piwik no script img

Ex-Generalstaatsanwalt in der UkraineInfarkt war Mordversuch

Wiktor Schokin sollte vergiftet werden. Er behauptet, Spuren führten zu Joe Biden, einem der demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten.

Der damalige Generalstaatsantwalt Wiktor Schokin 2015 bei einer Pressekonferenz in Kiew Foto: Sergii Kharchenko/NurPhoto/picture alliance

Kiew taz | Ein unglaublicher Verdacht hat sich am Wochenende erhärtet: Der Herzinfarkt des früheren ukrainischen Generalstaatsanwaltes Wiktor Schokin im September vergangenen Jahres war ein Mordanschlag.

Acht Tage hatte der Jurist bei einem Griechenland-Aufenthalt auf einer kardiologischen Intensivstation verbracht, zwei Herzstillstände überlebt. Doch wegen anhaltender Beschwerden hatte er sich Anfang Oktober 2019 in eine österreichische Klinik begeben. Sein Glück. Denn dort wurde Schokins Leben erneut gerettet. Nun gab der behandelnde Arzt, Nikolai Korpan, bekannt: Schokins Herzinfarkt war die Folge einer Quecksilbervergiftung.

Der aus der Ukraine stammende Nikolai Korpan von der Wiener Privatklinik Rudolfinerhaus ist bei der Behandlung von Vergiftungen eine international anerkannte Koryphäe. Korpan hatte auch 2004 den damaligen ukrainischen Oppositionspolitiker und späteren Präsidenten Wiktor Juschtschenko in Wien behandelt, der Opfer eines Giftanschlages geworden war.

Juschtschenkos Gesicht war damals vollständig entstellt, seine Organe lebensgefährlich angegriffen. Man habe bei Schokin eine in der Regel tödliche Dosis Quecksilber im Blut entdeckt, so Korpan gegenüber der ukrainischen Nachrichtenagentur „Ukrainski Nowini“. „Wir haben Symptome beobachtet, die zum Tod führen.“

Lebensrettendes Gegenmittel

So sei das Verhältnis von weißen und roten Blutkörperchen geschädigt gewesen. Etwas, das man sonst nur bei Krebskranken oder Patienten mit Chemotherapie beobachten könne, so Korpan. „Es hatte sich eine Anämie entwickelt und wir entdeckten Funktionsstörungen der Leber und der Nieren. „Wir diagnostizierten eine akute Quecksilbervergiftung.“ Wenn man nicht innerhalb eines Tages das erforderliche Gegenmittel aus Deutschland erhalten hätte, hätte Schokin nicht überlebt.

Wiktor Schokin und den US-Demokraten Joe Biden verbindet eine langjährige Feindschaft

Schokin selbst hatte Anfang Februar gegenüber dem ukrainischen Sender TSN von seinem Herzinfarkt in Griechenland und dem Krankenhausaufenthalt in Österreich und dabei von einem Versuch, ihn mit Quecksilber zu vergiften, berichtet. Wann er vergiftet worden sein könnte, konnte er nicht beantworten. „Ich weiß von einer Person, die zwei Monate lang der Vergiftung ausgesetzt war und dann gestorben ist“, berichtet Schokin. Dieser Person habe man Quecksilber unter die Matratze gelegt. Auf die Frage nach möglichen Tätern antwortet Schokin gegenüber dem ukrainischen Fernsehsender TSN: „Ich habe keine offenen Feinde. […] Aber es ist möglich, dass Biden mit dieser Frage zu tun hat.“

Wiktor Schokin und Joe Biden, Vizepräsident der USA unter Obama und derzeit demokratischer Kandidat bei den US-Präsidentschaftswahlen, verbindet eine langjährige Feindschaft. Im Januar 2018 hatte Joe Biden bei einer Veranstaltung des C uncil on Foreign Relations, die online abrufbar ist, geprahlt, wie er 2016 mit Präsident Petro Poroschenko und Premier Arsen Jazenjuk über Generalstaatsanwalt Schokin gesprochen habe.

Da Poroschenko Wiktor Schokin offensichtlich nicht entlassen wollte, habe er diesem klargemacht, dass die Ukraine einen zugesagten Kredit in Höhe von 1 Milliarde Dollar nicht erhalte, werde Schokin nicht entlassen. „Ich habe ihnen gesagt: Wenn der Staatsanwalt nicht gefeuert wird, bekommt ihr das Geld nicht,“ so Biden.

US-Visum verweigert

Tatsächlich hatte Poroschenko am 16. Februar 2016 Wiktor Schokin, so berichtet dieser, zum Rücktritt aufgefordert. Auch für die Verweigerung eines US-amerikanischen Visums im Januar 2019 macht Ex-Generalstaatsanwalt Schokin Biden verantwortlich. Er wisse über seine Kanäle zu Kontakten in den USA, so Schokin gegenüber dem Internetportal strana.ua, dass sein Name auf einer schwarzen Liste des US-Außenministeriums stehe.

