piwik no script img

Ex-Fußballtrainer über Fußball-WM„Wir sind ausgelaugt“

Frauenfußball-Altmeister Bernd Schröder über die Vorzüge des Halbprofitums. Und einen viel zu zögerlichen Deutschen Fußball-Bund.

„Es geht um Kontinuität“, sagt Bernd Schröder, Ex-Coach des 1. FFC Turbine Potsdam Foto: imago/Bild13
Interview von Markus Völker

taz: Herr Schröder, fühlen Sie sich von dieser Weltmeisterschaft gut unterhalten?

Bernd Schröder: Naja, meine Erwartungen an das deutsche Team waren von Anfang an nicht so hoch, weil es wacklig war und wacklig ist. Es hat ja dann auch durchwachsen gespielt, aber die Leistungen der Amerikanerinnen und Engländerinnen sind schon gut. Der Frauenfußball hängt nicht allein von Deutschland ab.

Das Aus der Deutschen, war das Pech oder Unvermögen?

Die DFB-Elf hatte nicht das Format, um bei diesem Turnier zu bestehen. Trotz aller Defizite hat sie aber die Leistung gezeigt, die in ihr steckt. Schweden ist freilich keine Übermannschaft. Wenn man gegen Schweden ausscheidet, war man einfach nicht gut genug.

Was hat die DFB-Elf aus Ihrer Sicht falsch gemacht?

Wir haben nie eine Formation gehabt, die über zwei oder drei Spiele konstant gespielt hat. Es gab eine Rotation, die sicherlich gut gemeint war von der Bundestrainerin, die aber nicht funktioniert hat. Man hat sich auch zu sehr versteift auf das eventuelle Mitwirken von Dzsenifer Marozsán. Sie ist kein Heilsbringer. Wenn man sich nur auf sie konzentriert, dann geht das nach hinten los – wie man gesehen hat.

War Marozsáns Einsatz im Schweden-Spiel nach dem Zehenbruch in der Vorrunde ein Fehler?

Ich kenne sie gut. Sie ist keine Spielerin, die in so einer Situation eine Mannschaft mitreißen kann. Ich denke, es war falsch, sie in der zweiten Halbzeit zu bringen, auch wenn sich das im Nachhinein leicht sagen lässt. Es wäre vielleicht besser gewesen, sie von Anfang an einzusetzen.

Nach dem Aus im Viertelfinale drängt sich der Eindruck auf, dass das DFB-Team den Anschluss an die absolute Weltspitze verloren hat. Aber das scheint die aktuelle DFB-Führung um Interimspräsident Rainer Koch oder DFB-Direktor Oliver Bierhoff nicht zu stören. Sie haben die WM-Performance ausdrücklich gelobt.

Diese Leute betrachten ja den Frauenfußball sehr flüchtig. Man muss aber auf die Klubs und deren Nachwuchsförderung schauen. Die Klubs sind die Henne, und die Nationalmannschaft ist das Ei, bildlich gesprochen. Wenn wir in den letzten Jahren keinen Champions-League-Sieger stellen konnten, den wir vor Jahren noch hatten, dann ist das ein Zeichen dafür, dass wenig Potenzial in den Klubs entwickelt wird.

Ist zu wenig Geld da?

Ich sehe nicht das Primat des Geldes. Natürlich gehört eine gute Finanzierung dazu, aber ich bin und bleibe ein Anhänger des dualen System.

Das heißt?

Dass die Spielerinnen ihren Leistungssport mit der Schule, dem Studium, der Berufsausbildung oder dem Beruf vereinbaren können.

Okay, Sie sind ein Verfechter des Halbprofitums. Aber muss sich der deutschen Frauenfußball nicht gerade davon verabschieden, um mit der Entwicklung in England oder Spanien mitzuhalten, Länder, die auf Vollprofis setzen?

Dann muss die Professionalisierung im Nachwuchsbereich ansetzen. Die Spielerinnen fallen ja nicht vom Himmel. Wenn sie keine Spielerinnen und somit keinen Markt haben für ein System mit Vollprofis, dann funktioniert es eben nicht, auch wenn sie Millionen von Euro da herein pumpen. Es mag hier und da in Europa klappen, aber der Frauenfußball braucht eine weltweite Entwicklung. Er muss von unten wachsen und sich nach oben durchsetzen.

Ist die Angliederung des FFC Frankfurt an die Eintracht der Weg, den alle Frauenfußballklubs in Deutschland beschreiten sollten, also der SC Sand oder SGS Essen?

Nein, das geht ja gar nicht. Essen müsste nach Dortmund gehen. Ich weiß nicht, ob das funktionieren würde. Ich bin für eine gute Mischung. Klar, es soll Klubs geben, die auf Frauenfußball setzen, aber dann müssen diese Klubs auch mit Herz und Leidenschaft dabei sein. Eine breite Basis haben wir aber nur, wenn wir auch Vereine haben, die nicht an Bundesligaklubs wie Eintracht Frankfurt angegliedert sind.

Der Leidenschaft könnte man doch nachhelfen, indem der DFB sagt, wir lizensieren Bundesligaklubs nur, wenn die nachweisen, dass sie es ernst meinen mit der Förderung des Frauenfußballs?

Ja, diese Diskussion hatten wir ja schon vor der WM 2011. Aber das hat sich nicht durchgesetzt, also die Auffassung, dass man mit Geld und Auflagen alles von oben regeln und steuern kann. Mit Verordnungen regeln sie nichts, Frauenfußball muss nämlich aus dem Herzen kommen. Wir müssen aufpassen, nicht die Seele des Frauenfußballs kaputt zu machen.

In England und Spanien sieht man das anders.

Ja, aber für mich ist ein Wort besonders wichtig: Nachhaltigkeit. Der Frauenfußball in Deutschland hat eine sehr große Nachhaltigkeit. Die Ligen und Klubs in Spanien oder England müssen erst einmal nachweisen, dass sie es mit der Nachhaltigkeit ernst meinen.

Was verstehen Sie genau unter Nachhaltigkeit?

Wenn sich etwas über Jahrzehnte hält und sich gewisse Strukturen etablieren. Nachhaltigkeit ist mehr als Millionen reinzuschmeißen – und in fünf Jahren ist alles wieder kaputt. Man braucht einen langen Atem. Es geht um Kontinuität. Die haben wir in Deutschland, auch wenn wir jetzt vielleicht ausgelaugt sind und neue Gedanken her müssen.

Wenn es hierzulande also einen fußballerischen Burn-out gibt, warum stellt dann der Deutsche Fußball-Bund nicht eine Task Force zur Entwicklung des Frauenfußballs auf, sondern sagt, es sei schon alles irgendwie in Ordnung?

Ich habe sechs DFB-Präsidenten erlebt, und derzeit gibt es nun mal keine richtige Führung. Der Verband ist mit sich selbst beschäftigt. Die haben in ihren Führungsgremien andere Probleme, als auf den Frauenfußball zu gucken. Deswegen sagen sie: Passt schon, alles gut, es gibt keine Probleme. Das ist völlig oberflächlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!