Evangelikale in Bremen: Schon wieder ein Missionar
Trotz Problemen mit Hassprediger Olaf Latzel: Die Bremische Evangelische Kirche baut für ihre Jugendarbeit weiterhin auf Evangelikale.
Denn während die sich öffentlichkeitswirksam endgültig von ihrem frauenfeindlichen, homophoben und der Volksverhetzung verdächtigen Hassprediger distanziert, der IBKA nennt es „Imagepolitur“, wird nun eine hauptamtliche Stelle im ReferentInnenpool der BEK ausgerechnet mit einem Evangelikalen nachbesetzt. Christian Kück heißt der Mann und war bisher in der St.-Markus-Gemeinde als Diakon für Kinder und Jugendarbeit tätig.
Die Gemeinde gehört zur „Evangelischen Allianz“, dem Dachverband der Evangelikalen, die in gelebter Homosexualität eine Sünde sieht, sich gegen die Ehe für alle ausspricht und die sogenannten „Märsche für das Leben“ in Berlin organisiert mit dem Ziel des vollständigen Verbots der Abtreibung. Ihr bekanntester Bremer Vertreter: Pastor Olaf Latzel.
„Erneut“, sagt der IBKA, gehe die Stelle des Jugendreferenten an einen Evangelikalen, denn Kück wird Nachfolger von Klaus-Peter Naumann, ehemaliger Kirchenvorstand der ebenfalls evangelikalen Epiphanias-Gemeinde. Naumann ist laut BEK-Homepage zuständig für „Missionarisch-evangelistische Angebote/Bremer Klassentage.“ Letztere sind Teil des „Projekt in Kirche und Schule“ (Piks), einem Bündel gezielter Angebote der Kirche für bremische Oberschulen. Bei den „Klasssentagen“ handelt es sich um mehrtägige Klassenfahrten, die in kirchlichen Schullandheimen durchgeführt werden – organisiert und geleitet von einem Mann, der sich laut BEK „vor allem um missionarische Jugendarbeit“ kümmert.
Schulen kooperieren mit Evangelikalen
Die Schul-Kooperationen mit bekennenden Evangelikalen mutet schon merkwürdig an. Noch bizarrer allerdings erscheint die „missionarische Jugendarbeit“ in Schulen vor dem Hintergrund, dass die bremische Landesverfassung die Rolle der Kirchen eigentlich prinzipiell außerhalb des Schulunterrichts angesiedelt sieht. In Artikel 32 heißt es wörtlich: „Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften haben das Recht, außerhalb der Schulzeit in ihrem Bekenntnis oder in ihrer Weltanschauung diejenigen Kinder zu unter-weisen, deren Erziehungsberechtigte dies wünschen.“
Allerdings scheint der Artikel dehnbar zu sein, denn auf eine Anfrage zu den „Piks“-Aktivitäten in der Bildungsdeputation im Februar dieses Jahres heißt es: „Die Senatorin für Kinder und Bildung bewertet die breit gefächerten Angebote […] im Grundsatz positiv. Die Themen eröffnen vielfältige Bezugspunkte zum Religionsunterricht.“
Ähnlich positiv beurteilt sie das Tun des künftigen BEK-Jugendreferenten Christian Kück: Dessen Aktivitäten an der Wilhelm-Kaisen-Oberschule in der Neustadt hatte Anfang des Jahres der Linken-Politiker Oliver-Jan Kornau kritisiert: Kück würde als Diakon der zur Evangelischen Allianz gehörenden St.-Markus-Gemeinde an der Oberschule regelmäßig ein Frühstück für die SchülerInnen organisieren – in missionarischer Absicht. Auf Nachfrage dazu sagte Annette Kemp, die Sprecherin der Bildungsbehörde: „Das ist keine schulische Veranstaltung, die Schule stellt – als ein Mittelpunkt im Stadtteil – lediglich die Räume.“ Und: „Grundsätzlich ist es gut, wenn bedürftigen Kindern geholfen wird.“
Unterstützung von der Bidungsbehörde
Kück organisierte allerdings nicht bloß das Frühstück, das im neuen Schuljahr übrigens weitergeführt werden soll, sondern leitete an der gleichen Oberschule im Rahmen eines nachmittäglichen „Werkstattangebots“ unter dem Motto „Ganztägig Lernen an der Wilhelm-Kaisen-Oberschule“ auch eine Jungengruppe für Sechstklässler. Für die Teilnahme daran erhielten die Schüler am Schuljahresende ein Zertifikat.
„Spielen und Kochen (natürlich ohne jeden religiösen Bezug) waren Inhalte der Jungengruppe, das wurde von der Schulleitung geprüft“, sagt dazu Annette Kemp auf Nachfrage der taz – und sieht auch in diesem Angebot offenbar keine schulische Veranstaltung, denn: „Die Zertifikate, die die Schülerinnen und Schüler am Ende des Schuljahres erhalten, bescheinigen lediglich die aktive Teilnahme an diesen Werkstätten.“
Außerdem, so Kemp, sei die Gruppe zusamengesetzt gewesen „aus Jungen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen – Jungen mit muslimischem, katholischen, evangelischen und ohne Glauben.“ Ähnlich hatte die Schulbehörde Ende letzten Jahres auch schon in Richtung „Piks“ argumentiert – ganz so, als sei ihr unbekannt, dass Missionierung ja genau für jene gedacht ist, die anders- oder nichtgläubig sind.
„Der Einsatz eines Evangelikalen in der missionarischen Jugendarbeit lässt vermuten, dass der von Mitgliederschwund bedrohten evangelischen Kirche jedes Mittel des Mitgliederfischens recht ist“, kritisiert der IBKA. Der BEK und ihren Mitgliedsgemeinden wird es dabei aber auch nicht allzu schwer gemacht.
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