„Ich gehe davon aus, dass Biden dahintersteckt“, so Schokin in dem Interview. Dieser nimmt Schokin offensichtlich das harte Vorgehen gegen die ukrainische Gasfirma Burisma übel. Und in deren Vorstand saß damals Hunter Biden, der Sohn von Joe Biden.

Schokin hatte als Generalstaatsanwalt gegen die Firma Burisma ermittelt. „Am 2. Februar 2016 war der Besitz von Burisma per Gerichtsbeschluss beschlagnahmt worden. Beantragt hatte dies die Generalstaatsanwaltschaft“, berichtet Wiktor Schokin in einem auf YouTube kürzlich veröffentlichten Gespräch mit dem Trump-Vertrauten Rudolph Giuliani.

Es sei kein Zufall, zitiert das Internet-Portal npr.org Giuliani, dass Joe Biden Petro Poroschenko im Februar 2016 fünfmal angerufen habe. Schokin, so Giuliani, habe schwerwiegende Beweise für Geldwäsche der Burisma gehabt. Und Schokin habe auch Ermittlungen gegen Hunter Biden eingeleitet wegen des Verdachts der Geldwäsche von 14,8 Millionen Dollar, so Guiliani.

Nicht zögerlich

Schokin gilt nicht als Jurist, dem man Zögerlichkeit vorwirft. Obwohl seiner Ernennung zum Generalstaatsanwalt im Februar 2015 die meisten Parteien zugestimmt hatten, scheute er sich nicht, gegen politische Schwergewichte vorzugehen, die im Verdacht der Korruption standen.

Im Oktober 2015 hatte er den Vertrauten des einflussreichen Oligarchen Ihor Kolomojskyj, Hennadij Korban, festnehmen lassen, wenig später zwei bekannte Abgeordnete des „Oppositionsblockes“ zur Generalstaatsanwaltschaft vorgeladen.

Am 2. November 2015 wurde das erste Mal versucht, Schokin zu ermorden. Panzerglas in seinem Büro hatte ihn jedoch vor drei Schüssen geschützt. Schokin denkt nicht ans Aufgeben. Er will wieder zurück in sein Amt. Nachdem entsprechende Versuche auf dem Gerichtsweg gescheitert sind, hat er sich an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gewandt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Im Korruptionsmoloch Ukraine sollte man vorsichtig sein, zu welcher Seite man tendiert. Schokin und Poroshenko sind gewiss keine "lupenreinen Demokraten" und Rudy Guiliani journalistisch zu bemühen, halte ich für gefährlich.

  • Where is the difference?

    Zitat: „,Ich habe ihnen gesagt: Wenn der Staatsanwalt nicht gefeuert wird, bekommt ihr das Geld nicht,‘ so Biden.“

    Sinngemäß Trump zu Selenskyj: „Wenn nicht gegen Hunter Biden ermittelt wird, bekommt ihr das Geld nicht.“

    Beide Äußerungen haben Trump und Biden jeweils in amtlicher Eigenschaft getan und betrafen jeweils Privatinteressen. In beiden Fällen hat man es folglich mit Amtsmißbrauch zu tun.

    Daraus ergibt sich die Frage: Where is the difference between Trump and Biden?

    • @Reinhardt Gutsche:

      Der Unterschied ist, dass Joe Biden mit der Hinarbeiten auf die Absetzung Schokins die offizielle Politik der US-Regierung umgesetzt hat, die sowohl vom damaligen US-Präsidenten Obama als auch von Abgeordneten beider großen Parteien im US-Kongress als auch von der EU unterstützt wurde. Und der Grund für diese Politik war, dass Schokin korrupt war und die Untersuchung von Burisma blockiert hat. Bernhard Clasen, der Autor dieses Beitrags, gibt hier unkritisch die Lügen von Schokin und Rudy Giuliani wieder.

      Biden hat bei diesem Thema gegen seine persönlichen Interessen gehandelt, weil eine Entlassung Schokins die Wahrscheinlichkeit der Ermittlungen zum Thema Burisma _erhöht_ und nicht etwa verringert hat.

      Es war also im Falle Biden kein Amtsmissbrauch.

      Eine Frage hätte ich noch: Wenn Biden gewusst hat, dass sein Eingreifen im Falle Schokin korrupt war, warum in aller Welt hätte dann in der Öffentlichkeit damit prahlen sollen? Der Mann mag ein korrupter Politiker sein, aber ich glaube nicht, dass er ein Vollidiot ist.

  • Als Staat ist Ukrainen ganz ohne Grundlage und Konsistenz, besteht nur als US-Protektorat mit EU-Geld weiter. Einmal unter Diktat Trumps, einmal unter Diktat Bidens, der dort seinem zu-nichts fähigen Sohn eine Millionenschwere Gehalt-stelle verschaffen hat. Am besten keinen Finger dafür rühren.

    • @Eulenspiegel:

      Keinen Finger rühren, einfach selber machen lassen. Ich frag mich schon länger, warum Putin das so schwer fällt.