebe ist, das von Mangel geprägt ist – bei den Mathelehrern an Ihrer Schule zum Beispiel angefangen.

Deswegen kommt es ja auf die eigenen konkreten Zielsetzungen an. Ich will erreichen, dass jeder meiner Schüler am Ende etwas mehr schafft, als er selbst von sich wusste und ihm gespiegelt wurde, was er schaffen kann. Vielleicht ist das auch meine eigene Biografie, meine Herkunft, die diesen Blick bedingt.

Sie sind als 14-Jährige mit Ihren Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland geflohen und zunächst in Bonn-Bad Godesberg in eine Willkommensklasse gegangen.

Ja. Vielleicht empfinde ich deshalb eine gewisse Parallele mit den 14-, 15-Jährigen, die gerade vor dem Krieg in der Ukraine hierher flüchten. Ich kann mich gut mit ihnen identifizieren – ich verstehe die Situation des Ankommens. Womit ich nicht gut umgehen kann, ist die Reflexion über den Krieg an sich.

Warum?

Niemand, der Krieg erlebt hat, kann mit Krieg umgehen. Ich fand es deshalb auch immer befremdlich, warum die deutschstämmigen Menschen in meinem Alter es so verwunderlich finden, dass die älteren Generationen hierzulande nicht über den Zweiten Weltkrieg reden wollen. Da frage ich mich: Was für eine Erwartungshaltung ist das? Ihr habt doch gar keine Ahnung, was Krieg bedeutet. Es gibt keine Worte, mit denen man das Entsetzliche verarbeiten kann. Wozu dann reden? Aber am Ende ist es meine Herkunft, die mich jetzt an diese Schule im Wedding geführt hat.

Sie wollen etwas zurückgeben?

Ich habe dieses Bedürfnis, wirksam zu sein. Das hört sich vielleicht pathetisch an, aber ich glaube, ich kann nachempfinden, was die Kinder, die hier ankommen, brauchen – und ich glaube auch, dass es gut ist, wenn sie eine Lehrerin haben, die ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie sie. Die weiß, wie es ist, vor einer Klasse zu stehen und das Vokabular fehlt, um sich auszudrücken. Im Übrigen geht es da ja nicht nur um die ukrainischen Kinder. Es kommen ja ständig Kinder aus den verschiedensten Ländern hier in Berlin an.

Sie selbst haben nach dem Abitur in Münster studiert und später in Stuttgart in Biochemie promoviert. Eine Aufsteigerinnengeschichte.

Ein Wiederaufstieg vielleicht. Ich entstamme der Mittelschicht des ehemaligen Jugoslawiens, sodass ich qua sozialer Herkunft weniger Nachteile mitbrachte als jemand, der aus benachteiligten Verhältnissen kam. Aber auch bei mir war es letztlich Glück. Ich war an einer Schule, die Kinder nicht so schnell aussortiert hat. Ich hatte gute Lehrer auf dem Gymnasium, die haben genau hingeschaut und haben dann relativ schnell gesagt: Dieses Kind muss Abitur machen. Und meine Eltern haben mich auch gepusht. Trotzdem war die Oberstufe auch eine Durststrecke, in der ich nicht glaubte, dass für mich vorgesehen ist, dass ich in diesem Land etwas erreiche. Das kam dann erst wieder in der Uni.

Was ist passiert?

Wenn Sie von einem Mittelstandskind in Deutschland ausgehen: Das weiß, dass es irgendwann studieren wird. Es weiß, es wird schon alles klappen. Mit diesem Gefühl bin ich auch aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen. Und dieses Gefühl ist mir zwischenzeitlich verloren gegangen.

Aber warum – Sie hatten gute Lehrer, sagen Sie, ein interessiertes Elternhaus …

Ich erinnere mich aber auch an eine Lehrerin auf meinem humanistischen Gymnasium, die mir ganz klar gesagt hat: Wenn ich weiter so Deutsch spreche, mit dem Akzent, dann sind mehr als drei Punkte im Abitur nicht drin. Und so blieb es dann bis zum Schluss. Dass ich mit 14, 15 schon die meisten russischen Klassiker gelesen hatte, war irrelevant – mein Bildungskanon war nicht mit ihrem Weltbild kompatibel.

Eine Fedemappe mit Stiften.

Bunt ist der neue Job: ein Blick in Maja Lasićs Federtasche Foto: Sophie Kirchner

Wie erleben Sie das heute als Lehrerin? Die Schü­le­r*in­nen an Ihrer Schule haben fast zu 90 Prozent einen Mi­grationshintergrund. Spiegeln die Ihnen ihre eigenen Diskriminierungserfahrungen, den Frust über Ungerechtigkeiten?

