Ex-Abgeordneter mit dubiosen Kontakten: CDU-Mann mit Vietnam-Faible
Als er noch im Bundestag saß, vermittelte Mark Hauptmann Masken aus Vietnam. Sein Kreisverband erhielt eine dubiose Spende.
„Südthüringen auch über die Grenzen Deutschlands hinaus zu einer Marke mit Wiedererkennungswert zu machen, ist und bleibt eines meiner wichtigsten Ziele“, verkündete Hauptmann auf seiner Homepage.
Doch das alles ist inzwischen Geschichte. Am 11. März hat Hauptmann sein Bundestagsmandat niedergelegt und ist von allen seinen Ämtern in der CDU zurückgetreten. Und die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft prüft, ob ein Anfangsverdacht wegen Bestechlichkeit gegen den Politiker vorliegt. Zum Problem werden könnte dem 36-jährigen Christdemokraten, dass er bei seinen guten Kontakten zu Ländern wie Vietnam, Aserbaidschan und Taiwan seine politischen Aktivitäten möglicherweise allzu sehr mit eigenen wirtschaftlichen Ambitionen verquickt hat.
Unbestritten ist, dass großflächige Anzeigen aus diesen drei asiatischen Ländern maßgeblich zur Finanzierung des Südthüringen Kurier beigetragen haben. Das von Hauptmann herausgegebene Blatt erschien seit 2015 vierteljährlich in einer Auflage von rund 55.000 Exemplaren und wurde wie eine bezahlte Firmenbeilage vor allem über die regionale Tageszeitung Freies Wort verbreitet. Dabei war die Anschrift der Redaktion des Südthüringen Kurier identisch mit der des Wahlkreisbüros von Hauptmann. Auch die Suhler CDU, deren Kreisvorsitzender er war, hat dort ihren Sitz.
Der CDU-Kreisverband ist nun um Schadensbegrenzung bemüht. Denn bei der Prüfung der Unterlagen nach Hauptmanns Rücktritt stieß er nach eigenen Angaben auf eine Spende in Höhe von 7.000 Euro. Anfang 2021 sei das Geld „von einem inländischen Unternehmen“ in die Parteikasse gespült worden.
Die Suhler CDU hat die Spende inzwischen „vorsorglich gemäß dem Parteiengesetz an die Bundestagsverwaltung zur Prüfung gemeldet“, wie sie in einer Erklärung mitgeteilt hat. Unabhängig vom Ergebnis will sie es nicht behalten.
Masken aus Vietnam vermittelt
Was die Parteispende höchst anrüchig erscheinen lässt: Der Absender ist die TY-Capital & Trade GmbH in Frankfurt am Main. Das ist eben jenes Unternehmen, für deren FFP2- und OP-Masken Hauptmann zu Beginn der Coronakrise beim Land Thüringen, bei verschiedenen Thüringer Landkreisen und Krankenhäusern warb.
Die Firma habe „erfolgreich neue funktionierende Lieferketten aus Vietnam nach Deutschland aufgebaut“, schwärmte Hauptmann damals. Die Ware aus Vietnam sei von höherer Qualität als so manche Maske aus China.
Die Landkreise Sonneberg und Hildburghausen orderten die – nicht gerade billigen – Masken. Die Kreisverwaltung von Schmalkalden-Meiningen lehnte das Angebot hingegen ab, es erschien ihr unseriös. Auch das von der Linkspartei geführte Sozial- und Gesundheitsministerium Thüringens winkte ab.
Aber wer ist eigentlich die TY-Capital & Trade GmbH, für die Hauptmann sich so ins Zeug gelegt hat? Sieht man von den Presseveröffentlichungen der letzten Tage ab, findet man im Internet lediglich die Einträge im Handelsregister. Keine Firmenwebsite, keine Facebookseite, keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme.
Laut Handelsregister wurde die Firma 2018 zunächst als Unternehmergesellschaft, kurz UG, gegründet und 2020 in eine GmbH umgewandelt. Als Geschäftsführerin fungiert die Vietnamesin Thi Viet Huong N. Für ein paar Monate, von Mitte Juni bis Oktober 2020, tauchte zwischendurch ein Jan M. als Geschäftsführer auf. Dabei handelt es sich wohl um einen vielfältig wirtschaftlich aktiven jungen Mann, der zumindest eine Zeit lang auch in der Jungen Union in Rheinland-Pfalz aktiv war.
Zweck der Gesellschaft soll die „Finanzierung, der An- und Verkauf, das Halten, Verwalten und Betreuen von Unternehmensbeteiligungen, die Gründung von Gesellschaften im In- und Ausland, die Verwaltung des eigenen Vermögens, IT-Beratung, der Im- und Export sowie der Handel mit Pflege- und medizinischen Produkten“ sein – also alles Mögliche.
Nur eine Briefkastenfirma?
Die taz hat sich unter vietnamesischen Geschäftsleuten deutschlandweit umgehört und ist dort auf niemanden gestoßen, der die Frau oder die Firma kennt. Das verwundert, weil die Akteure innerhalb der vietnamesischen Community durch umfangreiche Geschäftskontakte gut vernetzt sind. Man kennt sich.
Doch im Internet findet sich eine zweite Firma derselben Geschäftsführerin: die TY Medicare. Von diesem Unternehmen existiert eine semiprofessionelle Website, auf der es sich als „führender Händler von medizinischen Produkten in Europa“ anpreist und medizinische Ausrüstungen aller Art anbietet, auch OP- und FFP2-Masken sind im Angebot.
