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Ex-Ministerpräsident Erwin SelleringAttacke als Strategie

Mecklenburg-Vorpommerns Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering steht wegen seiner Russlandnähe weiter in der Kritik. Einsichtig zeigt er sich nicht.

Wehrt sich gegen allerlei Vorwürfe: Mecklenburg-Vorpommerns Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering Foto: Bernd Wüstneck/dpa

Hamburg taz | Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wirkt Erwin Sellering wie ein angezählter Boxer, der nur noch wild um sich schlägt. Eben noch war der nun 73-jährige SPD-Mann der beliebte Alt-Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns, der sich seit seinem Rückzug als Landesvater 2017 noch hier und da für das Allgemeinwohl einsetzt. Nun ist seit dem 24. Februar sein Lebenswerk ein Scherbenhaufen – und der Einzige, der es nicht einsehen will, ist Sellering selbst. Jüngster Höhepunkt: eine Drohung gegen die Landtagsfraktionen in Schwerin.

Als SPD, CDU und Linkspartei Anfang 2021 die „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ gründeten, wurde Sellering Chef der Stiftung. Schon damals gab es den mittlerweile gut begründeten Verdacht, dass das Ziel der Stiftung nicht wirklich der Klima- und Umweltschutz wäre, sondern die Umgehung der US-amerikanischen Sanktionen gegen den Bau der Pipeline. Doch groß wurde die Debatte darüber nicht. Das änderte sich erst mit dem russischen Überfall auf die Ukraine.

Plötzlich kam immer mehr die Dreistigkeit zum Vorschein, mit der die Stiftung, die in Abstimmung mit dem russischen Staatskonzern Gazprom entstand, als Handlanger des russischen Regimes tätig war. Ähnlich wie Altkanzler Gerhard Schröder, sein sozialdemokratischer Parteigenosse, mag Sellering nicht zugeben, dass die Kumpanei mit dem Regime vielleicht doch nicht so eine gute Idee war. Stattdessen versucht Sellering mit Klauen und Zähnen, Aufklärung um die vermeintliche Klimastiftung zu verhindern – und die Stiftung zu erhalten.

Befremden bei den Fraktionen

Pausenlos sieht sich Sellering seither von allen Seiten zu Unrecht attackiert: Journalisten will er partout nicht die Akten zu Geschäftspartnern seiner Stiftung einsehen lassen. Nach einer zweifachen Niederlage vor Gericht kündigte er sogar eine Verfassungsbeschwerde an. Nun drohte er in einem Schreiben an alle Landtagsfraktionen mit Klagen, weil sie Unwahrheiten über die Stiftung erzählt hätten. Das sorgte am Dienstag für Befremden bei den Fraktionen.

Doch Sellering scheint überzeugt zu sein von seinen juristischen Ansichten. Bei einem ehemaligen Richter an einem westfälischen Verwaltungsgericht ist das nicht verwunderlich. Doch ob die ständige Attacke die richtige Strategie ist, kann bezweifelt werden – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung wird Sellering so kaum wieder auf die Beine kommen.

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1 Kommentar

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  • Es gibt da mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen die Stiftung. Hier gilt, dass das Stiftungsvermögen nicht einfach an die Stifter, in diesem Falle vor allem die Gazprom zurückgegeben werden kann. Will man die Stiftung auflösen kann das Vermögen nur auf eine andere, gemeinnützige Stiftung übertragen werden. Sellering würde sich strafbar machen, wenn er anderes veranlasste.



    Zum anderen stellt sich die Frage, ob die Stiftung überhaupt in der bestehenden Form errichtet werden hätte dürfen und die Gemeinnützigkeit nicht eher einen Umgehungstatbestand erfüllt. Es war doch von vornherein klar, dass der Hauptzweck der Stiftung eben nicht der Umweltschutz war, sondern der gar nicht so umweltfreundlichen Gazprom ein Vehikel schaffen sollte Sanktionen zu umgehen. Die Beteiligten waren doch so gar stolz darauf, das bewerkstelligt zu haben. "Wir tun mal so, als wären wir für Umweltschutz, damit wir das tun können, was ansonsten nicht erlaubt wäre". Das ist doch der eigentliche Skandal.