Für Stigmatisierung muss man erst mal Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft haben. Diese Erfahrung wartet erst noch auf meine Schüler*innen. Noch sind wir unter uns. Es geht aktuell vielmehr um einen Mangel an Ideen, was man mit sich machen kann. Es gibt einen Mangel an Vergleichbarkeiten über das eigene Milieu hinaus. Ich würde sagen, ein Großteil meiner Schüler hat noch nicht verstanden, was für großartige Menschen sie auch noch sein könnten. Deshalb geht es mir darum, Erfolgserlebnisse zu generieren: Zum Beispiel, wenn wir im Bio-Unterricht ein Auge sezieren und die Kinder fasziniert davon sind, dass sie das können. Das sind Aha-Erlebnisse!

Wie äußern sich die? Arbeiten die Kinder besser mit, stören sie weniger den Unterricht?

Also, bevor ich irgendwelchen 14-Jährigen Skalpelle in die Hand drücke, muss ich die Klasse schon im Griff haben (lacht). Damit habe ich aber noch nicht die Lernziele erreicht.

Aber Sie haben die Klasse im Griff?

Ja, da bin ich rabiat (lacht). Ich kann schon streng sein. Dann kann man im nächsten Schritt nämlich auch lockerlassen. Nein, dass ich bei den Schülern etwas bewirke, das sehe ich vielmehr daran, wie eigenmotiviert sie arbeiten.

Verweigerungshaltung ist ja oft eine Protesthaltung, weil man sich nicht wirkmächtig fühlt.

Genau. Und das will ich ändern.

Würden Sie sagen: Zu viel basiert auf Glück im deutschen Bildungssystem – darauf, dass Lehrkräfte ähnlich motiviert sind wie Sie?

Ja. Und wir werden nie ein System der völligen Chancengerechtigkeit bekommen, das ist eine Utopie. Aber Politik kann versuchen, an den Stellschrauben zu drehen, dass wir uns diesem Zustand annähern.

Warum hat man das Gefühl, dass das nicht passiert?

Sehen Sie, da unterscheiden sich unsere Einschätzungen. Da nehme ich dann die Perspektive der Politikerin ein, die ich war. Nehmen Sie die siebte Klasse in Mathe, von der ich erzählt habe: Dieses Erfolgserlebnis war nur möglich, weil wir Personal haben an unserer Schule, um Klassen aufteilen zu können, sodass ich nur noch 14 Schüler habe, die da vor mir sitzen. Diese Personalausstattung für die Brennpunktschulen in Berlin ist aber ja auch nicht vom Himmel gefallen, sondern war harte Arbeit von Politikern, die die zusätzlichen Ressourcen erkämpft haben. Die Debatte ist also nicht: Warum ändert sich nichts? Sondern: Wie machen wir mehr aus dem, was wir reinstecken ins System? Und dass das Geld natürlich auch immer noch mehr sein könnte, das ist klar.

Wie sehr sind Sie eigentlich im Kopf noch die langjährige Politikerin, die Sie bis Herbst 2021 waren, Frau Lasić?

Ach ja, schon gefühlt noch so ungefähr zur Hälfte. Ich bin auch noch weiterhin in der Arbeitsgemeinschaft Bildung der SPD. Mein Mann sagt manchmal, ich bin verrückt.

Aber loslassen ist eben nicht so einfach?

Nein. Ich habe noch nicht ganz losgelassen.

Sie waren bis zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen im Herbst 2021 bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion und galten als eine der profiliertesten Bil­dungs­ex­per­t*in­nen. Sie wurden sogar öffentlich als die neue Bildungssenatorin gehandelt, verloren dann aber Ihr sicher geglaubtes Mandat. Schmerzt das eigentlich noch?

Es ist tatsächlich eine spannende Frage: Was vermisst man?

Ja, was vermissen Sie: Vielleicht die Plenumssitzungen donnerstagmorgens im Abgeordnetenhaus? Sie waren eine fleißige, engagierte Rednerin.

Nein, also das Plenum vermisse ich tatsächlich nicht! Ich vermisse auch nicht die Ausschusssitzungen und die Podiumsdiskussionen. Was ich vermisse, ist das direkte Gestalten. Zum Beispiel, als die Haushaltsdebatte dran war. Da hätte ich gerne mitgemacht.

Die Politik könnte wieder Ihr Beruf werden. Die nächsten Wahlen in Berlin sind ja erst in vier Jahren. Der Lehrerinnenberuf könnte bloß ein Seitenschritt sein.

Nein, ich mache den Lehrerinnenberuf jetzt nicht, um wieder zurückzukehren.

Was würde die Lehrerin Lasić eigentlich der Ex-Abgeordneten Lasić, die jahrelang die Berliner Schulen mitgestaltet hat, gerne sagen?

Das werde ich derzeit oft gefragt.

Tatsächlich?

Ja. Und die Frage suggeriert immer so ein bisschen, als Politikerin wüsste man nicht, was man tut. Dabei sitzen da viele Praktiker im Parlament. Es ist eher so, dass aus Sicht der Schulen da manchmal vielleicht ein Unverständnis herrscht, unter welchen Zwängen auch Politiker manchmal entscheiden müssen.

Sie haben alles richtig gemacht?

Sagen wir, ich bin im Reinen damit, was ich in meiner jeweiligen Zuständigkeit gemacht habe.

Wir sitzen hier gemeinsam am frühen Nachmittag mit einem Kaffee im Park und freuen uns, dass wir es gleich nicht weit haben zur Schule unserer Kinder. Als Politikerin hätten Sie um diese Uhrzeit niemals Feierabend gehabt, oder?

Nein. Und ein großer Teil meines Glücklichseins rührt auch daher. Mein Sohn ist ja noch im Grundschulalter. Zeit, Familienzeit, spielt da einfach eine große Rolle. Das wurde mir neulich erst wieder in einer Situation klar: Mein Sohn ist immer noch in dem Alter, in dem er morgens gerne zum Kuscheln zu mir ins Bett kommt. Da habe ich gedacht: Wie wunderbar, wir sehen uns heute Nachmittag auch noch mal! Ich habe Jahre hinter mir, wo das morgendliche Kuscheln der einzige Moment war, in dem ich für meinen Sohn da sein konnte. Da bin ich froh, dass das nicht mehr so ist.

Da haben Sie dann jetzt etwas aufzuholen.

Aufholen hat immer etwas mit Bereuen zu tun.

Genau.

Nein, ein Bereuen ist es nicht. Für mich führte am Ende kein Weg am politischen Engagement vorbei. Ich musste mich da austoben und beweisen und schauen, wie weit ich kommen kann und was ich bereit bin zu geben. Deshalb kann ich jetzt auch im Reinen mit mir sein in der Rolle, in der ich jetzt bin.

Dennoch haben Sie im Herbst, kurz nachdem Sie Ihr Mandat verloren hatten, mal gesagt: Sie fühlten sich als Politikerin unfertig, ein bisschen wie amputiert.

Zwischen Herbst und heute ist viel passiert. Ich habe nicht alles bewiesen. Aber ich habe Frieden damit geschlossen, dass ich nicht alles erreichen kann.

Man hat Ihnen das Amt der Staatssekretärin unter der jetzigen Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) angeboten, richtig?

Ja, das stimmt.

Ein Job, in dem man Schrauben drehen kann. Sie hätten wirkmächtig sein können, gestalten können.

(Lange Pause) Hinter mir liegt ein harter Abwägungsprozess zwischen äußeren Rahmenbedingungen, persönlichem Gestaltungs- sowie Glücksanspruch. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Es gab zuletzt einige prominente Politikerinnen, die gesagt haben, diesen Job tue ich mir nicht mehr länger an – die Ex-Familienministerin Anne Spiegel von den Grünen, die ebenfalls grüne ehemalige Berliner Fraktionschefin Antje Kapek. Können Sie die Frauen verstehen?

Ich finde es völlig legitim zu sagen, nachdem man einige Zeit in Spitzenpositionen oder im Mittelbau unterwegs war: Bis hierhin und nicht weiter. Ich will auch noch ein Leben haben. Was ich aber schade finde, ist, wenn politisches Engagement von vornherein ausgeschlossen wird mit Blick auf Familie. Dann überlassen wir berufliche Politik den Menschen, für die die Vereinbarkeitsfrage keine Rolle spielt. Das hielte ich für falsch.

Immerhin gibt es inzwischen eine lebhafte Debatte über die Vereinbarkeitsfrage, es gibt Babysitter auf Parteitagen und dank Corona eine Zoom-Kultur, die vermutlich ein Stück weit bleiben wird.

Ja, aber da muss ich sagen: Parteien sind dafür verantwortlich, eine Vereinbarkeit von politischem Ehrenamt und Familie sicherzustellen. Berufspolitik ist etwas völlig anderes. Die basiert darauf, dass man Mehrheiten, Menschen für inhaltliche Positionen organisiert. Und die gewinnt man nicht durch die beste Idee, sondern durch Netzwerken. Das Werkzeug von Politik heißt Zeit. Das wird sich auch nie ändern. Politiker, die inhaltsgetrieben sind, und dazu habe ich mich immer gezählt, achten darauf, dass sie neben dem zwingend notwendigen Netzwerken einen relevanten Teil ihrer Zeit mit inhaltlicher Politik verbringen. Um das Netzwerken kommen aber auch die inhaltlich Getriebenen nicht herum. Allerdings, was den Zeitfaktor in der Berufspolitik angeht, hat Corona da schon auch ein bisschen etwas verändert.

Weil man abends nicht mehr zum Stammtisch, sondern nur noch an den Schreibtisch ins Zoom-Meeting musste?

Ja, das war befreiend. Was war das großartig, dass ich mich abends nach dem Abendbrot in Jogginghose an den Schreibtisch setzen konnte und dann nach dem Meeting noch die Gute-Nacht-Geschichte vorlesen konnte!

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