Die taz hat sich am angeblichen Geschäftssitz der TY Medicare im Frankfurter Stadtteil Rödelheim umgeschaut. Die Adresse führt zu einem ehemaligen Industriekomplex. Die sechsstöckigen Gebäude werden von unzähligen Unternehmen als Büroräume genutzt. Dutzende Firmenschilder finden sich, daneben jeweils große Briefkastenanlagen. Ein weiteres großes Schild an der Straße nennt die Firmen, die hier zu Hause sind: eine Bank, ein Logistikunternehmen, ein Filminstitut, eine Kanzlei, der Medizinische Dienst der Krankenkassen und so einiges mehr.
Am Hinterhofeingang von Haus B gibt es einen unauffälligen, etwas ramponierten Postkasten. Die schiefhängende Alu-Abdeckung des Briefschlitzes verdeckt teilweise den mit Tesafilm aufgeklebten Zettel. Der kleingeschriebene Text darauf ist der einzige Hinweis auf den Firmensitz von TY Medicare.
Die TY-Capital & Trade GmbH hat ihren Sitz angeblich auf der anderen Straßenseite. Bei ihrer Adresse befindet sich ein fünfstöckiges Wohnhaus. Im Erdgeschoss bietet ein Matratzenlager Schlafunterlagen an. Am Klingelschild stehen 28 Namen, darunter kein einziger Firmenname. Aber immerhin findet die taz an der Klingel von Wohnung 34 denselben Namen, den auch die Geschäftsführerin der TY-Capital & Trade GmbH und der TY Medicare trägt.
Werbetext des vietnamesischen Botschafters
Allerdings handelt es sich um einen in Vietnam weit verbreiteten Namen. Ob der Geschäftsführerin die Wohnung tatsächlich gehört, ist möglich, aber nicht sicher. Die taz schreibt die Frau an und erhält keine Antwort. So bleibt unklar, wer und was tatsächlich hinter den beiden Frankfurter Firmen steckt. Handelt es sich um Briefkastenfirmen, die eigentlich ihren Ursprung in Vietnam haben?
Das würde zumindest die Verbindung zu Hauptmann erklären. Denn der unterhielt beste Kontakte zu dem Land und seinen Honoratioren. Ein Beispiel: Im März 2018 druckte Hauptmanns Südthüringen Kurier über eine halbe Zeitungsseite einen Beitrag von Vietnams damaligem Botschafter in Deutschland, Doan Xuan Hung. Titel des Traktats: „Neue Impulse für vietnamesisch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen“.
Der Beitrag kommt wie ein redaktioneller Text daher, man muss schon genau hinschauen, um hinter dem Autorennamen das in Klammern gesetzte Wort „Anzeige“ zu entdecken.
Das ist nicht das einzig Problematische daran: Der Werbetext des Botschafters, mit dem sich Hauptmann auch schon mal beim Skifahren in Oberhof ablichten ließ, erschien zu einer Zeit der diplomatischen Eiszeit zwischen Deutschland und Vietnam, nämlich ein paar Monate nach der Entführung des Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh aus dem Berliner Tiergarten durch den vietnamesischen Geheimdienst.
Diplomatische Eiszeit? Nicht für Hauptmann
Die Bundesregierung hatte seinerzeit die zwischenstaatlichen Kontakte auf das absolut unerlässliche Minimum heruntergefahren. Vietnams Botschafter wurde zu keinen Empfängen mehr eingeladen, nicht einmal von anderen ausländischen Botschaften in Deutschland, weil das Auswärtige Amt die Kontaktdaten von den Listen gelöscht hatte. Dass gerade ein Abgeordneter der Unionsfraktion das Kontaktvermeidungsgebot einfach in seiner Zeitung ignorierte, ist bemerkenswert.
Im Juni 2018, immer noch während der diplomatischen Eiszeit, durfte der vietnamesische Botschafter Hauptmann in seinem Wahlkreis besuchen. Es dürfte eine von ganz wenigen Einladungen gewesen sein, die der zum Nichtstun verdammte Botschafter damals erhielt. 2020, inzwischen war die diplomatische Blockade beendet, besuchte Hauptmann im Gegenzug Vietnams Botschaft in Berlin und ließ sich dort als Brückenbauer feiern.
Vietnam sei für Deutschland zwar ein wichtiger Wirtschaftspartner, aber „autoritäre Strukturen, eine schwache Justiz, Korruption und die schwierige Menschenrechtslage sind Hemmschuh einer positiven Entwicklung“, sagt Martin Patzelt, der für die CDU im Menschenrechtsausschuss des Bundestags sitzt. Er warnt davor, die vietnamesische Regierung könnte den Eindruck gewinnen, dass das deutsche Parlament die Verletzung der Menschenrechte in Vietnam nicht ernst nehmen würde. „Das ist aber nicht der Fall“, betont Patzelt.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ steht Vietnam auf Platz 175 von 180 Staaten, noch hinter Aserbaidschan, das es immerhin auf Platz 168 schaffte. Hauptmann scheint das während seiner Zeit im Bundestag wenig gestört zu haben. Dass sich dieses Desinteresse für ihn monetär ausgezahlt hat, bestreitet er. Letztlich hat es ihn seine Karriere als Politiker gekostet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei