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Ex-Richter kritisiert Zschäpe-AnwälteDer streitlustige Aktenwühler

Im Stillen durchforstet der Ex-Richter Bernd Heintschel-Heinegg Akten für diverse NSU-Ausschüsse. Nun kritisiert er die Zschäpe-Anwälte.

Nicht erfreut über die Kritik: Zschäpe-Anwalt Wolfgang Stahl (links) Foto: (dpa)

MÜNCHEN taz | Zuletzt kannte man Bernd von Heintschel-Heinegg nur als stillen Aktenwühler. Wenn überhaupt. Für den NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag sichtete der frühere Richter 3.600 Aktenordner, bereiste Verfassungsschutzämter - und belieferte die Abgeordneten mit allen relevanten Dokumenten. Aktuell macht er diesen Job für die NSU-Ausschüsse in NRW, Hessen und Baden-Württemberg. Als „Fährtensucher im Dokumentendickicht“ beschrieb sich der 70-jährige Bayer einmal selbst.

Nun wagt sich der Fährtensucher in die Offensiveund attackiert die Anwälte von Beate Zschäpe im Münchner NSU-Prozess. Bisher „vermag ich eine aktive Verteidigung nicht zu erkennen“, schreibt von Heintschel-Heinegg auf einem Rechtsblog. Die Anwälte bemerkten offenbar nicht, „in welche Richtung die Beweisaufnahme läuft“. Richtung Höchststrafe nämlich. Auch sei irritierend, dass die Anwälte - trotz wiederholtem Misstrauensantrag Zschäpes - an ihrem Mandat „kleben“. Hätten Verteidiger doch eine „Beistandsfunktion“, die auch heißen könne, dass man sich nicht gegen solche Vorwürfe wehrt - sondern „seine Entbindung beantragt“.

Das sitzt. In Rechtskreisen wird der Beitrag eifrig diskutiert. Denn von Heintschel-Heinegg kennt sich nicht nur in der NSU-Materie aus - er war auch Vorgänger von Manfred Götzl am Münchner Oberlandesgerichts. Der ist heute Vorsitzender Richter im NSU-Prozess. Von einer „derben Frechheit“, twitterte prompt Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl.

Zschäpe-Verteidiger: „derbe Frechheit“

Er habe nur auf ein rechtlich „nicht ausdiskutiertes“ Problem hinweisen wollen, verteidigt sich von Heintschel-Heinegg. Müssten Verteidiger nicht ihre Person zurückstellen, wenn Mandanten, wie im Fall Zschäpe, so massiv unzufrieden seien? Er jedenfalls, so Heintschel-Heinegg, würde keinen Mandanten vertreten, wenn dieser „nicht restlos überzeugt“ sei, optimal verteidigt zu werden.

Seit 2010, seinem 65. Lebensjahr, ist von Heintschel-Heinegg „nur noch“ Rechtsanwalt und Honorarprofessor an der Universität Regensburg. Mit Neonazi-Großprozessen kennt er sich aus - auch mit klaren Worten. Als oberster Richter in München verurteilte er 2005 Martin Wiese zu sieben Jahren Haft, für dessen Anschlagsplan auf das jüdische Zentrum in München. Er beließ es nicht dabei, sondern erklärte Wieses Gruppe auch zur „terroristischen Vereinigung“. Dies, so von Heintschell-Heinegg damals, auch als „Warnung“ an die rechte Szene.

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6 Kommentare

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  • Ferndiagnosen stellen und sich als Außenstehender öffentlich in laufende Verfahren Einmischen ist ganz schlechter Stil. Herr Heintschel-Heinegg ist das, was man in Bayern einen Gschaftlhuber nennt.

     

    Und der Herr Professor weiß natürlich ganz genau, dass er mit solchen Äußerungen Verschwörungsstheoretiker bedient, denen rechte Mörderbanden nicht ins hübsche Weltbild vom liebevollen Rechtsnationalen passen.

     

    Er kann auch noch so viele Aktenberge durchforstet haben, den aktuellen Prozeß kennt er nur aus Erzählungen und aus Berichten aus der Presse, er hat ihn eben nicht live im Gerichtssaal mitverfolgt.

     

    Dass die Verteidiger angeblich nicht erkennen würden, dass die Beweisaufnahme in Richtung Höchststrafe läuft, ist vollkommen lächerlich. Natürlich haben die das erkannt. Wo soll es denn sonst hinlaufen, wenn die Indizien besagen, dass Frau Zschäpe Mitglied in einer terroristischen Vereinigung war und den rechten Terror aktiv unterstützt hat.

     

    Mich würde interessieren, ob dieselben Leute genauso viel Mitleid und Sorge um die Verteidigung bei einem ehemaligen Miglied der RAF oder einem Islamisten hätte? Oder ob diese Art des Mitgefühls für mutmaßliche Mörder nur bei rechten Terroristen aufkommt?

    • @tazzy:

      Zustimmung !

  • 3.600 Aktenordner hat der Richter also gesichtet. Extrem fleißig. Das wird kein Anwalt nachahmen können, der noch von Einkünfte erzielen muss, von denen er leben kann. Es wäre schon der Gedanke naheliegend, ob die Anwälte nicht gerne von diesem Mandat entbunden würden, wenn sie dafür nciht diesen Berg an Akten für weit weniger als 1 Euro die Stunde durchlesen müssten.

     

    Und statt Anträge auf Entbidnung von den Pflichtverteidigungen zu stellen, die chronisch von Berufsrichtern zurückgewiesen werden, lesen sie lieber im Internet, suchen ihre Urlaubsorte vor den Augen der Angeklagten aus, ... So ausgefeilt hat sich der Ex-Richter die "Entbindugnsanträge" anscheiend nicht vorgestellt. ;-)

     

    Und die Verteidiger köntnen angesichts der Richtung der Beweisführung aktiver sein, wenn sie erkennen würden, wohin das läuft? Meine Güte. Die Verteidiger werden längst erkannt haben, dass es um eine lebenslange Haftstrafe geht, die so gut wie möglich selbst vorzeitige Begnadigung ausschließen will.

     

    Und jetzt mal im Ernst: Die Verteidiger können bei korrekten Beweisbeschlüssen und korrekten Beweisaufnahmen die Richter daran nicht hindern. Soll nach der PRozessordnung auch nicht so sein. Das hoch der Gefühle dürfte sein, die Beweise anders zu deuten und mildernde Umstände zu entdecken - falls es da was gibt.

     

    Will der Richter sich da als nächster Anwalt andienen? Das könnte sich nach so viel heißer Luft für die Angeklagte als Enttäuschung herausstellen.

  • Der Münchener NSU-Prozeß ist eine Farce, an welcher die Zschäpe-Verteidiger aktiv beteiligt sind. Gerichtsfeste Beweise (Fingerabdrücke, DNA) für die Täterschaft der Uwes fehlen. Ist diese aber nicht zu belegen, entfällt auch der Tatbestand der Mittäterschaft, deren Zschäpe angeklagt ist. (Als Beleg für die Täterschaft der beiden dienen vor allem post mortem gefundene Beweismittel, die ebnsogut nachträglich "gepflanzt" sein können.) - Es ist somit offensichtlich, daß Zschäpes Verteidiger sie nicht verteidigen - anderenfalls wäre die Nichtbeweisbarkeit von Taten eine Steilvorlage für jede Anwältin und jeden Anwalt, die jemanden verteidigen, welcher der Mittäterschaft angeklagt sind. - Heintschel-Heinegg hat recht. (Kommentar bitte stehenlassen - daß ich kein Sympathisant der rechten Szene bin, sollte sich auch auf taz.de herumgesprochen haben.)

    • @Albrecht Pohlmann:

      Und weil die Zschäpe von den ganzen Vorgängen gar nichts wusste und völlig unbeteiligt war, wollte sie anfangs auch einen Deal als Kronzeugin gegen Straffreiheit. Da kommt man mit einer Verschwörungstheorie doch gar nicht mehr aus. Da muss man als Anwalt schon auf strafbefreiende Schwachsinnigkeit plädieren.

  • Wenn ich Anwalt wäre, würde ich auch keinen Mandanten verteidigen, der mich ablehnt. Bei Frau Zschäpe gibt es diese Ablehnung aber erst, seit ihr im Laufe der Beweisaufnahme wohl selbst klar geworden ist, dass ein Freispruch für Sie doch eher unwahrscheinlich ist.